Süddeutsche Zeitung

Verkehr in München:Neuer Tunnel unterm Hasenbergl

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Die Stadt steigt in die Planungen für eine Röhre ein, die die Schleißheimer Straße an die A 99 anbinden soll. Die Grünen ärgert das - sie tolerieren aber, dass ihr Koalitionspartner SPD die Mehrheit mit der CSU beschafft.

Von Anna Hoben

Es ist der erste Schritt hin zu einem großen Infrastrukturprojekt, wie es der Stadtrat schon lange nicht mehr beschlossen hat. Das Gremium hat sich in seiner Vollversammlung am Mittwoch nach einer kontroversen und teils heftigen Debatte mehrheitlich dafür ausgesprochen, ein Planfeststellungsverfahren für einen Autotunnel durch das Hasenbergl im Münchner Norden als Anbindung an die A 99 zu starten. Die Regierungsfraktion SPD/Volt hatte sich dafür im Vorhinein mit den Fraktionen CSU/Freie Wähler und FDP/Bayernpartei zusammengetan und war inhaltlich vom Koalitionsvertrag mit den Grünen/Rosa Liste abgerückt. Diese hatten den Sinneswandel des Partners toleriert.

OB Dieter Reiter (SPD) fasste die Debatte am Ende als "großes Theaterdonnerwetter" zusammen, das etwas überzogen gewesen sei für das, was man da beschlossen habe, nämlich "endlich mal eine Planungsgrundlage zu schaffen, die dazu führt, dass man irgendwann fundiert eine Entscheidung treffen kann. Nicht mehr und nicht weniger." Es sei an der Zeit gewesen, Klarheit zu schaffen. Das Regierungsbündnis habe sich gut darüber verständigt, wie es angesichts der abweichenden Ansichten damit umgehe; er sei froh, dass es "in einer funktionierenden Koalition möglich ist, das hinzukriegen".

Um das Verkehrskonzept im Münchner Norden insgesamt weiterzuentwickeln, sollen in den kommenden zwei Jahren weitere Untersuchungen stattfinden: ein Vergleich verschiedener ÖPNV-Systeme zwischen Dachau und Feldmoching-Ludwigsfeld sowie verkehrslenkende Maßnahmen wie die Stärkung der Shared Mobility und des Radverkehrs oder die Umsetzung einer flächendeckenden Parkraumbewirtschaftung zur Reduzierung des Autoverkehrs. Die Ergebnisse sollen dem Stadtrat 2024 gebündelt vorgelegt werden.

Die Röhre könnte eine Milliarde Euro kosten

In der Debatte zum umstrittensten Punkt des Verkehrskonzeptes wollten die Grünen dann doch noch einmal klar machen, was sie von einem möglichen "Tunnel Hasenbergl" halten: nicht viel. Schließlich habe man sich auf die Klimaneutralität 2035 und auf eine Verkehrswende geeinigt, sagte Fraktionschefin Mona Fuchs, dazu zähle auch das Ziel, den motorisierten Individualverkehr deutlich zu verringern. "Uns stellt sich die Frage, ob diese sehr wichtigen Ziele überhaupt noch einzuhalten wären." Den Tunnel zu planen, für den wohl eine Milliarde Euro fällig werden, das sei "unvernünftig und unseriös". Dass München 2019 den Klimanotstand ausgerufen habe, sei nichts wert, "wenn wir nicht konsequent danach handeln". Ein gemeinsamer Änderungsantrag mit der Linken/Die Partei für eine Ökologie- und Klimafolgenabschätzung, bevor in vertiefende Planungen eingestiegen wird, fand keine Mehrheit.

Nikolaus Gradl, verkehrspolitischer Sprecher der SPD, sprach von einer "sehr wichtigen" Entscheidung. Er verwies auf die vielen im Münchner Norden angesiedelten Unternehmen, neben BMW mit seinen 37 000 Arbeitsplätzen. Aber auch künftige Neubaugebiete würden von dem Tunnel profitieren. "Wir können nicht Wohnungsbau betreiben und dann sagen: Fahrt durch die Tempo-30-Zonen." Und trotz der Tatsache, dass man die Planungen für den Tunnel fortführen wolle: "Wir stehen als SPD für eine Verkehrswende in München", versicherte Gradl. Ein Satz, der in den Bänken von Grünen und Linken Gejohle und Buhrufe hervorrief. SPD-Fraktionschefin Anne Hübner verwies darauf, dass die örtlichen Bezirksausschüsse die Planungen für einen Tunnel ebenfalls unterstützten.

CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl befand: "Heute ist ein guter Tag für München." BMW sei der größte Gewerbesteuerzahler in der Stadt, so gesehen habe das Unternehmen "den Tunnel schon mehr als einmal bezahlt". Wenn die Grünen diesen nicht wollten, müssten sie auch sagen, sie wollten BMW, Krauss-Maffei oder MAN nicht. Die Forderung der Grünen-Fraktionschefin Fuchs, das Personal für den U-Bahn-Bau dürfe nicht für die Tunnelplanungen abgezogen werden, bezeichnete Pretzl als "absurd". FDP-Stadtrat Fritz Roth lobte die SPD für ihre "Vernunft" - und dafür, dass sie sich gegenüber den Grünen durchgesetzt habe.

Der Fraktionschef der ÖDP/München-Liste, Tobias Ruff, sprach mit Blick auf die Beschlussvorlage von Mobilitätsreferent Georg Dunkel von "26 Seiten Enttäuschung". So fehle etwa eine Beschreibung des Ist-Zustands der Verkehrssituation im Münchner Norden. Der SPD warf er "Planungstricks" vor, etwa weil diese immer wieder ausdrücklich eine Tunnelvariante durch das geschützte FFH-Gebiet ausschließe, die nicht zur Debatte stehe. Den Grünen attestierte er, dass der Tunnel nun dank ihres Zugeständnisses an die SPD wahrscheinlich kommen werde. Thomas Lechner, parteiloses Mitglied der Fraktion Die Linke/Die Partei, sagte, der Beschluss mache ihn wütend. Seit den 70er-Jahren wisse man von der Klimakrise, "aber wir pfeifen darauf".

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