Harry Klein:Die letzten Tage des Techno-Tempels

Lesezeit: 2 Min.

Dicht an dicht tanzt man noch bis 21. Mai auf dem Dancefloor des Harry Klein. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Der Münchner Elektro-Club Harry Klein muss einem Hotelbau weichen. Bis Mitte Mai wird noch gefeiert. Was auf dem Programm steht.

Von Michael Zirnstein

Harry Klein ist mehr als eine Räumlichkeit oder ein Club. Es ist sogar mehr als ein Name, denn zumindest zwei sind bekannt. Viele der jüngeren Gäste des Elektro-Ladens wissen womöglich gar nicht, dass Harry Klein zunächst der 1974 bis 1998 von Fitz Wepper verkörperte Hilfskommissar war, der seinem Chef Stefan Derrick im ZDF immer den Wagen holte. Und einige wissen vielleicht auch nicht, dass es in der Münchner Club-Geschichte zwei Harry Kleins gab: das erste eröffnete 2003 als ein Nachfolger des ursprünglichen Münchner Techno-Tempels Ultraschall auf dem Optimol-Gelände, wo jetzt das Werksviertel Mitte wächst. Und dann das heutige, seit 2010 an der Sonnenstraße in der Innenstadt beheimatet - und bald auch schon Geschichte.

Der Münchner Parade-Technoclub muss schließen. Das ganze Gebäude wird abgerissen, ein achtgeschossiges Hotel mit Dach-Bar soll dort entstehen, drei Jahre lang bekam das Harry Klein immer wieder einen Aufschub, jetzt steht der Baubeginn fest und damit das Ende des lebendigen Clubtreibens im Erdgeschoss und im ersten Stock des Hinterhauses: am 21. Mai ist endgültig Schluss mit lustig, mit Bässen, mit Videokunst, mit Drinks, Flirt und Tanz.

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Für jeden Tag jedoch sei man dankbar, sagen die Betreiber, und deswegen will man mit den Stammgästen "die letzten Wochen richtig ausgelassen feiern". Natürlich sind auch neue Freunde willkommen, die einmal wissen wollen, was sich nach dem goldenen Gang hinter der Eingangstür verbirgt, was auf der kompakten Tanzfläche passiert, ohne in der Techno-Szene zuhause zu sein. Berührungsängste hat das Harry Klein stets mit "Re-Act!" abgebaut - einer Kulturen verbindenden Idee, die es auch nach dem Ende des Clubs weitergeben soll: Zu jeder Ausstellung in der Hypokunsthalle gibt es so einen immersiven, interdisziplinären Abend, der "Kunst neu erlebbar machen" soll: Zuerst geht man ins Museum, schaut von 20.30 bis 23 Uhr die Werke an (diesmal Blüten-Pracht von der Antike bis heute in "Flowers Forever"), und tanzt sich im Café schon einmal warm (diesmal am Freitag, 28. April, mit der Berliner Dancefloor-Frühlingsbotin Joplyn); mit dem Stempel kann man dann von 23 Uhr an kostenlos bei der Aftershow das Harry Klein besichtigen.

Dieser goldene Gang führt von der Sonnenstraße zur Clubtür. (Foto: Sebastian Gabriel)

Natürlich kann man auch noch ein paar Mal ganz eintauchen in die Elektro-Welt. Beim "Last Rave" des DJ-Kollektivs Bushbash zum Beispiel, das sonst unter Brücken, entlang der Isar oder in verlassenen Bunkern "flowt", aber auch im Harry Klein einen festen Ort bekommen hat, kann man am eigenen Leib spüren, was die Unterschiede sind in diesem "außerirdisch edlen Sound": zwischen Minimal Driving Techno, Peaktime Techno, Melodic Schepper und Hard Techno (22. April, 22-7 Uhr).

Einer, der nicht nur im Frankfurter Cocoon, sondern auch hier im Münchner Club richtig groß wurde, ist DJ Karotte. Der Techno-Veteran will sich noch einmal am Samstag, 13. Mai, für ein Marathon-Set eine ganze Nacht lang alleine hinter die Regler stellen. Was am letzten Wochenende, dem langen an Christi Himmelfahrt von 17. bis 21. Mai quasi zum Abriss steigen wird, ist noch nicht bekannt. Und auch nicht, wo es mit der beliebten Mittwochs-Party "Garry Klein" weitergeht. Die HK-Betreiber (die das Moro an der Müllerstraße zu einem queeren Wirtshaus umgemodelt haben) wollen die Reihe aber an einem anderen Ort weiterleben lassen.

Die Jazzrausch Bigband ist die bis zu 20-köpfige Hauskapelle des Harry Klein. (Foto: Robert Haas)

Auch die Jazzrausch Bigband wird es weiter geben. Die Techno-Kapelle spielt am 30. April und am 4. Mai die letzten Konzerte in ihrer Geburts- und "Brutstätte" (Tickets bereits ausverkauft). Das Kollektiv um den Posaunisten Roman Sladek ist dem Club aber längst entsprungen, spielt seine Big-Band-Beats 120 Mal im Jahr, selbst in Klassiktempeln wie der Isarphilharmonie und der Elbphilharmonie. Auch in den Herzen der Musiker wird das Harry Klein bestehen bleiben, zumindest als Idee eines weiten Techno-Verständnisses und als beste Erinnerung.

Harry Klein, München, Sonnenstraße 8, www.harrykleinclub.de

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Techno gegen das Tanzverbot
:Macht euch mal locker

Sind die stillen Tage bald vorbei? Die Club-Szene kämpft mit einer Demo am Gründonnerstag gegen die bayerische Spaßbremse. Auch der Hotel- und Gaststättenverband fordert eine Lockerung.

Von Michael Zirnstein

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: