Klimaschutz in München:Energiewende üben ohne „fachliches Silodenken“

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Im Zuge der Energiewende werden immer mehr Solaranlagen auf Münchner Hausdächern gebaut. Für den Ausbau braucht es aber auch kompetentes Personal, das verschiedene Energiesysteme gemeinsam denken kann. (Foto: Claus Schunk)

Photovoltaik, Solarthermie, Wärmepumpen: Durch einen speziellen Lehrgang sollen Techniker erstmals lernen, verschiedene Energiesysteme vernetzt zu planen und zu installieren. „Wir brauchen uns gegenseitig“, sagt ein Experte.

Von Bernd Kastner

Putzig wirken die Mini-Dächer, die da in einem Hof hinter dem Ostbahnhof aufgestellt sind, sie würden auch einen Kinderspielplatz schmücken. Dabei könnte ihr Zweck kaum größer sein. Demnächst soll an diesen Trainingsdächern geübt werden, wie man Photovoltaikanlagen montiert und anschließt, wie man sie mit Wärmepumpen und Solarthermie vernetzt. Die Techniker sollen mitwirken an der Lösung der gewaltigen Aufgabe, Deutschland klimaneutral zu machen; München will das bereits 2035 sein, in zehn Jahren. Dafür ist es nötig, Wärme für Wasser und Heizung sowie Strom aus erneuerbaren Energien herzustellen, und dafür braucht es Experten.

„Die Energiewende kann nur gelingen, wenn genügend qualifizierte Fachkräfte für deren technische Umsetzung zur Verfügung stehen“, stellt Moritz Brembs fest. „Klassische Fachkenntnisse reichen oft nicht mehr aus oder veralten rapide.“ Brembs ist Bildungsmanager bei der Handwerkskammer (HWK) für München und Oberbayern und hat einen Lehrgang konzipiert, der mithelfen soll, eine Ausbildungslücke zu schließen. Wer ihn absolviert, darf sich „Fachkraft für Solartechnik (HWK)“ nennen. „Maßnahme“ heißt das Angebot im Kammer-Jargon, womit München Vorreiter sein will: die Weiterbildung im Umgang mit den zentralen Energiesystemen für Häuser, Wärmepumpe, Photovoltaik (PV), Solarthermie. Im April soll der erste Lehrgang dieser Art starten, Brembs hat ihn kürzlich Interessierten aus der Energiebranche vorgestellt.

Man wolle damit der zunehmenden Vernetzung in der Energieversorgung und -nutzung gerecht werden. Dem Miteinander von SHK-Gewerken (Sanitär, Heizung und Klima), von Elektro- und regenerativen Energiesystemen, sagt Brembs. Die HWK arbeitet für die Weitbildung mit mehreren Innungen und der Stadt München zusammen. Klimareferentin Christine Kugler weist darauf hin, dass die Photovoltaik, die man über viele Jahre kaum gesehen hat auf Münchens Dächern, inzwischen einen Boom erlebe: 35 Prozent betrage der Zuwachs pro Jahr. Um diesen zu verstetigen, brauche es ausreichend Fachkräfte.

Bisher, sagt Brembs, habe sich ein Dachdecker ums Dach gekümmert, ein Heizungstechniker um die Heizung, ein Elektriker ums Elektrische. Dieses „fachliche Silodenken“ müsse man überwinden, was auch geschehe: „Heute verwischen diese Grenzen.“ Am Beispiel eines klassischen Einfamilienhauses beschreibt Brembs, wie die einzelnen Energieformen vernetzt sind: Auf dem Dach eine PV-Anlage, die an sonnigen Tagen mitunter zu viel Strom produziert. Effektiv nutzen lasse dieser sich zum Beispiel, um einen Warmwasserpuffer zu erhitzen, der zugleich via Solarthermie versorgt werde. Und die Wärmepumpe wiederum lasse sich mit Strom vom Dach günstig betreiben, zugleich werde sie entlastet durch das via Dach-Energie gewärmte Wasser.

Die Photovoltaik-Dozenten Jamko Kroschl und Johanna Friedrich und Bildungsmanager Moritz Brembs vor einem Mini-Dach, das künftig der Schulung dienen soll. (Foto: Robert Haas)

Deshalb sei es nötig, dass sich beispielsweise ein Heizungsbauer auch mit anderen Energiesystemen auskenne, etwa der PV-Anlage. Nachdem die SHK-Innung mit dem Wunsch an die Handwerkskammer herangetreten sei, passende Fachkräfte auszubilden, habe er vor etwa einem Jahr begonnen, den Lehrgang zu entwickeln, sagt Brembs. Die Teilnehmenden sollen lernen, regenerative Energiesysteme „ganzheitlich“ zu planen, zu installieren und zu warten. „Sektorenkopplung“ nennt man das in der Energiebranche.

PV-Experte Andreas Horn preist die Vorzüge der Photovoltaik. Diese sei die am schnellsten wachsende Kraftwerksart in der Geschichte, und das mache Mut auf dem Weg zur Klimaneutralität. Die Zukunftsprognose für diese Energieerzeugung nennt er „genial“. Von Vorteil sei, dass die benötigte Technik immer günstiger werde, der Massenproduktion sei Dank, zudem würden die Solarpanele immer leistungsstärker. Seine Wirkung entfalte PV am besten, wenn sie vernetzt mit anderen Anlagen eingesetzt werde: „Wir brauchen uns gegenseitig“, sagt Horn. „PV ist ein Teamplayer.“

Dem will die Handwerkskammer mit ihrer neuen „Maßnahme“ gerecht werden. Starten soll der Lehrgang am 7. April. Er umfasst – verteilt über vier Monate – fünf Wochen, in denen die Teilnehmenden theoretisch unterrichtet werden und praktisch üben, etwa an den Mini-Dächern der Handwerkskammer. Kosten soll der Lehrgang 2600 Euro, unter bestimmten Voraussetzungen sei es möglich, sagt Brembs, dass diese Kosten komplett von der Arbeitsagentur übernommen würden.

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