Fußgängerzone in Haidhausen:„Der Andrang ist überschaubar“

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Nicht alle Anwohner sind mit der neuen Fußgängerzone in Haidhausen glücklich. (Foto: Leonhard Simon)

Seit einem Monat ist die Weißenburger Straße für Autos gesperrt. Trotz des erbitterten Streits im Vorfeld hält sich die Zahl der Beschwerden bisher in Grenzen. Ein Vorwurf an die Stadt aber bleibt.

Von Patrik Stäbler

Seit fast 30 Jahren lebt Barbara Baums im Stadtbezirk Au/Haidhausen – und genauso lange, erzählt sie, habe sie sich schon eine Fußgängerzone in der Weißenburger Straße gewünscht. Vor gut einem Monat sind die Autos nun tatsächlich verbannt worden aus der Einkaufsmeile zwischen Weißenburger und Pariser Platz – zunächst probeweise für ein Jahr. Und als sie daraufhin erstmals durch die neue Fußgängerzone flanierte, da sei ihr das Herz aufgegangen, sagt Baums. „Das war gigantisch.“

Um die testweise eingerichtete Fußgängerzone zu loben, ist Baums an diesem Abend extra zur Bürgersprechstunde des Bezirksausschusses gekommen. Dort sind nicht nur Mitglieder des Gremiums zugegen, sondern auch Vertreterinnen und Vertreter des Mobilitätsreferats, welches das Konzept für die Fußgängerzone entwickelt hat, das nun – leicht verspätet aufgrund einer Klageandrohung von Projektgegnern – seit dem 12. August erprobt wird.

Neben Barbara Baums sind gut zwei Dutzend Anwohner und Anwohnerinnen gekommen, was ein verhaltener Andrang ist – angesichts des Aufruhrs, den der Verkehrsversuch ausgelöst hat. Schon während der Planung standen sich Befürworter und Gegner erbittert gegenüber. Zu Letzteren zählen viele Gewerbetreibende aus der Weißenburger Straße, die vor allem steigende Mieten und die Folgen der wegfallenden Parkplätze für ihre Geschäfte fürchten. Dagegen erhofft sich die Pro-Fraktion eine Beruhigung der verkehrsgeplagten Einkaufsmeile, mehr Grün auch fürs Klima und neue Aufenthaltsräume durch die Sitzbänke, Stühle und Pflanztröge.

Direkt vor dem Projektstart kochte die Stimmung in Haidhausen noch mal hoch, Plakate wurden beschmiert, die Rede war sogar von Boykottaufrufen gegen Läden, deren Inhaber die Fußgängerzone ablehnen. Hinzu kam der Eilantrag einer Kanzlei, die ein Dutzend Anwohnende und Gewerbetreibende vertritt, um die Fußgängerzone in letzter Minute zu verhindern. Das Verwaltungsgericht München lehnte dieses Ansinnen aber als unbegründet ab – ein Beschluss, gegen den die Kanzlei eigenen Angaben zufolge Rechtsmittel eingelegt hat.

Auf juristischer Ebene geht der Streit also weiter. In der Praxis jedoch sei seit dem Start der Fußgängerzone „totale Ruhe“ eingekehrt, findet Jörg Spengler (Grüne). „Zu uns sind keine größeren Beschwerden durchgedrungen“, sagt der BA-Vorsitzende. „Mein Eindruck ist, dass die Fußgängerzone gut angenommen wird. Insgesamt ist die Resonanz überwiegend positiv.“ Ähnlich klingt das bei Barbara Baums, und doch gibt es bei der Bürgersprechstunde auch kritische Töne. „Die Bänke und die Stühle sind meistens leer, der Andrang ist überschaubar“, berichtet etwa Frank Motz, der in der Weißenburger Straße ein Bettengeschäft betreibt. Er hatte sich bereits im Vorfeld gegen eine Fußgängerzone ausgesprochen – auch mit Blick auf seine Kundschaft, die vielfach mit dem Auto komme. Ob der Verkehrsversuch zu Umsatzeinbußen führe, könne er noch nicht sagen, so Motz, dafür sei es zu früh. Doch was ihn nach wie vor besonders wurmt, ist die Kommunikation seitens der Stadt bei dem Projekt. „Wir sind überhaupt nicht eingebunden worden“, klagt Motz.

Den gleichen Vorwurf erhebt auch Catharina Busjan. Die Haidhauserin lebt in der Weißenburger Straße, und ja, sagt sie, „ich bin schon mit Freunden auf den Bänken zusammengesessen“. Die Fußgängerzone sei „nett“, so Busjan, „aber sie ist jetzt auch nicht der Riesenzuwachs an Lebensqualität“. Immerhin: Entgegen mancher Befürchtung hielten sich Müll und Lärm in Grenzen. Am Lieferverkehr – er ist an Werktagen von 22.30 bis 12.45 Uhr, an Sonn- und Feiertagen ab 22.30 Uhr gestattet – habe sich im Vergleich zu früher wenig geändert, sagt Busjan. „Und die Straße ist auch nicht zur Partymeile geworden – zum Glück!“

Ein Ärgernis, das mehrfach in der Bürgersprechstunde genannt wird, ist dagegen der Radverkehr. Er ist in der Weißenburger Straße – anders als in der angrenzenden Fußgängerzone bis zum Rosenheimer Platz – erlaubt, allerdings nur im Schritttempo. Doch daran halten sich nur die wenigsten Radler, weshalb die Stadt nun auf Wunsch des BA Hinweisschilder anbringen wird. Ansonsten bleibt es bei dem Plan, den Verkehrsversuch ein Jahr lang laufen zu lassen, ehe über eine dauerhafte Umgestaltung entschieden wird. Bis dahin sollen die Menschen aus Haidhausen noch mehrfach ihre Meinung zur Fußgängerzone kundtun können. Die nächste Chance dazu haben sie bei der Bürgersprechstunde am 16. Oktober.

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