Wohnungsmarkt:Eigentum verpflichtet - zu nichts

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Besonders in der Innenstadt werden manche Wohnungen nur als Zweitwohnung für den gelegentlichen Theater- oder Opernbesuch genutzt. (Foto: imago images/Westend61)

Leere Häuser in München verstoßen gegen Bayerns Verfassung. Die enthält eindeutige Vorgaben, doch die Wirklichkeit sieht anders aus.

Kommentar von Klaus Ott

In der Bayerischen Verfassung gibt es eine Vorschrift, die leider immer mehr in Vergessenheit gerät. Artikel 158 besagt: "Eigentum verpflichtet gegenüber der Gesamtheit." Offenbarer Missbrauch genieße keinen Rechtsschutz. Und in der deutschen Verfassung, dem Grundgesetz, heißt es kurz und bündig: "Eigentum verpflichtet." Sein Gebrauch solle zugleich dem "Wohle der Allgemeinheit" dienen.

In München ist immer wieder mal das Gegenteil zu beobachten. Da stehen offenbar ganze Villen leer, weil sie als Geldanlage und Spekulationsobjekt herhalten müssen. Während Normalverdiener sich immer schwerer tun, bezahlbare Wohnungen zu finden. Und dann gibt es da auch noch die sogenannten Opern- und Theaterwohnungen, die sich begüterte Leute leisten können. Um von dort, wo sie eigentlich leben, zwischendurch mal in die Stadt zu kommen. Zum Shoppen oder zum Kulturabend.

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Es dürfte sich um Tausende Wohnungen handeln, die nicht oder kaum genutzt werden. In einer Region, in der die bayerische Verfassung offenbar außer Kraft gesetzt ist. In der steht nämlich in Artikel 106 auch: "Jeder Bewohner Bayerns hat Anspruch auf eine angemessene Wohnung." Damit dem so ist, muss eine Wohnung nutzbar und bezahlbar sein.

Natürlich würde es die Wohnungsnot im Raum München alleine nicht lösen, gelänge es, den Leerstand zu beenden. Dazu müsste die Stadt aber ohnehin erst einmal wissen, um welche Häuser es geht. Um dann effektiv durchgreifen zu können. Dafür fehlen aber oft die rechtlichen Voraussetzungen. Im Gegenteil: Wer mit Immobilien lange genug spekuliert, wird vom Staat auch noch belohnt. Weil Verkaufserlöse nach zehn Jahren steuerfrei sind.

Auch da würde ein Blick in Bayerns Verfassung helfen. Zum Wertzuwachs von Grund und Boden steht dort geschrieben: Wertsteigerungen, die ohne besonderen Aufwand des Eigentümers entstehen, seien "für die Allgemeinheit nutzbar zu machen". Das müsste, da ohne Grund kein Haus möglich ist, dann auch für Immobilien gelten.

Gerade jene Parteien, die sich sozial nennen, aber nicht nur sie, sollten die Verfassung endlich mit Leben erfüllen. Und da genügt es eben beileibe nicht, die Zweitwohnungssteuer zu erhöhen, um den überflüssigen Luxus mit Opern- und Theaterwohnungen zu beenden. Wenn CSU und SPD, Grünen, Freien Wählern und FDP nicht mehr einfällt, dann sollten sie wenigstens ehrlich sein. Und im Landtag eine Verfassungsänderung auf den Weg bringen. Damit Artikel 158 der Wirklichkeit entspricht: "Eigentum verpflichtet zu nichts."

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