Schutz für Wiesen und Äcker:1500 Wohnungen nach Bürgerbegehren auf dem Prüfstand

Schutz für Wiesen und Äcker: In Trudering sind an der Heltauer Straße entlang der Gleise 1500 Wohnungen und eine Parkmeile geplant. Doch der Bebauungsplan muss noch einmal überprüft werden.

In Trudering sind an der Heltauer Straße entlang der Gleise 1500 Wohnungen und eine Parkmeile geplant. Doch der Bebauungsplan muss noch einmal überprüft werden.

(Foto: Robert Haas)

Drei Viertel eines Baugebiets im Münchner Osten sind als Grünfläche ausgewiesen, zu deren Schutz sich die Stadt verpflichtet hat. Fünf andere Projekte winkt sie durch.

Von Sebastian Krass und Ulrike Steinbacher

Wie soll die Stadt einerseits Grünflächen erhalten und andererseits Raum für möglichst viele neue Wohnungen schaffen? Diese politisch heikle Frage steht im Raum, seit der Stadtrat Anfang März beschlossen hat, möglichst keine Grünflächen mehr zu bebauen. Nun muss er daraus konkrete Beschlüsse für einzelne Bauvorhaben ableiten.

Am Mittwoch hat der Planungsausschuss sich nun mit sechs Projekten befasst, die eigentlich beschlossene Sache sind, aber wegen der neuen Zielvorgabe überprüft werden mussten. Ergebnis: Bei fünf Vorhaben geht es weiter wie gehabt, nur die Eckdaten für das Wohnquartier Heltauer Straße in Trudering werden vor dem Start des Architekturwettbewerbs noch einmal untersucht.

Zum Verständnis: Das Bürgerbegehren "Grünflächen erhalten", das der Stadtrat mit grün-schwarzer Mehrheit übernommen hat, fordert, die rund 1200 öffentlichen Grünflächen der Stadt nicht für Bauprojekte anzuknabbern. Verzwickt wird die Sache, weil auch Areale tabu sein sollen, die im Flächennutzungsplan als Allgemeine Grünflächen ausgewiesen sind. Die sind manchmal allerdings nur auf dem Papier grün und nicht immer öffentlich nutzbar, es kann sich auch um Brachen, Felder, sogar asphaltierte Bereiche handeln.

"Wenn wir die Verfahren einfach weitergeführt hätten, wären die Wohnungen schneller fertig"

"Etwas unglücklich" sei das, räumte Dirk Höpner (München-Liste) in der Sitzung ein, dessen Fraktion ÖDP/München-Liste das Bürgerbegehren forciert hatte. "Aber dahinter steht der Wunsch der Bevölkerung nach mehr Grün." Dafür sei "Mehraufwand an ein paar Stellen" durchaus gerechtfertigt, argumentierte Anna Hanusch (Grüne). "Gesamtabwägung" laute das Zauberwort, sagte Heike Kainz (CSU). Solange man das Ziel Wohnungsbau nicht aus den Augen verliere, könne man auch "an mancher Stelle eine Extrarunde drehen".

"In meiner kleinen Welt", sagte hingegen Christian Müller (SPD), "fallen die Wohnungen nicht vom Himmel." Stadtplanung müsse "alle Aspekte von Stadt" berücksichtigen, und das Planungsreferat leiste diese Abwägung ohnehin. Es gehe nicht darum, "auf formalen Grünflächen rumzuhubern, sondern wirklich an der Entwicklung von Grünflächen zu arbeiten". Jörg Hoffmann (FDP) sekundierte: "Wenn wir die Verfahren einfach weitergeführt hätten, wären wir ein halbes Jahr weiter, und die Wohnungen wären schneller fertig."

Schutz für Wiesen und Äcker: Die lang ersehnte Umgestaltung des Stephensonplatzes verzögert sich, weil ein Teil des Areals als Allgemeine Grünfläche ausgewiesen ist und deswegen der Bebauungsplan überprüft werden musste.

Die lang ersehnte Umgestaltung des Stephensonplatzes verzögert sich, weil ein Teil des Areals als Allgemeine Grünfläche ausgewiesen ist und deswegen der Bebauungsplan überprüft werden musste.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Einig waren sich die Parteien, das Projekt Stephensonplatz fortzuführen. Dort plant die Rosenhof-Gruppe aus Ahrensburg eine Seniorenwohnanlage mit 300 Apartments inklusive Pflegestation mit 55 Betten. Zudem will die Stadt den Platz nördlich des S-Bahnhofs Perlach verschönern und das Bahnhofsgebäude sanieren. Der bereits gestartete Architekturwettbewerb wurde aber auf Eis gelegt, weil etwa 1,2 der 2,3 Hektar Planungsgebiet Allgemeine Grünfläche sind. Dabei betreffe die im Viertel heiß ersehnte Umgestaltung des Stephensonplatzes größtenteils eine Schotterfläche und einen Parkplatz, sagte Thomas Kauer (CSU), der Vorsitzende des Bezirksausschusses Ramersdorf-Perlach, vor Kurzem.

Weitergeführt wird auch die Planung für den fünften und letzten Bauabschnitt der Messestadt Riem mit 2500 Wohnungen. Ein Drittel der 24,5 Hektar Planungsgebiet, also 8,2 Hektar, ist im Flächennutzungsplan als Grünfläche ausgewiesen. Ein kleiner Teil davon gehört zum Riemer Park, der Rest wird landwirtschaftlich genutzt. Brigitte Wolf (Linke) kritisierte, dass hier nach derzeitiger Planung nur 6,1 Hektar Grünfläche übrig blieben.

Fortgesetzt wird außerdem das Bebauungsplanverfahren "Wohnen an der Parkmeile Neuaubing", mit dem die öffentlich nutzbaren Grünflächen nördlich der Bodenseestraße deutlich vergrößert werden sollen. Das Projekt sieht 500 preisgünstige Wohnungen und eine Jugendfreizeitstätte westlich der Mainaustraße vor. Überprüft werden muss der Bebauungsplan, weil Grundstücke an der Bodenseestraße, auf denen etwa 180 Wohnungen geplant sind, als Allgemeine Grünfläche ausgewiesen sind. Derzeit haben dort allerdings ein Gebrauchtwagenhändler und ein Anhängerverkauf ihren Sitz.

Bebauen will die Stadt außerdem weiterhin eine Allgemeine Grünfläche an der Friedrichshafener Straße, die ihr gehört. In der Nähe des Bahnhofs Westkreuz sollen 70 günstige Wohnungen und ein Alten- und Service-Zentrum entstehen. Knapp 0,9 Hektar groß ist die Wiese, davon bleiben knapp 0,2 Hektar übrig, wenn die Gebäude stehen.

Die Häuser an der Heltauer Straße könnten höher werden, der Grünstreifen breiter

Und auch der Plan, in Fröttmaning einen Betriebshof für die Tram oder für Tram und Bus zu bauen, wird weiter verfolgt. Die Suche nach einem geeigneten Gelände war mühsam, das Grundstück an der Maria-Goeppert-Mayer-Straße, wo heute der Showpalast steht, das einzige, das schließlich übrigblieb. 2,1 der 5,4 Hektar weitgehend versiegelte Fläche stehen als Allgemeine Grünfläche im Flächennutzungsplan.

Das einzige der sechs Projekte, dessen Eckdaten noch einmal überprüft werden, ist das Wohnquartier an der Heltauer Straße. Dort, im Osten der Stadt, sind derzeit 1500 Wohnungen samt Parkmeile und Freilegung des Hüllgrabens geplant. Von den 16,4 Hektar Planungsgebiet sind 11,2, also fast drei Viertel, als Allgemeine Grünfläche ausgewiesen. Derzeit sind sie Felder und Äcker, außerdem liegen dort zwei Gewerbebetriebe.

Auf Antrag der Grünen lässt der Ausschuss prüfen, ob der Grünstreifen entlang der Bahnlinie nach Rosenheim gegenüber der jetzigen Planung verbreitert und die Bebauung kompakter und höher gestaltet werden kann. Es zeichnet sich hier aber ab, dass für den Stadtrat der Spagat zwischen dem Grünflächen-Beschluss und den Wohnungsbauzielen besonders schwierig wird.

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