Grüne in München:Stell dir vor, es ist Parteitag und kaum einer kommt

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Die Grünen wollen sich zum ersten Mal seit Herbst 2020 wieder persönlich treffen, doch die meisten Mitglieder haben offenbar andere Pläne.

Von Heiner Effern

Die Grünen hatten sich extra um einen Schuss Magie bemüht und sich für den Stadtparteitag in dem Theaterzelt im Münchner Norden eingemietet, in dem sonst der Zauberer Alexander Krist einen "Abend voller Wunder" verspricht. Immerhin war es am Montagabend der erste Parteitag in Präsenz seit Herbst 2020, als Joel Keilhauer erstmals zum Vorsitzenden gewählt wurde. Wenige Minuten vor seinem ersten persönlichen Auftritt vor den Parteifreunden war er entsprechend aufgeregt, doch dann musste er zusammen mit seiner Co-Vorsitzenden Svenja Jarchow improvisieren: Die heiß ersehnten Grünen-Freunde kamen einfach nicht, jedenfalls nicht in genügender Anzahl.

"Das Wetter spielt gegen uns", erklärte Keilhauer den Parteikollegen zu Beginn. Am ersten warmen Frühlingsabend seit längerer Zeit zogen es so einige vor, nicht zu kommen oder den Parteitag zu Hause am Live-Stream zu verfolgen. Da aber drei Prozent der etwa 3800 Mitglieder für die Beschlussfähigkeit persönlich anwesend sein mussten, ehrten die Grünen erst mal alle Mitarbeiter der Geschäftsstelle, die die Partei verlassen haben.

Im Hintergrund wurden bereits Pläne für eine später nachzuholende Urnenwahl zu den Tagesordnungspunkten erarbeitet. Dabei hatte die Partei doch eigens in einer großen Strukturreform den Mitgliedern kürzlich neue Formate von Stadtversammlungen ermöglicht, damit die Tage und Abende sich nicht so lange hinzögen. Eigene Themenabende sollten wieder mehr inhaltliche Debatten ermöglichen und die Formalia in den Hintergrund drängen, die bei der stark wachsenden basisaffinen Partei immer mehr Raum einnahmen. Doch aus Krankheitsgründen musste die Hauptversammlung vom April mit der ersten Debatte zusammengelegt werden.

Als schließlich doch noch genügend Mitglieder herbeigezaubert waren, verabschiedeten die Grünen ihren Haushalt und appellierten in einem Dringlichkeitsantrag an die FDP in Berlin, endlich den Widerstand gegen das Vorkaufsrecht aufzugeben und sich für erträgliche Mieten in München einzusetzen. In einem ebenso einmütig verabschiedeten Leitantrag für mehr Gerechtigkeit positionierten sie sich unter anderen bei den Themen Gesundheit, Gleichstellung und Verkehr. So endete der Abend laut der Vorsitzenden Jarchow doch nicht mit einem blauen Wunder, sondern dem Gefühl der "massiven Freude", sich wieder persönlich sehen zu dürfen. Jedenfalls bei denen, die da waren.

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