Süddeutsche Zeitung

Spektakuläres Bauvorhaben:Zoff um die neue Münchner Großmarkthalle

Der Eröffnungstermin im Jahr 2027 ist nicht mehr zu halten, der Betrieb startet wohl erst drei Jahre später. Scharfe Kritik gibt es im Stadtrat nicht nur an Kommunalreferentin Frank, sondern auch an den Investoren. Die sehen die Schuld bei der Stadt.

Von Heiner Effern und Sebastian Krass

Der Bau der neuen Großmarkthalle verzögert sich um weitere drei Jahre. Sie soll nun erst im Jahr 2030 den Betrieb aufnehmen. Das verkündete die für die Markthallen zuständige Kommunalreferentin Kristina Frank (CSU) am Donnerstag im Kommunalausschuss. Die Rathauskoalition reagierte am Freitag schwer verärgert. "Das ist für uns nicht akzeptabel. Zum einen brauchen wir dringend eine neue Großmarkthalle, weil die alte stark sanierungsbedürftig ist. Zum anderen fallen für die Stadt jedes zusätzliche Jahr ohne Neubau etwa drei Millionen Euro für die Instandhaltung des alten Gebäudes an", sagte Kathrin Abele, Sprecherin der SPD im Kommunalausschuss. Auch die Grünen sehen Handlungsbedarf. Das sei eine Hiobsbotschaft, sagte Fraktionschefin Anna Hanusch. Sie verlangte von Kommunalreferentin Frank eine "schonungslose Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Planungen".

Die neue Großmarkthalle, die zu den spektakulärsten Bauvorhaben der Stadt gehört, wird von privaten Investoren errichtet. Die Stadt will das Grundstück in Erbpacht an die Firma Umschlagzentrum Großmarkt München (UGM) übergeben. Diese will nicht nur einen neuen Großmarkt, sondern in einer Gesamthöhe bis zu 70 Metern Büros für 2000 bis 3000 Beschäftigte und große Freiflächen für die Öffentlichkeit schaffen. Geschäftsführer Hans Buchhierl kann die politische Aufregung überhaupt nicht verstehen. Schuld an der Verzögerung sei schließlich die Stadt, und dieser Umstand sollte dort bekannt sein.

"Wir sind mehr als überrascht von den aktuellen Aussagen. Für uns ergibt sich keine Verzögerung. Die drei Jahre, von denen gesprochen wird, sind planungsrechtlicher Natur und beziehen sich auf die Zeit der Baurechtsschaffung", sagte er. "Dies müsste aber allen politischen Entscheidungsträgern bekannt sein, da mit dem Stadtratsbeschluss im März/April dieses Jahres das Planungsreferat den Zeitplan für die Baurechtsschaffung vorgestellt hat." Die geplante Bauzeit liege wie bisher bei sieben Jahren.

Die UGM ist im Großmarkt gut bekannt, sie hat jetzt dort schon große Flächen gemietet. Der Stadt kam es deshalb sehr entgegen, als sie das Angebot unterbreitete, dort privat zu bauen. Die Pläne des damaligen Kommunalreferenten Axel Markwardt für den eigenen Neubau beliefen sich auf 160 Millionen Euro, die man sich gerne sparen wollte. CSU und SPD kassierten diese flugs ein und brachten 2017 die Investorenlösung aufs Gleis. Im Jahr 2018 stellte die UGM ihre Pläne vor, Anfang 2019 stimmte der Stadtrat zu und legte gut ein Jahr später mit einem Grundsatzbeschluss den Rahmen fest.

Dieser Rahmen hatte für den Investor offenbar damals schon zwingend zur Folge, dass der vom Kommunalreferat als schlimmstes Szenario genannte Eröffnungstermin im Jahr 2027 nicht mehr zu halten war. Kristina Frank hatte am Donnerstag im Ausschuss erklärt, das Projekt sei zuletzt auf Eis gelegen, weil der Investor die Folgen der Coronakrise in die Berechnungen einfließen lassen musste und danach nochmals die Wirtschaftlichkeit geprüft habe. Das bestätigte UGM-Geschäftsführer Buchhierl. "Natürlich haben auch wir uns diese Fragen gestellt und die vergangenen Monate wurden genutzt, um Inhalte zu überprüfen. Wir gehen davon aus, dass es in guten Lagen immer eine Nachfrage nach wertigen Büroflächen geben wird." Die UGM könnte aber in den drei Jahren, die die Stadt für den Bebauungsplan benötigt, auch noch nachjustieren.

Die jetzige Großmarkthalle ist in schlechtem Zustand. Die Stadt muss jährlich drei Millionen Euro zuschießen, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Viele Händler dort sind unzufrieden und warten dringend auf den Neubau. Das weiß auch die UGM, schließlich arbeitet sie selbst auf dem Gelände. "Jedes Jahr Verzögerung tut weh", sagte Buchhierl. "Die Bedingungen in den Großmarkthallen und auf dem Areal sind extrem schwierig. Die Zustände haben sich in den vergangenen Jahren verschlechtert. Überall sind Provisorien. Wir helfen daher den Händlern ergänzend seit 2018 mit Ausgleichsflächen."

Die SPD fürchtet, dass die Stadt bei drei Jahren längerer Wartezeit neun Millionen Euro mehr bezahlen muss und will laut Stadträtin Abele klären, "wer für den Schaden aufkommt". Die Grünen standen der Investorenlösung von Anfang an skeptisch gegenüber und machen sich nun ernsthaft Sorgen, ob das Riesenprojekt in Sendling insgesamt in Gefahr ist. "Trotz grundsätzlicher Sympathie für die Planungen der Investoren aus dem Kreis der Händlerschaft muss die Stadt jetzt neu überlegen, ob dieses Konzept wirklich tragfähig ist, um einen zukunftsfähigen Großmarkt in Sendling zu schaffen", sagte die Fraktionsvorsitzende Hanusch.

Frank äußerte im Kommunalausschuss keine Zweifel an der privaten Lösung. Die drei Jahre Verzögerung lägen "weniger in unserer Hand als in der des Investors", sagte sie. Ihr Haus ist nun dafür verantwortlich, den Erbpachtvertrag auszuhandeln. Das Planungsreferat muss das nötige Baurecht schaffen, äußerte sich aber trotz Anfrage nicht.

Im Fokus steht aber trotzdem auch Kommunalreferentin Frank, die sich schon vor ihrer Wahl zur Behördenchefin als Stadträtin sehr für das private Modell stark gemacht hat. Stadtrat Richard Progl von der Bayernpartei etwa hielt ihr einen Antrag aus dem Jahr 2017 vor, an dem sie federführend beteiligt war. "Der Umzug in die neue Großmarkthalle soll bis 2021 abgeschlossen sein", hieß es darin. Schon damals habe es ihm bei dieser Prognose "die Zehennägel aufgedreht", sagte Progl. Über den Zustand seines Vorfußes beim neuen Ziel 2030 äußerte er sich nicht.

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SZ vom 05.12.2020/infu
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