Politik in München:Wie soll es mit der Großmarkthalle weitergehen?

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Die neue Großmarkthalle samt günstiger Wohnungen soll bis 2030 stehen - hier ein früherer Entwurf. (Foto: Henn Architekten)

Ein Investor will sie neu errichten und viele Wohnungen schaffen. Aber im Stadtrat wachsen die Zweifel, ob man weiter mitspielen oder doch aussteigen und selbst bauen soll. Es könnte eine der wichtigsten Entscheidungen der bisherigen Amtszeit werden.

Von Sebastian Krass

Zweimal tritt Anna Hanusch an diesem Vormittag nach vorn ans Pult im Großen Sitzungssaal des Rathauses. Und beide Redebeiträge sind getränkt von Skepsis und Zweifeln, ob die Stadt wirklich festhalten soll an dem Vorhaben, den Bau der neuen Großmarkthalle einem privaten Investor zu übertragen. Von "Bauchschmerzen" und drohenden "rechtlichen Fallstricken" spricht die Chefin der größten Rathausfraktion Grüne/Rosa Liste in der Sitzung des Kommunalausschusses am Donnerstag. Sie sagt auch, dass sie die 2019 noch vom vorigen Stadtrat getroffene "Grundsatzentscheidung" für das Investorenmodell "nach wie vor falsch" finde.

Damals waren die Grünen in der Opposition. Nun haben sie Regierungsverantwortung und müssen mit dem Erbstück Großmarkthalle umgehen. Nach knapp zwei Jahren Stillstand war zuletzt klar geworden, dass der erste Investor, eine Firma namens Umschlagzentrum Großmarkt München (UGM), mit dem Projekt überfordert war. Inzwischen hat die Büschl-Unternehmensgruppe aus Grünwald das UGM übernommen, und die Spielregeln sind andere, unter anderem weil der neue Investor auf dem Dach des Großmarkts keinen Bürokomplex mehr plant, sondern Wohnungen. Am 27. April wird die Vollversammlung entscheiden, ob die Stadt weiter mitspielt - oder ob sie aussteigt und versucht, den Neubau doch selbst zu stemmen, wie es bis 2017 geplant war. "Wir sind noch im Abwägungsprozess", sagt Hanusch.

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Es ist für den Stadtrat eine der wohl wichtigsten Entscheidungen der bisherigen Amtszeit. Es geht um die emotionale Frage, ob der Großmarkt als Teil der "Daseinsfürsorge" für die Münchner Bevölkerung, wie es gern heißt, zentral in Sendling bleiben soll - ja, finden alle Fraktionen. Es geht auch um eine Investition im dreistelligen Millionenbereich. Und es geht um die Frage, ob der Neubau wie geplant bis 2030 zu realisieren ist, denn der Bauunterhalt für die derzeitigen Großmarkthallen verschlingt allein bis dahin zig Millionen Euro.

Auch die politische Lage ist verzwickt. Denn der Koalitionspartner der Grünen, die SPD, hat 2019 mit dem damaligen Partner CSU für das Investorenmodell gestimmt - und hält bisher daran fest. "Wir sind auf einem guten Weg", sagt Kathrin Abele, stellvertretende Fraktionsvorsitzende von SPD/Volt im Ausschuss. Ihre Parteigenossin, die dritte Bürgermeisterin Verena Dietl, räumt ein, man habe damals "so schnell wie möglich die Großmarkthalle auf den Weg bringen" wollen, "es kam anders, das finde ich sehr bedauerlich". Nun aber dürfe man sich "keine weiteren Verzögerungen leisten" und solle deshalb Kurs halten. Tiefe Überzeugung war den Beiträgen aus der SPD gleichwohl nicht zu entnehmen.

Eine EU-weite Ausschreibung würde Zeit kosten, eine Klage allerdings auch

Selbst Alexander Reissl von der CSU, der - damals noch in Diensten der SPD - den Schwenk zum Investorenmodell maßgeblich betrieben hatte, klang ungewohnt verzagt, als er sagte, er hoffe "inständig, dass der Prozess weitergeführt werden kann" und dass "es keinen Sinn macht, zurück auf Null zu gehen". SPD/Volt und CSU/Freie Wähler hätten eine Mehrheit fürs Kurshalten, auch wenn Grüne/Rosa Liste dagegen stimmen. Ein solches Szenario allerdings könnte die Koalition nachhaltig belasten, weil ja in den nächsten Jahren Folgebeschlüsse anstehen.

Viel ankommen wird erst einmal auf ein noch ausstehendes Rechtsgutachten, auf dessen Basis Kommunalreferentin Kristina Frank (CSU) eine Vorlage für die Vollversammlung erarbeiten wird - weshalb der Fachausschuss am Donnerstag keinen Beschluss gefasst hat. Im Gutachten wird es um die Frage gehen, ob die Stadt das Projekt nach dem Einstieg der Büschl-Gruppe noch direkt vergeben darf oder ob sie eine EU-weite Investorenausschreibung starten muss. Selbst wenn Referat und Stadtrat für die Direktvergabe sein sollten, bleibt das Risiko, dass ein anderer Interessent dagegen klagt.

Davon ist im Redebeitrag der Kommunalreferentin allerdings keine Rede. Sie spricht sich mit einer Portion Pathos für die Investorenlösung aus: Es könne ein "Leuchtturmprojekt für Frische und Vitamine für die Stadt mitten in Sendling" entstehen. Vor einer Kehrtwende Richtung städtischem Eigenbau warnt sie aus mehreren Gründen.

Ihr Hauptpunkt ist, dass das Neubau-Grundstück am südlichen Ende des Großmarkt-Areals bis 2034 an das UGM verpachtet ist. "Die Stadt hätte keinen Zugriff und könnte frühestens beginnen, wenn UGM das Feld geräumt hat. Vielleicht gibt UGM uns das Grundstück früher, vielleicht auch nicht." Wenn man erst 2035 mit einem Neubau anfange, werde "der Großmarkt in Sendling am langen Arm verhungern".

Wohnungen sollen entstehen. Aber wie viele von ihnen werden erschwinglich sein?

Gewagt ist Franks Kostenrechnung, bei der sie von der just beschlossenen Investition in die Sanierung des Grünwalder Stadions ausgeht: "Wir reden hier nicht von 77 Millionen Euro, auch nicht über das Doppelte oder das Zehnfache, wir reden von mehr", sagt sie, vermutlich bezieht sie sich auf das Großmarkt-plus-Wohnen-Konzept der Büschl-Gruppe. Sie lässt dabei aber außer Acht, dass auch eine "kleinere Lösung" nur mit einer Markthalle denkbar wäre, wofür sich Nicola Holtmann (ÖDP) ausspricht. Stefan Jagel (Linke) bringt die Idee ins Spiel, die Stadt solle einen Generalunternehmer mit dem Neubau beauftragen, das habe sich beim Volkstheater bewährt.

Nach der Ausschussdebatte meldet sich am Mittag auch der Investor in Person von Ralf Büschl, dem Beiratsvorsitzenden der Büschl-Gruppe, zu Wort. Er gibt sich gelassen: "Aus unserer Sicht sind alle rechtlichen Fragen gut lösbar. Sonst würden wir das Projekt nicht verfolgen." Angaben, wie viele Wohnungen er plant, macht Büschl nicht, das müsse man "mit der Stadtplanung diskutieren". Er kündigt aber an, "im Sinne der Münchner Sobon-Regeln bauen" zu wollen, also nach den neuen, verschärften Sozialvorgaben.

Die allerdings gelten formal nur für neues Baurecht auf privaten Grundstücken. Auf öffentlichem Grund wie dem Großmarktareal besteht die Stadt eigentlich darauf, dass ausschließlich bezahlbarer Wohnraum entsteht, also mehr, als die Sobon verlangt. Das wiederum wäre wirtschaftlich unattraktiv für den Investor. Hier liegt eine weitere noch ungeklärte Frage für das Gesamtprojekt.

Zum Zeithorizont bis 2030 erklärt Büschl: "Ehrgeizige Ziele gehören zu unserem Geschäft." Mit Unterstützung von Politik und Verwaltung sei das zu schaffen. Eine Hintertür lässt er offen: "Immer vorausgesetzt, auf unserem sportlichen Weg gibt es keine Überraschungen."

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