Süddeutsche Zeitung

Sendling:Neubau der Großmarkthalle durch Büschl-Gruppe ist vorerst geplatzt

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Die Stadt kann das Projekt nicht wie geplant vergeben, sondern muss es nach einem Rechtsgutachten europaweit ausschreiben. Das kann Monate dauern.

Von Sebastian Krass

Der Neubau der Großmarkthalle durch die Büschl-Unternehmensgruppe ist vorerst geplatzt. Die Stadt kann das Projekt nicht mehr wie bisher geplant direkt vergeben, sondern muss es europaweit ausschreiben. Zu dieser rechtlichen Bewertung kommt das Kommunalreferat in einer nicht-öffentlichen Vorlage für die Vollversammlung des Stadtrats am kommenden Mittwoch. Das Papier liegt der SZ vor. Mit dieser neuen Entwicklung ändern sich die Vorzeichen des seit Jahren diskutierten Großprojekts in Sendling erneut grundlegend.

Die neue Rechtslage ist laut der Vorlage dadurch entstanden, dass der ursprünglich vorgesehene Investor, das Umschlagzentrum Großmarkt München (UGM), Ende 2021 durch die Büschl-Unternehmensgruppe aus Grünwald übernommen wurde. Zuvor wäre eine Direktvergabe an das UGM demnach zulässig gewesen, weil es auf dem Großmarkt etabliert ist. Durch den Einstieg des Immobilienkonzerns Büschl aber habe sich der Charakter des Unternehmens UGM geändert.

Eine Direktvergabe könne nun wie eine "künstliche Konstruktion" zur Umgehung des EU-Vergaberechts wirken, schreibt Kommunalreferentin Kristina Frank (CSU) und beruft sich dabei auf ein eigens in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten. In ihrem Beschlussantrag schlägt sie vor, dass ihr Haus den Auftrag bekommt, das Ausschreibungsverfahren mit einem bereits vorbereiteten Bekanntmachungstext zu starten.

Dieser Text allerdings verschafft der Büschl-Gruppe, eines der größten privaten Wohnungsbauunternehmen im Raum München und bekannt für sein Hochhaus-Projekt an der Paketposthalle, einen Startvorteil, legt er doch deren Konzept zugrunde: den Bau des neuen Großmarkts an der Schäftlarnstraße mit oben aufgesetzten Wohnungen zu kombinieren.

"Realisiert werden soll ein beispielhaftes, flächensparendes und zukunftsweisendes Bauwerk", heißt es im Entwurf für die Ausschreibung. "Es wird die Realisierung von Wohnraum mit einer Mindestquote von 50 Prozent für den geförderten bzw. preisgedämpften Wohnraum gewünscht."

Eine solche Kombination hatte Ralf Büschl, Beiratsvorsitzender der Büschl-Gruppe, Ende vergangenen Jahres vorgestellt. Ein Sprecher des Unternehmens richtete in dieser Woche aus, sich vor der Stadtratssitzung nicht weiter zu den Plänen mit der Großmarkthalle äußern zu wollen.

Die Grünen hatten das Investorenmodell von Anfang an abgelehnt

Wenn sich der Stadtrat für das von Frank vorgeschlagene Vorgehen entscheidet, wird abzuwarten sein, ob sich für ein solches Vorhaben andere Interessenten finden - oder ob gar schon die Ausschreibung vor Gericht angefochten wird. Auf jeden Fall entstehen neue Unsicherheiten, die in den kommenden Tagen die politische Debatte prägen dürften, ob die Stadt sich vom Investorenmodell verabschieden und den Neubau doch wieder selbst in die Hand nehmen sollte, wie es bis 2017 geplant war.

Die Fraktion der Grünen/Rosa Liste hatte das Investorenmodell damals aus der Opposition heraus abgelehnt. Zuletzt sprach Ende März Anna Hanusch, Chefin der inzwischen größten Fraktion, im Kommunalausschuss von "Bauchschmerzen" mit dem Investorenmodell. SPD und CSU, die sich mit ihrer damaligen Koalitionsmehrheit für die Lösung mit einem privaten Partner ausgesprochen hatten, haben bisher daran festgehalten. Auch sie müssen nun aber bis Mittwoch die neue Lage bewerten.

Die Zukunft des Großmarkts in Sendling, wo er nach Überzeugung aller Fraktionen auch bleiben soll, treibt die Politik seit Jahren um. Die derzeitigen Hallen sind seit Langem marode und produzieren enorme Kosten für die Instandhaltung, allein 30 Millionen Euro in den kommenden Jahren. Nach derzeitigem Stand können sie bis Ende 2030 in Betrieb bleiben. Spätestens dann soll der Neubau stehen - ein bisher schon ehrgeiziger Zeitplan.

Obwohl Verzögerungen drohen, soll der neue Großmarkt weiter 2030 in Betrieb gehen

Das Ausschreibungsverfahren würde den Zeitdruck weiter erhöhen. In ihrer Vorlage stellt Frank den mehrstufigen Prozess dar. In der ersten Stufe, dem "Teilnahmewettbewerb", könnten sich interessierte Unternehmen bewerben. Sie müssten noch kein inhaltliches Konzept vorlegen, sondern zunächst nur ihre grundsätzliche Eignung nachweisen - woran es beim ursprünglichen Partner UGM gescheitert war.

Als Kriterien schlägt Frank unter anderem vor: einen Mindestumsatz von 150 Millionen Euro in den vergangenen drei Geschäftsjahren, Nachweis über abgeschlossene Großprojekte mit mindestens 200 000 Quadratmetern Geschossfläche und Erfahrungen mit dem Betrieb eines Großmarkts oder vergleichbarer Handelsflächen. Für diese erste Stufe kalkuliert Frank mit einer Dauer von etwa drei Monaten. Parallel dazu würde das Referat eine auf sechs bis neun Monate veranschlagte "Vorbereitungsphase", etwa für den Vertragsentwurf, starten.

Sollte sich niemand bewerben, könnte die Stadt das Projekt nach Franks Darstellung anschließend "freihändig" vergeben. Sollte nur ein Unternehmen die Eignungskriterien erfüllen, könne man mit diesem direkt "in Verhandlungen treten".

Es ist davon auszugehen, dass sich mindestens die Büschl-Gruppe bewirbt, auch weil sie durch die Übernahme des bereits auf dem Großmarkt tätigen UGM alle Kriterien erfüllen dürfte. Sollten sich mehrere geeignete Unternehmen bewerben, würde die zweite Stufe, das "Verhandlungsverfahren", aufwendiger.

Frank setzt für diese Stufe sechs bis sieben Monate an. Aus ihrer Darstellung ergibt sich eine Gesamtdauer des Ausschreibungsverfahrens von zwölf bis 16 Monaten, die sich aber durch mögliche Klagen und andere Komplikationen auch verlängern kann. Dennoch soll der neue Großmarkt bis Ende 2030 in Betrieb gehen.

Frank geht in ihrer Vorlage auch auf eine weitere Schwierigkeit ein: dass auf dem designierten Neubau-Grundstück Hallen stehen, die teils noch mehr als zehn Jahre an das UGM, also inzwischen Büschl, verpachtet sind. Das Kommunalreferat hat mit der Büschl-Gruppe vereinbart, dass sie diese gegen eine Abstandszahlung von bis zu 8,9 Millionen Euro die Flächen vorzeitig räumt, wenn die Stadt sich mit einem Investor einigt. Diese Kosten müsste der Investor tragen - was wiederum für einen Interessenten kein großes Problem sein dürfte: die Büschl-Gruppe selbst.

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