Süddeutsche Zeitung

Großmarkthalle:Anwohner ärgern sich über nächtliches Brummen und Dieseln

Kühllaster mit laufenden Aggregaten stehen offenbar noch immer rund um die Uhr auf dem Gelände, obwohl die Stadt die Zahl der kostenlosen Stromanschlüsse aufgestockt hat. Das könnte nun Konsequenzen haben.

Von Julian Raff

Wer direkt am Großmarktgelände wohnt, muss mit Zumutungen leben. Manche davon wären allerdings vermeidbar: Immer noch stehen offenbar zu allen Tages- und Nachtzeiten Kühllaster mit laufenden Dieselaggregaten auf dem Gelände, obwohl die Stadt bereits seit knapp vier Jahren auf Drängen entnervter Anwohner Stromanschlüsse anbietet, über die sich die Kühlanlagen wartender LKW direkt mit Elektrizität versorgen ließen.

Vor allem unmittelbar betroffene Anwohner aus der Königsdorfer Straße kritisieren und dokumentieren regelmäßig, dass die Stromzapfsäulen entweder außer Betrieb sind oder nicht genutzt werden. Nachdem eine Initiative aus Nachbarn und Agenda-21-Aktiven seit 2017 auf die Lärm- und Luftbelastung aufmerksam und entsprechenden Druck gemacht hatte, ließ das Kommunalreferat bereits 2019 Säulen mit sechs Anschlüssen aufstellen. Etwas widerwillig, da man die Elektrifizierung eigentlich in einem Aufwasch mit der technischen Generalsanierung des Großmarktgeländes erledigen wollte.

Auch wenn damit wegen der schwierigen Stromversorgung zunächst nur die Hälfte einer ersten mit 50 000 Euro finanzierten Tranche realisiert wurde, hätten die Anschlüsse das Problem mildern können. Allerdings waren sie kaum gekennzeichnet, teils schwer erreichbar installiert oder außer Betrieb. Die zwei funktionierenden Steckplätze wurden, wie Anwohner beobachteten, von den Fahrern kaum benutzt. Einen deutlichen Schritt zur Entlastung der Anwohner versprach Kommunalreferentin Kristina Frank (CSU) im vergangenen Herbst, als neun weitere Säulen mit je zwei Anschlüssen installiert und, so das Referat, "massiv beworben" wurden, inklusive des Gratis-Stroms.

Keine der 18 neuen Stromsäulen war laut einem Anwohner nachts genutzt worden

Am nächtlichen Brummen und Dieseln hat sich damit allerdings nichts geändert. Anwohner Thomas Bierwirth hat protokolliert, dass nachts zur "absoluten Primetime" von den 18 neu installierten Anschlüssen genau "null in Benutzung" gewesen seien, und das über Monate. Besonders belastend ist der niederfrequente Lärm für Anwohner, in deren Häusern aus Denkmalschutzgründen keine Schallschutzfenster eingebaut werden konnten.

Nicht zum Verständnis für die Situation beigetragen haben die demnächst geltenden Dieselfahrverbote in der Umweltzone, die hier durch unnötige Emissionen ad absurdum geführt werden, zumal Kühlaggregate oft mit separaten Dieselmotoren ohne Rußpartikelfilter betrieben werden. "Dieselstehverbote gibt es ja (noch) nicht", schreibt dazu die Stadtratsfraktion von ÖDP/München-Liste in einem aktuellen Antrag. Dieser weist unter anderem auch auf Verständigungsprobleme mit ausländischen LKW-Fahrern und nicht kompatible Stromanschlüsse an deren Lastern hin und fordert "perspektivisch" ein Verbot von Dieselaggregaten auf dem gesamten Gelände.

Laut Kommunalreferat wurden allerdings alle beteiligten Speditionen mehrfach kontaktiert und über das Angebot informiert. Die Fahrer bekämen außerdem bei Einfahrt ins Gelände mehrsprachige Schreiben mit Piktogrammen ausgehändigt, in denen Standort und Bedienung der Säulen sowie das kostenlose Stromangebot ausführlich erläutert würden. Gründlich geworben habe man auch bei den auf dem Gelände ansässigen Händlern. Inkompatible Stecker dürften der Nutzung lauf Referat ebenfalls nicht entgegenstehen, da die Fahrer in der Regel eigene Kabel mitbrächten. Die vom Marktbetreiber angebotenen Adapter seien "in keinem einzigen Fall" nachgefragt worden.

Insgesamt sieht die Behörde das Problem nicht in der von den Nachbarn wahrgenommenen Größenordnung: Rund vier Fünftel der ankommenden LKW würden entladen, bevor die Fahrer auf dem Gelände ihre vorgeschriebenen Ruhepausen abwarten. Sie bräuchten daher gar keine laufende Kühlung. Dennoch plant die Verwaltung "mittelfristig", die noch bestehenden rechtlichen Hürden aus dem Weg zu räumen und die Benutzung der Energiesäulen verbindlich vorzuschreiben.

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