Klinikum Großhadern:Neues Forschungszentrum mit Tierversuchen

Klinikum Großhadern: So soll später einmal das Forschungszentrum ICON der LMU und des LMU-Klinikums aussehen.

So soll später einmal das Forschungszentrum ICON der LMU und des LMU-Klinikums aussehen.

(Foto: Doranth Post Architekten)

Für knapp 50 Millionen Euro entsteht am Klinikum Großhadern das Icon. Wissenschaftler werden dort Behandlungsmethoden für Herz-Kreislauf-Erkrankungen testen - an genetisch modifizierten Schweinen.

Von Ekaterina Kel

Von der Idee bis zur Anwendung vergehen in der medizinischen Forschung manchmal 15 Jahre. Die Suche nach dem richtigen Medikament für eine spezifische Erkrankung wird dadurch zu einer langwierigen Unternehmung - mit vielen Unbekannten. Und dann fallen neun von zehn Ansätzen bei ersten klinischen Studien durch, erklärt Markus M. Lerch, Ärztlichen Direktor des LMU-Klinikums. Unter Kollegen kenne man diesen frustrierenden Prozess als "Valley of Death", das Tal des Todes. Das müsse sich ändern.

Lerch steht an diesem sonnigen Mittwochvormittag auf dem Gelände des Klinikums Großhadern, unter den Füßen staubige Erde, vor ihm ein Bagger, Kieshügel, Absperrband - die Anfänge einer Baustelle. Hier soll schon Ende 2024 ein neues Forschungszentrum von Klinikum und Universität die Arbeit aufnehmen: das Icon, oder einmal in lang, das "Interfaculty Center for Endocrine and Cardiovascular Disease Network Modelling and Clinical Transfer". Recht umständlich ist auch die Beschreibung, was dort gemacht werden soll: Es sollen "innovative Konzepte in geeigneten Großtiermodellen validiert" werden. Genauer gesagt: Experimente an genetisch modifizierten Schweinen.

Für die auf der Baustelle versammelten Wissenschaftler und Politiker ist das medizinisch notwendig. Man schließe eine wichtige Lücke zwischen der präklinischen Forschung in Zellkulturen oder in Kleintieren, meistens Nagern wie Mäusen oder Hasen - bei der sich viele Ansätze im Nachhinein als unwirksam entpuppen - und der Anwendung am Patienten, wo medizinischer Fortschritt dringend gebraucht wird. Schweine ließen sich viel besser als Modelle für menschliche Erkrankungen nutzen, erklärt Eckhard Wolf, Professor für Molekulare Tierzucht und Biotechnologie vom Genzentrum der LMU. "Schweine sind uns von der Anatomie und Physiologie ähnlich", so Wolf.

Damit man eine menschliche Erkrankung gezielt erforschen kann, werden die Schweine genetisch modifiziert, also schon bei der Anlage des Embryos mit exakt den Mutationen versehen, "auf die Base genau", die für eine Erkrankung ursächlich sind. So könne man die Lücke zwischen Behandlungsidee und Patient besser und schneller schließen. Ein "Meilenstein" entstehe mit dem neuen Forschungszentrum Icon, sagt Wolf, der einer der beiden Antragsteller für die Finanzierung dieses Projekts beim Bund war.

Begutachtet hat den Antrag im Wissenschaftsrat unter anderem Markus M. Lerch, der seit Januar neue Ärztliche Direktor des Klinikums. Hätte er damals gewusst, dass er später auf diesem Posten landet, hätte er sich enthalten, sagt er. Aber da es seinerzeit nicht danach aussah, habe er dem Projektentwurf die beste Bewertung gegeben. Auch heute sagt er: "Hier entsteht ein einmaliges Gebäude". Die Finanzierung vom Bund zu ergattern sei ein sehr kompetitiver Prozess, und Icon habe es allemal verdient. Mit der Entwicklung neuer Therapien von der experimentellen Entdeckung bis zur Anwendung am Menschen wolle man endlich das "Valley of Death" überqueren, und zwar mit mehr Effizienz. Bund und Freistaat finanzieren das Forschungszentrum jeweils zur Hälfte mit insgesamt 45,7 Millionen Euro.

Das neue Zentrum widmet sich Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems. Darunter fallen zum Beispiel Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen, aber auch Herzinfarkt oder Schlaganfall. Und Lerch setzt zusammen mit LMU-Präsident Bernd Huber, Wissenschaftsminister Bernd Sibler und Bauministerin Kerstin Schreyer (beide CSU) den ersten symbolischen Spatenstich an diesem Tag. Sibler sagt, was hier entstehe, sei "die Eins mit Stern".

Was so fröhlich daherkommt, hat einen ernsten Hintergrund: Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind laut Robert Koch-Institut die führende Todesursache in Deutschland und verursachen insgesamt etwa 40 Prozent aller Sterbefälle. Weltweit seien das 18 Millionen Tode jährlich, sagt Steffen Massberg, Leiter der Medizinischen Klinik und Poliklinik I für Kardiologie - und zweiter Antragsteller des Projekts.

Auf mehr als 2700 Quadratmetern Fläche möchte man diese Erkrankungen früher erkennen, besser bekämpfen und im besten Fall heilen können. Dazu beitragen, dass die Todeszahl sich vielleicht irgendwann verringert. Nicht nur Medikamente sollen hier erforscht werden, berichtet Massberg, sondern auch der Einsatz von verschiedenen Hilfsmitteln wie Herzklappen oder Herzschrittmachern und auch neue diagnostische Instrumente zur besseren Früherkennung.

Das alles sollen Schweine ermöglichen. Maximal 100 sollen sich gleichzeitig auf dem Gelände aufhalten, schätzt Eckhard Wolf. Und um die Erkrankung an ihnen zu erforschen, müssen sie erst mal krank gemacht werden. Ein ethisches Dilemma?

Natürlich müsse die Entscheidung über jedes neue Experiment von einem unabhängigen Gremium erst aus medizinischen und ethischen Gesichtspunkten erwogen werden, bevor es an den Start gehen kann, so Wolf. Außerdem würden die Tiere auch immer nach den medizinischen Standards behandelt, also falls ein Schwein für die Versuche an Diabetes erkranke, bekomme es auch Insulin, damit es nicht unnötig leide.

Ob er als Tierarzt kein Mitleid mit den Tieren habe? "Ich glaube, die Versuchstierkunde ist eine ganz zentrale Aufgabe von Tierärzten, weil es sonst niemand kann", sagt Wolf. Wenn das Modell notwendig und sinnvoll sei, um menschliches Leid zu lindern, sei es zu befürworten.

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