Süddeutsche Zeitung

Münchner Momente:Angrillt is!

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Der April eignet sich ideal dafür, etwas wieder anzufangen. Das gilt fürs Braten im Freien - aber auch für ganz andere Dinge.

Glosse von Stephan Handel

Dass jetzt wieder Anfang in allem ist, merkt man an den verschiedenen Gelegenheiten, zu denen Sachen in diesem Jahr das erste Mal gemacht werden. Zum Beispiel war vergangene Woche Anspargeln. So nennt der stilvolle Großstadtbewohner es, wenn er Stangengemüse zu 18 Euro das Kilo weichkocht, es dann mit Sauce Hollandaise aus dem Tetrapack und Formschinken verspeist und sich sehr gourmet vorkommt.

Für eine weitere Jahres-Premiere war es bislang noch zu kalt, obwohl: Hardcore-Griller haben schon im Februar die Weber-Kugel angeheizt. Normale Menschen aber warten, bis das ganze Zeremoniell sich im Freien abspielen kann: Fleisch wird über Holzkohle so lange gebraten, bis es ebenfalls eine kohleähnliche Struktur angenommen hat, woraufhin es mit Appetit und Ketchup verzehrt wird. Traditionsgemäß haben beim Angrillen die Männer das Regiment über das Feuer, während die Frauen für alles andere zuständig sind: einkaufen, Fleisch parieren, Salat abschmecken, Getränke kühlen, Tisch decken, Brandwunden versorgen.

Eine Unterart des Angrillens ist das Anfischen. Dazu ist es notwendig, dass der Mann - hoffentlich im Besitz eines Anglerscheins - morgens um fünf mit einem Kumpel und einem Kasten Bier ans Wasser aufbricht. Wenn er gegen Mittag mit einer Bachforelle für vier Personen nach Hause kommt, muss er sich erst einmal hinlegen, was der Gattin die Gelegenheit gibt, die oben erwähnten Vorbereitungsschritte durchzuführen, nur dieses Mal mit Fisch. Ganz wichtig: Wenn für die Kinder zunächst ein paar Würstel gegrillt werden, muss die Glut fast ganz herunter glühen, bis der Vater dann verlautbart: "Jetzt ist's grad richtig für den Fisch."

Es gibt noch viele Gelegenheiten, jetzt im Frühjahr das eine oder andere anzufangen. Angarteln etwa, das ist der erste Biergartenbesuch des Jahres, anmähen für Freunde der Gartenpflege, anradeln für solche des Wochenendausflugs. Wer gern in die Berge geht, wird das Anwandern zelebrieren oder sogar das Ansteigen, andere werden anrudern oder ansegeln. Angeblich gibt es sogar Leute, die während der Wintermonate jede geistige Betätigung einstellen und erst im zweiten Quartal intellektuell wieder in die Gänge kommen. Sie tun allerdings besser daran, den Termin ihres An-Denkens nicht allzu laut zu verkünden.

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