Süddeutsche Zeitung

Graphic Novel aus München:Märchenkönig goes Batman

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Bayerns Kini als Comic-Held: Zeichner Wolfgang Keller widmet ihm "Ludwig II. Ein Mythos in Bildern". Das Vorwort schrieb Peter Gauweiler.

Von Jürgen Moises, München

War Ludwig II. ein weltfremder, unfähiger Träumer? Einer, der nicht mal die elementarsten Pflichten seines Amtes erfüllt und sein Vaterland im Krieg im Stich gelassen hat? Oder hatte er als Kunstliebhaber und Pazifist nur andere, höhere Werte und war als Idealist ein Anachronismus und gleichzeitig seiner Zeit voraus? In Wolfgang Kellers Comic "Ludwig II. Ein Mythos in Bildern" kommen beide Sichtweisen zum Ausdruck, wobei er erkennbar das idealistische Bild des bayerischen Monarchen favorisiert. Als reinen "Märchenkönig" zeigt der im baden-württembergischen Riegel am Kaiserstuhl lebende Zeichner und Autor Ludwig II. dann aber doch nicht. Sondern als einen an seiner Umwelt und seinen Ansprüchen scheiternden, im Grunde sehr einsamen Menschen, der am Ende daran zerbricht. Am 13. Juni 1886 fand man seine Leiche im Starberger See (damals noch Würmsee).

War es Selbstmord? "Es gibt viele Theorien". So heißt es dazu in dem 80-Seiten-Buch, das im München Verlag herauskam, ohne dass damit die Suizid-These wirklich in Frage gestellt wird. Auch sonst wird hier nicht wild fabuliert und spekuliert. Ludwig wird nicht von seinem damals ebenfalls tot im See gefundenen Psychiater Bernhard von Gudden chloroformiert und dann ertränkt oder von Gendarmen auf der Flucht erschossen. Auch das Thema Homosexualität berührt das Buch nur kurz. Fans des Kinis oder Historiker müssen also keine Angst haben, dass hier ein Schwabe Schindluder mit einem bayerischen Mythos treibt. In einem Medium, das als Graphic Novel zwar literarische Weihen bekommen hat, aber das noch immer nicht jeder als ernsthafte Kunstform wahrnimmt.

Ludwig II. war schon Manga-Star

Stattdessen orientiert sich der 1965 geborene Keller, der auch Krimis schreibt, weitgehend an den bekannten Fakten. Was aber nicht heißt, dass er nur olle Kamellen liefert. Nein, ein paar erzählerische Freiheiten nimmt er sich doch heraus. So sind etwa alle Gespräche notgedrungen "imaginiert", wie Keller im kurzen Nachwort schreibt. Das gilt für die Dialoge zwischen Ludwig II. und dem von ihm abgöttisch verehrten Komponisten Richard Wagner genauso wie die verschwörerischen Gespräche seiner Kabinettsmitglieder, die ihn am Ende für "geisteskrank" erklären lassen. Auch war der König nie in Cannes, um seinen schwerkranken Freund Peter von Thurn und Taxis zu besuchen, dessen Beziehung zum König im Buch eine wichtige Rolle spielt.

Außerdem hat Keller eine zeitgenössische Rahmenhandlung mit einer Studentin und einem alten Mann dazu erfunden. Die ist eigentlich nicht der Rede wert, aber insofern ein kluger Schachzug, als sie die Geschichte als Erzählung einer fiktiven Figur deklariert und so gegen Kritik absichert. Apropos Kritik: Der Antisemitismus der damaligen Zeit und speziell der von Richard Wagner wird deutlich benannt. Alleine das macht aus dem Buch schon ein weit ernsteres Unterfangen als etwa der 2002 erschienenen Comic "King Kini: Der Märchenkönig" von Knut und Christian Eckert, die darin nur schlechte Gags aneinanderreihen.

Eine Spur gehobener war da schon der dreiteilige Manga "Ludwig II" von You Higuri, der bereits 1996 erschien. Die Japanerin erzählt darin von der homoerotischen Beziehung zwischen Ludwig und seinem Stallmeister Richard Hornig. In Form eines schwärmerischen Reigens, der den Konventionen des Genres des Boys Love Manga verpflichtet ist. Was aber auch bedeutet, dass es übers Schwelgen und Kuscheln nicht hinausgeht. Ansonsten erfährt Bayerns Monarch hier eine extreme Ästhetisierung, die bis zur Sakralisierung als Engel oder Gekreuzigter reicht. Sogar für den Tod Ludwigs hat Higuri ihre eigene Erklärung.

Ein bisschen mehr Schwelgerei und Prunk hätten auch dem Comic von Keller nicht geschadet. Geht es doch immerhin um einen König, der weniger durch seine Politik als durch den Bau von Lust- und Luftschlössern wie Neuschwanstein oder Herrenchiemsee in Erinnerung blieb. Denn die aquarellierten Bleistiftzeichnungen sind zwar atmosphärisch, auch setzt Keller Farben wie Rot, Schwarz oder Blau geschickt als Stimmungsgeber ein. Aber in Buchform wirkt manches doch recht düster und sehr kleinteilig. Da hätte man sich so wie bei den im Anhang beigefügten Einzelzeichnungen oft mehr Luft zum Atmen gewünscht.

Auch dass das Vorwort vom ehemaligen CSU-Granden Peter Gauweiler stammt, dürfte nicht jeden entzücken. Auf jeden Fall nicht den, der sich an Gauweilers unsägliches Vorgehen gegen Homosexuelle und Aids-Kranke in den Achtzigern erinnert. Auch durch seine Rolle als EU-Kritiker oder seine hohen Nebenverdienste als Angeordneter fiel Gauweiler nicht unbedingt positiv auf. Seine Einleitung, in der er etwa an die Rolle Neuschwansteins als Vorbild für Walt Disneys "Cinderella Castle" erinnert, erweist sich davon abgesehen aber als kundig. So wie der Comic insgesamt als gute Einführung in das Leben und Leiden des Kini zu empfehlen ist.

Wolfgang Keller: Ludwig II. Ein Mythos in Bildern, 80 S., München Verlag, 20 Euro

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