Ein neuer, zentral gelegener Bürokomplex in denkmalgeschütztem Gemäuer, der Standards für Nachhaltigkeit und nachhaltige Mobilität setzt: Die 1500 zusätzlichen Google-Beschäftigten in München, die künftig im bisherigen Paketzustellamt an der Arnulfstraße (auch bekannt als "Arnulfpost" oder "Postpalast") unterkommen, sollen auf ein attraktives Arbeitsumfeld stoßen - und zumindest einen kleinen Einblick wird auch die Öffentlichkeit nehmen können. Am Dienstag hat der Konzern in einer Video-Pressekonferenz über die Pläne für sein "Entwicklungszentrum der Zukunft" informiert. Es sei "eines unserer aufregendsten Projekte in Europa und sogar weltweit", sagte die aus London zugeschaltete Google-Immobilienmanagerin Rhian Windridge.
Tatsächlich verdoppelt der Konzern seine bisherige Präsenz in München und ist damit Teil eines Trends von US-Technologieunternehmen, die ihren Standort in München massiv ausbauen: Apple, das bisher ein Entwicklungszentrum mit 300 Beschäftigten in München hatte, hat ein noch in Bau befindliches Bürogebäude an der Karlstraße angemietet, das Platz für etwa 1500 Beschäftigte bieten wird. Amazon, das schon 2500 Leute in München hat und ebenfalls weiter wachsen will, mietet in der Parkstadt Schwabing einen Neubau an. Es ist eine Entwicklung, die in Teilen der Münchner Bevölkerung Unbehagen auslöst, weil sie bedeutet, dass Tausende weitere Gut- bis Topverdiener in die Stadt kommen und Wohnraum suchen werden.
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Vermutlich auch deshalb betont Wieland Holfelder, Leiter des Google-Standorts München, dass "wir einen positiven Beitrag für unsere Nachbarschaft leisten wollen". Der Konzern biete kostenlose IT-Schulungen für Einzelpersonen und Unternehmen an, kooperiere mit Bildungseinrichtungen, beteilige sich an sozialen Projekten und werde diese Aktivitäten künftig ausbauen. Und Holfelder kündigt an, dass die Rotunde, das von der Wredestraße her zugängliche Herzstück des Grundstücks, teilweise öffentlich zugänglich sein werde, damit "die Bevölkerung das Gebäude erleben und dort vielleicht auch einen Kaffee trinken gehen kann".
Das alles wird aber nicht reichen, um die Vorbehalte wegen des Zuzugs und der Wohnungsnot aus der Welt zu schaffen. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) appelliert regelmäßig an expandierende Unternehmen, Werkswohnungen für die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schaffen - er meint lokale Traditionsbetriebe wie BMW und auch die Tech-Konzerne aus den USA. Würde Google da mitmachen? München-Chef Holfelder sagt zwar, das sei "kein Google-Problem, sondern betrifft alle Unternehmen". Aber er ergänzt: Man öffne sich "sehr, sehr gern für einen Dialog. Vielleicht würde es Sinn machen, dass wir uns einmal alle an einen Runden Tisch setzen und Lösungen für die ganze Stadt suchen". Werkswohnungen seien da nur eine von vielen Ideen. Google habe da viel Erfahrung aus anderen Städten.
Die Nachricht, dass Google die "Arnulfpost" übernommen hat, kam vor knapp einem Jahr überraschend, hatte doch bis dahin ein israelischer Investor dort ein Luxushotel plus Büros bauen wollen. Diese Planungen waren weit gediehen, erste Bauarbeiten liefen. Dann aber entschied der Investor sich zum Verkauf. Wie viel das Grundstück gekostet hat und wie viel nun die Umbauten kosten, dazu macht Google keine Angaben. Es dürfte sich aber in der Summe um einen höheren dreistelligen Millionenbetrag handeln. Vom Hotelprojekt übrig geblieben ist das Architekturbüro: Allmann Sattler Wappner aus München darf nun den Google-Campus mit seinen 50 000 Quadratmetern Geschossfläche planen.
Die Lage an der Hackerbrücke ist für Google besonders attraktiv, weil das Areal nur wenige Hundert Meter vom schon bestehenden Standort entfernt ist, der erhalten bleibt. Im Sommer hat Google für das neue Projekt einen Bauantrag eingereicht, der nach Auskunft des Planungsreferats noch in Prüfung ist. Grundsätzliche Probleme sind aber nicht zu erwarten, da die Büronutzung an der Stelle planungsrechtlich zulässig ist, wie das Referat mitteilt. Die Inbetriebnahme plant Google für Ende 2023.
Und was machen die ganzen Google-Beschäftigten in München eigentlich? Standortchef Holfelder spricht von "unserem Maschinenraum in Deutschland". Der Schwerpunkt liege im Bereich Datenschutz. So würden in München die Sicherheitseinstellungen für eine Milliarde Nutzer weltweit programmiert. Weitere Teams arbeiten in den Bereichen vernetzte Automobilität und Cloud-Services. Außerdem gibt es eine Youtube-Abteilung, die "mit der lokalen Medienindustrie zusammenarbeitet", so Holfelder. Wie die Leute dann in dem Komplex arbeiten, das ist noch offen.
Denn mitten in Planung ist die Corona-Pandemie geplatzt. "Vorher waren wir darauf fokussiert, das die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Büro sind, das hat sich total geändert", sagt Holfelder. Nun richte man sich darauf ein, dass Leute vielleicht nur noch zweimal die Woche kommen. Deshalb werde man womöglich deutlich mehr Flächen für "kreative Bereiche schaffen, wo Leute im Team zusammenkommen" - und nicht mehr unbedingt einen Arbeitsplatz für jeden.
Bis es so weit ist, sind noch einige bauliche Probleme zu lösen. Insbesondere, wenn es darum geht, die historische Bausubstanz so umzubauen, dass sie der Klimastrategie des Konzerns genüge tut. Man wolle energetisch "nicht nur das machen, was verlangt wird", sagt Holfelder, sondern deutlich mehr. Der Konzern arbeite weltweit seit 2007 klimaneutral und versorge sich seit 2017 zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien. Bis 2030 hat Google sich zum Ziel gesetzt, dass alle großen Standorte und Rechenzentren ohne CO₂-Emissionen auskommen. Dazu muss die "Arnulfpost" ihren Beitrag leisten.
Der zweite Aspekt, den der Konzern betont, ist die nachhaltige Mobilität. Man suche stets zentrale Lagen, damit die Beschäftigten gut mit Nahverkehr oder Fahrrad ins Büro kommen, sagt Holfelder. Es gebe im ganzen Konzern keine Dienstwägen und keine festen Parkplätze, mit Ausnahme von mobilitätseingeschränkten Personen. Der Konzernsprecher wirft dazu aus der Deutschland-Zentrale in Hamburg ein, für 650 Beschäftigte seien dort zwei Parkplätze reserviert. Beim Projekt in München sind gemäß der Stellplatzsatzung eigentlich 300 zu schaffende Parkplätze vorgeschrieben. Die hat Google auf gut 200 herunterverhandelt. Wie sie verwendet werden, das sei noch offen, es solle aber "zum Nutzen der Stadt" geschehen, sagt München-Chef Holfelder, "zum Beispiel für shared mobility".