München-Glossar:Wörter, die es nur in München gibt

München-Glossar: Es geht lustig zu beim Filser-Ball, doch nur wenige Münchner dürfen dabei sein (Archivbild).

Es geht lustig zu beim Filser-Ball, doch nur wenige Münchner dürfen dabei sein (Archivbild).

(Foto: Stephan Rumpf)

"In ist, wer drin ist", heißt es beim Filser-Ball, das Kreisverwaltungsreferat ist einmalig und Probleme mit der Stammstrecke kann es auch nur hier geben: Eine Auswahl typisch Münchnerischer Begriffe.

Von SZ-Autoren

Gesellschaft

München-Glossar: Fotos und Furore beim Filmball - so war es immer, doch 2023 muss das Schaulaufen zum dritten Mal in Folge abgesagt werden.

Fotos und Furore beim Filmball - so war es immer, doch 2023 muss das Schaulaufen zum dritten Mal in Folge abgesagt werden.

(Foto: Florian Peljak)

Filmball, der: Ohne diese Anekdote kommt keine fachkundige Beschreibung des Deutschen Filmballs in München aus. Es war Ende der 1980er-Jahre und die Gesellschaft aus Film-, Fernseh- und Politikbranche war gerade so richtig schön am Tanzen, Toben und Nachpudern im Ballsaal des Hotels Bayerischer Hof, da zog der Filmproduzent und Regisseur Bernd Eichinger selig alle Blicke auf sich. Er trank aus dem Stöckelschuh der Schauspielerin Hannelore Elsner Champagner. Ha, Dekadenz und München at it's best. Schöner und glamouröser hätten sich die Fotografinnen und Fotografen das nicht ausdenken können. Der Filmball, den die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) ausrichtet, konnte schon mit sehr prominenten Gästen glänzen, ja selbst Klaus Kinski und Rainer Werner Fassbinder zogen sich einen Smoking an, um durch die wirklich strenge Tür zu kommen. Aber die High-Heel-Geschichte bleibt hängen. Und neue Anekdoten wird es erst einmal nicht geben. Denn 2023 wird der Schaulauf der Filmprominenz mit anschließendem traditionellen Weißwurstessen zum dritten Mal in Folge abgesagt. Es fehle Planungssicherheit wegen der Pandemie. Ulrike Heidenreich

Tollwood, das: Schon seit 1988 gehört dieses Festival zu München so wie Räucherstäbchen zu Hippie-Häkelbikinis und Tofuburger zu Bio-Wirsing-Couscous. All dies gibt es dort an kunstvoll dekorierten Ständen zu kaufen. Anfangs ging das Kultur- und Umweltfestival nur sommers im Olympiapark über die Bühne. 1992 dann kam das Winterfestival dazu und schillert nun regelmäßig bis nach der Silvestergala in den schönsten Regenbogenfarben auf der sonst dunklen Theresienwiese im Herzen Münchens. Theater, Performances, Musik - das Credo der Veranstalter ist, dass Kultur für alle da sein soll. Weshalb der Eintritt zum Gelände frei ist und drei Viertel der Veranstaltungen gratis sind. Das Niveau der kulturellen Veranstaltungen und Konzerte ist hoch, die Stars international. Die Münchnerinnen und Münchner sowie Gäste aus Nah und Fern lieben "ihr" Tollwood, manchmal werden fast eine Million Gäste pro Saison gezählt. Andere spötteln über den ökokulturellen Anstrich und womöglich bei Mondschein gesponnene Ponchos aus Naturwolle. Aber die muss man ja nicht anziehen. Ulrike Heidenreich

Institutionen

Kreisverwaltungsreferat, das: Es dürfte nicht viele Begriffe im Duden geben, hinter deren Erklärung in Klammern das Wort "München" steht. Die städtische Behörde für Sicherheit und öffentliche Ordnung arbeitet zwar bestimmt nicht grundsätzlich anders als ihre Pendants in Frankfurt oder Köln, doch der Name soll deutschlandweit einzigartig sein. Gegründet wurde das Haus im Jahr 1949 als Referat für Kreisverwaltungsaufgaben und öffentliche Ordnung. Der historisch bedingte Name klingt etwas kurios für eine Stadt, die sich kreisfrei nennt, blieb jedoch über die Jahrzehnte leicht gekürzt erhalten. Das heutige Kreisverwaltungsreferat, in der Umgangssprache als KVR abgekürzt, hat seine Zentrale in der Ruppertstraße. Es ist gegliedert in vier Hauptabteilungen, eine für Sicherheit und Ordnung, eine für Bürgerangelegenheiten, eine für Gewerbeangelegenheiten und Verbraucherschutz sowie die Branddirektion. Leiterin seit Sommer 2022 ist Hanna Sammüller-Gradl. Jede Münchnerin und jeder Münchner wird die Behörde kennen. Egal ob Pass, Parkausweis oder Hochzeit, Gewerbeanmeldung oder Anzeige einer Demonstration, Aufenthaltsgenehmigung oder Veranstaltung eines Konzerts, das Kreisverwaltungsreferat ist der passende Ansprechpartner. Für die genannten Bürger-Anliegen, und noch für sehr viele mehr. Heiner Effern

Münchner Förderformel, die: Ein Begriff aus der Verwaltung, der Karriere gemacht hat. Es gibt die Münchner Förderformel, abgekürzt MFF, bereits seit 2011. Mit diesem Begriff beschreibt die Stadt ihr Konzept zur Förderung von Kitas. Es geht dabei um Standortfaktoren, um kindbezogene Förderung und um Mietkosten. Und es steckt tatsächlich eine echte Formel dahinter: f = (kfbkb) x (eallg + eausfall + estandort + eöff) + kfu3 + kfkont + m + a + Ab. Das zeigt schon: Es ist kompliziert. Einer größeren Allgemeinheit wurde der Begriff im Jahr 2019 bekannt, als die Stadt die Kitagebühren für Eltern drastisch absenkte. Allerdings nur für die Eltern, deren Kinder eine Einrichtung besuchten, die sich der MFF oder dem ähnlichen Modell Eki-plus für Eltern-Kind-Initiativen angeschlossen hat. Weil dagegen ein privater Kita-Träger geklagt hat, muss die Stadt ihr Förderkonzept nun überarbeiten. Ob es seinen Namen behält? Unklar. Kathrin Aldenhoff

WSW: Die Abkürzung steht für die Münchner Rechtsanwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl. WSW ist bundesweit zur Chiffre für den Versuch der katholischen Kirche geworden, nach Jahrzehnten den Missbrauch an Kindern aufzuklären. Die WSW-Anwältinnen und Anwälte wurden von drei Diözesen beauftragt, Gutachten anzufertigen, vom Münchner Erzbistum sogar zweimal. Einer ersten Studie 2010 folgte 2022 die zweite. Auf knapp 2000 Seiten wird ein System beschrieben aus Wegschauen und Vertuschen bei den Verantwortlichen. Ihnen war meist das vermeintliche Wohl der Kirche wichtiger als das der missbrauchten Menschen. Dem WSW-Team ist es gelungen, kritische Distanz zu wahren zur Kirche, obwohl diese Auftrag- und Geldgeber war. Ulrich Wastl nannte das Ergebnis der jüngsten Münchner Untersuchung eine "Bilanz des Schreckens". Bernd Kastner

Wohnen

München-Glossar: Selbst im teuren München sinken die Immobilienpreise.

Selbst im teuren München sinken die Immobilienpreise.

(Foto: Sina Schuldt/picture alliance/dpa)

SEM, die: Hinter der putzigen Abkürzung steckt das Wortungetüm "Städtebauliche Entwicklungsmaßname", ein Begriff aus dem Baugesetzbuch des Bundes. Zu diesem Instrument kann eine Kommune greifen, wenn sie große Gebiete mit vielen Eigentümerinnen und Eigentümern von Grundstücken neu planen will. Die Stadt München arbeitet derzeit mit SEMs für zwei Gebiete: 600 Hektar im Nordosten, östlich der Bahnlinie zwischen Daglfing und Johanneskirchen und 900 Hektar im Norden rund um den Ortskern Feldmoching. Beide Gebiete sind bisher von Landwirtschaft geprägt. Das Ziel einer SEM ist, nicht mehrere Bauvorhaben mit je 500 oder 1000 Wohnungen jeweils für sich zu planen, sondern ein großes Konzept aus einem Guss zu erstellen, etwa mit ÖPNV-Anbindung und Schulen. Im Nordosten, wo Wohnraum für 30 000 Menschen entstehen soll, ist etwa auch ein Badesee vorgesehen. Politisch umstritten ist die SEM, weil das Gesetz für den Fall, dass Grundstückseigentümer sich verweigern und damit das ganze Projekt gefährden, als letzte Konsequenz Enteignungen ermöglicht. Konstruktive Mitwirkung ist also Pflicht. Zudem werden mit Einleitung der SEM die Bodenpreise eingefroren. Das Instrument soll also Bodenspekulation unterbinden. Sebastian Krass

Sobon, die: Diese Abkürzung steht für "Sozialgerechte Bodennutzung". Mit dem Modell, das München 1994 eingeführt und das bundesweit Nachahmer gefunden hat, sichert die Stadt, dass bei größeren privaten Wohnbauprojekten ein Anteil geförderten Wohnraums entsteht. Wenn zum Beispiel ein Investor auf einem ehemaligen Industriegelände von der Stadt neues Baurecht und damit eine erhebliche Wertsteigerung des Grundstücks bekommt, musste er zuletzt 40 Prozent geförderten Wohnraum bauen, 60 Prozent konnte er zu Marktwert verkaufen. Zudem muss er sich am Bau von Straßen und Grundschulen beteiligen. Die grün-rote Rathauskoalition hat die Sobon-Regeln 2021 verschärft. Inzwischen gibt es verschiedene Stellschrauben, im Grundmodell aber müssen 60 Prozent des Wohnraums preisreguliert sein. Kritiker sagen, damit werde der private Wohnungsbau in München abgewürgt, weil er sich nicht mehr rechne. Sebastian Krass

KMB, der: Klingt kompliziert und irgendwie neu, wird aber schon zehn Jahre alt. 2013 hat die Stadt den Konzeptionellen Mietwohnungsbau eingeführt, kurz: KMB. So sollen frei finanzierte, aber vergleichsweise günstige Mietwohnungen entstehen für Menschen, die zu viel verdienen für eine geförderte Wohnung, aber zu wenig für die normalen Mietpreise. So will die Stadt die oft zitierte "Münchner Mischung" bewahren, dass sich also Reich und Arm nicht in einzelnen Vierteln separiert. KMB-Wohnungen sind vor allem gedacht für Münchnerinnen und Münchner mit Berufen, ohne die keine Stadt auskommt, mit denen man aber nicht reich wird: in der Altenpflege, in Krankenhäusern, bei der Polizei. Mehr als 1500 Wohnungen sind laut Stadt im KMB entstanden. Die Mieten dort sind bei 13,50 Euro kalt pro Quadratmeter gedeckelt, erhöhen darf sie der Eigentümer frühestens nach fünf Jahren. Für KMB-Häuser vergibt die Stadt eigene Grundstücke nicht im Preiswettbewerb, sondern zu einem Festpreis. Als Gegenleistung erwartet das Rathaus ein überzeugendes Konzept für das Mietshaus. Bernd Kastner

München Modell, das: Es ist eines der Programme, mit denen die Stadt Menschen unterstützen will, die sich München kaum leisten können. Wer zu viel verdient, um Anspruch auf eine Sozialwohnung zu haben, aber zu wenig, um sich die Preise auf dem Münchner Mietmarkt zu leisten, kann sich nach einer Wohnung umsehen, die im München Modell gebaut und vermietet wird. Die Anfangsmiete im Neubau liegt laut Stadt bei rund zwölf Euro kalt pro Quadratmeter. Um zumindest eine theoretische Chance auf eine solche Wohnung zu haben, braucht man zunächst eine Bescheinigung des Wohnungsamtes. Man darf nicht zu viel verdienen. Die Einkommensgrenzen für eine München-Modell-Wohnung liegen bei etwa 41 000 Euro für einen Ein-Personen-Haushalt oder gut 92 000 Euro für einen Vier-Personen-Haushalt. Hat man den Schein, kann man in zwei Bereichen nach einer freien Wohnung suchen: Im München Modell Miete werden gewöhnliche Mietwohnungen angeboten. Beim München Modell Genossenschaften muss man Mitglied in der Genossenschaft sein, bei der man einziehen will. Bernd Kastner

Vollanschlussgebiet, das: Im Herbst türmen sich am Rand der Isar-Brücken regelmäßig die Laubberge. Aufgehäuft sind sie von den Mitarbeitern des städtischen Baureferats. Der Münchner Straßenreinigungsbetrieb spritzt, fegt und schiebt jährlich fast 6000 Tonnen Kehricht aus der Stadt. Allerdings nur aus den Vierteln, die zum sogenannten Vollanschlussgebiet gehören. Dort hat die Stadt eine Reinigungs- und Sicherungspflicht. Das heißt, dass sie Straßen, Gehsteige und öffentliche Plätze nicht nur von Laub oder Müll befreien, sondern im Winter auch Schnee räumen und gegen Glätte streuen muss. Das Vollanschlussgebiet entspricht in etwa dem Gebiet innerhalb des Mittleren Rings. Darüber hinaus gehört das Pasinger Zentrum dazu. Straßen innerhalb des Vollanschlussgebiets sind noch einmal in unterschiedliche Reinigungsklassen (F, 3, 2, 1, 1+, S) unterteilt, was sich entsprechend auf die jährlichen Straßenreinigungsgebühren auswirkt. Eine Straße der Klasse F, wie der Authariplatz zum Beispiel, wird ein Mal pro Woche gereinigt. In der S-Klasse der Münchner Straßen - etwa der Augustinerstraße - rollt täglich ein Putztrupp an. Überall sonst sind die Grundstückseigentümer in der Pflicht und müssen selbst Schneeschaufel oder Feger in die Hand nehmen. Lea Kramer

Tradition

München-Glossar: Der Schäfflertanz soll 1517 erfunden worden sein - und getanzt wird er bis heute.

Der Schäfflertanz soll 1517 erfunden worden sein - und getanzt wird er bis heute.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Schäfflertanz, der: Der Legende nach soll der Schäfflertanz 1517 erfunden worden sein, als München wegen einer Pest-Epidemie darniederlag - da sollen ein paar Schäffler, also Fassmacher, die Bürger durch einen skurrilen Tanz wieder aufgeheitert und ent-deprimiert haben. Das Problem dabei: Für 1517 oder die Jahre drumherum ist kein Pest-Ausbruch in München verzeichnet. Trotzdem tanzen die Schäffler alle sieben Jahre, so will es die Tradition, ihren Rundtanz mit den Tanzreifen, die komplizierte Figuren formen. War die Teilnahme anfangs auf unverheiratete Schäfflergesellen mit makellosem Leumund beschränkt, so durften bald auch Verheiratete und schließlich auch Branchenfremde teilnehmen - die tatsächlich vorhandenen Handwerker hätten für eine vollständige Besetzung nicht ausgereicht. 2022 tanzten die Schäffler außerplanmäßig als Reaktion auf die Corona-Pandemie. Das nächste reguläre Schäffler-Jahr ist 2026. Stephan Handel

Kocherlball, der: Die Kocherl, das Gesinde, die Mägde, Knechte, Dienstboten, wollten ja auch mal ausgelassen tanzen und feiern - nur wann, wenn sie von früh bis spät in ihre dienstlichen Pflichten eingespannt waren? Na, noch früher als früh - so entstand um das Jahr 1880 im Biergarten am Chinesischen Turm im Englischen Garten der Kocherlball: Jeden Sonntag von fünf bis acht Uhr morgens wurde getanzt und gefeiert - so extensiv offenbar, dass die Vergnügung 1904 wegen Unsittlichkeit verboten wurde. 1989, zum 200-Jahr-Jubiläum des Englischen Gartens, wurde die Tradition wieder eingeführt. Seitdem treffen sich an einem Sonntagmorgen im Juli bis zu 15 000 Münchner am Chinaturm, um zu trinken, zu feiern und traditionell bayerisch zu tanzen. Stephan Handel

Moriskentänzer, die: Um das Jahr 1480 schuf der Holzbildhauer Erasmus Grasser die zehn Figuren, die heute zum wertvollsten Besitz der Stadt München zählen: Die Moriskentänzer sind in ihrer grotesken Eleganz, ihrer komischen Virtuosität ein Höhepunkt gotischer Holzschnitzerkunst. Sie waren vorgesehen für den Saal des Alten Rathauses, wo sie auf Podesten über den Anwesenden thronten. 1842 schenkte die Stadt vier davon dem Bildhauer Ludwig von Schwanthaler, weil er unentgeltlich Bronzen berühmter Wittelsbacher für den Saal angefertigt hatte. Schwanthaler aber verkaufte die Figuren an den italienischen Conte Palavicini-Barrocco. Der Münchner Magistrat bemühte sich jahrzehntelang um einen Rückkauf, der schließlich 1887 endlich gelang, für 8000 Franc kehrten die maurischen Springtänzer nach Bayern zurück. 1928 wurden die Originale aus dem Rathaussaal entfernt und durch Kopien ersetzt. Grassers Figuren wurden restauriert und schließlich dem Stadtmuseum übergeben, wo sie bis heute zu sehen sind. Stephan Handel

Filser-Ball, der: Wer wüsste es besser als die Münchner: Exklusiv sein ist alles. Der Eintritt ins P1, ein Tisch im Schumann's, eine Ehrenkarte für die Allianz Arena - "in ist, wer drin ist", hieß es schon in Helmut Dietls "Kir Royal". So gesehen ist es schon eine der höchsten Weihen der Stadt, eine Karte für den Filser-Ball zu ergattern. Dazu muss man erst einmal einen der auf 49 Männer begrenzten "Filser-Buam" kennen, und der muss den Aspiranten dann auch noch für würdig erachten, ein Ticket verkauft zu bekommen. Begonnen hat der Verein der Filser-Buam vor gut 50 Jahren als Stammtisch. Der Name kommt daher, dass der Vater eines Stammtischbruders einmal meinte, sie redeten ja daher "wie dem Filser seine Buam". Gemeint waren die Kinder von Josef Filser, eine von Ludwig Thoma erfundene literarische Figur eines erzkonservativen Landtagsabgeordneten. Wenn sie nicht gerade ihren großen Faschingsball feiern, machen sich die Filser heute durch Hilfsaktionen nützlich. Stephan Handel

Hofbräuhaus, das: Ganz unbescheiden nennt sich das Münchner Hofbräuhaus "das berühmteste Wirtshaus der Welt" - und womöglich stimmt das sogar: Wo immer in der Welt Menschen nach ihren Assoziationen zu Bayern befragt werden, findet sich das Hofbräuhaus nicht weit hinter dem Oktoberfest und Schloss Neuschwanstein. Herzog Wilhelm V. gab 1589 den Bau in Auftrag - um den Hof in der Bierversorgung autark zu machen und nicht auf Importe aus anderen Ländern angewiesen zu sein. Das erste Hofbräuhaus stand im Bereich des Alten Hofs in der heutigen Sparkassenstraße. 1607 zog es an den jetzigen Standort am Platzl, zunächst nur als Sudstätte, von 1828 an auch mit Bewirtung. Heute zählt das Hofbräuhaus täglich bis zu 35 000 Besucher, und der bayerische Staat, dem es gehört, freut sich über jährliche Gewinne in zweistelliger Millionenhöhe. Dass das Hofbräuhaus nichts anderes sei als eine Touristenfalle, können nur sehr unwissende Menschen behaupten: Mehr als 100 Stammtische zeigen die Verbundenheit der Münchner mit ihrem Wirtshaus Nr. 1. Stephan Handel

Verkehr

München-Glossar: Manchmal läuft es verkehrt beim Münchner Verkehr.

Manchmal läuft es verkehrt beim Münchner Verkehr.

(Foto: Stephan Rumpf)

Stammstrecke, die: Der Begriff "Stammstrecke" weckt heute in München bei vielen Passagieren negative Assoziationen wie "Stillstand", "Verspätung" oder "Ausfälle". Dabei war die Stammstrecke der S-Bahn, als sie am 28. Mai 1972 offiziell in Betrieb ging, eine Revolution für den Verkehr im Raum München. Kamen die Pendler früher mit den Vorortbahnen zum Haupt- oder Ostbahnhof und mussten dann in andere Verkehrsmittel umsteigen, so fuhren alle Linien nun auf einer einzigen Trasse durch die ganze Stadt, wobei auch das Zentrum mit den Haltestellen Stachus, Marienplatz und Isartor sehr gut angebunden ist. Waren die Takte anfangs noch dünner, verkehren zwischen Ostbahnhof und Pasing heute bis zu 30 Züge pro Richtung und Stunde, auf keiner Eisenbahnstrecke in Europa gibt es eine höhere Zugdichte. Aber genau diese dichte Taktung verursacht die Probleme. Schon kürzere Störungen, etwa an den Türen, wirken sich oft noch stundenlang auf nachfolgende Züge aus. Nur indem die Bahn Züge ausfallen lässt, kommt sie wieder in den Takt. Die zweite Stammstrecke soll eine Entlastung bringen. Doch wie sich 2022 herausgestellt hat, wird das voraussichtlich noch bis 2037 dauern. Es ist sowohl ein verkehrspolitisches wie auch ein finanzielles Debakel: Die Kosten steigen von 3,8 Milliarden auf mehr als sieben Milliarden Euro. Ein Untersuchungsausschuss im Landtag soll nun unter anderem klären, seit wann die Staatsregierung von den Kostensteigerungen und Terminverzögerungen wusste, ob und was sie dagegen unternommen hat und warum die Öffentlichkeit erst so spät informiert wurde. Übrigens gibt es genau genommen noch drei weitere Stammstrecken in München, und zwar jene, auf denen die U-Bahnen im Zentrum verkehren. U1 und U2, U3 und U6 sowie U4 und U5 teilen sich jeweils eine Trasse. Doch die sind weitaus weniger skandalträchtig. Andreas Schubert

Mittlerer Ring, der: Die Bundesstraße mit dem offiziellen Namen B2R ist die verkehrsreichste Straße der Stadt, eine der stauträchtigsten und stellenweise die schmutzigste Strecke Deutschlands. Bis zu 141 000 Fahrzeuge täglich zählte die Stadt im Jahr 2021 im Durchschnitt. Da ist es auch kein Wunder, dass ausgerechnet am Mittleren Ring die EU-weiten Grenzwerte für die Stickstoffdioxid-Belastung seit Jahren überschritten werden. Von Februar an gilt deshalb fast auf dem ganzen Ring ein Fahrverbot für alte Diesel, allerdings mit vielen Ausnahmen. Der Mittlere Ring, der seinen Namen der Lage zwischen dem Altstadtring und dem äußeren, nicht fertig gebauten Ring verdankt, wurde seit Anfang der Fünfzigerjahre gebaut und 1972, pünktlich zu den Olympischen Spielen, fertig - zumindest vorläufig. Denn eine Baustelle blieb er: Erst 1984 wurde der Trappentreutunnel eröffnet, an einer Stelle, wo der Ring eine 39 Meter breite Schneise durchs Westend geschlagen hatte. 1988 brachte der Brudermühltunnel Entlastung, wo vorher der Verkehr oberirdisch auf einer Stahlbeton-Brücke an den Fenstern der Anwohner vorbeirollte. Beim ersten Bürgerentscheid der Stadt im Jahr 1996 stimmten die Münchnerinnen und Münchner mit knapper Mehrheit dann für drei weitere Tunnel. 2002 wurde der Petueltunnel eröffnet, es folgten der Richard-Strauss-Tunnel 2009 sowie der Luise-Kiesselbach- und Heckenstallertunnel 2015. Weiteren Tunnelplänen für den Ring hat die aktuelle grün-rote Stadtratsmehrheit eine Absage erteilt. Andreas Schubert

Radlring, der: Eigentlich Altstadt-Radlring. 2019 stimmten bei einem Bürgerbegehren 70 000 Münchnerinnen und Münchner für eine Fahrradroute, die entlang des bestehenden Altstadtrings nah um das Zentrum herum führen soll. Vorgabe sind eine Regelbreite von 2,80 Meter und eine Mindestbreite von 2,30 Meter pro Fahrtrichtung zuzüglich seitlicher Sicherheitsabstände. Der Altstadt-Radlring soll die zentralen Radwege in die Innenstadt miteinander verbinden und eine Drehscheibe für die geplanten Radschnellwege ins Umland sein. Drei Teilstücke sind schon befahrbar: An der Blumenstraße, am Thomas-Wimmer-Ring und am Lenbachplatz. Letzteres hat das Baureferat auf Beschluss des Stadtrats grün eingefärbt, was bei der CSU nicht sonderlich gut ankam. Sie witterte Geldverschwendung und parteipolitische Gründe. Die Grünen, so behaupteten die Schwarzen, wollten sich mit der Farbe des Radwegs selbst verewigen. Der Altstadt-Radlring sollte laut Beschluss 2025 fertig sein. Das ist ein sportliches Ziel, das sich kaum einhalten lässt. Von den 10,3 Kilometern Strecke sind aktuell gerade einmal 1200 Meter umgesetzt. Andreas Schubert

Vorhaltebauwerk, das: Vergangenes Jahr war viel vom Vorhaltebauwerk für die künftige U-Bahn-Station der U9 am Hauptbahnhof die Rede und es wird auch weiterhin ein Thema bleiben. Das Wort lässt ahnen, welche Schwierigkeiten manche Menschen haben dürften, wenn sie Deutsch lernen wollen. Ist das Vorhaltebauwerk ein Bauwerk, das man etwa einem Architekten vorhalten kann, weil es grandios misslungen ist? Oder hält das Bauwerk selbst etwas vor, einen Erker vielleicht oder einen Carport? Der Duden macht einen da nicht schlauer, unter "Vorhalt" und "vorhalten" versteht das Nachschlagewerk etwas völlig anderes als es die Verkehrsplaner in München meinen. Das Vorhaltebauwerk - auch die U5 soll übrigens eines in Freiham bekommen - ist ein Rohbau, der lange vor seiner geplanten Nutzung errichtet wird, in den genannten Fällen als U-Bahnhof. Der Grund ist, dass es zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr möglich oder sehr aufwendig ist, die Bahnhöfe nachträglich zu bauen, da drumherum vorher andere Bauwerke entstehen. Im Fall der U9 ist es die zweite S-Bahn-Stammstrecke und das neue Empfangsgebäude des Hauptbahnhofs, um den künftigen Freihamer U-Bahnhof entsteht Wohnbebauung. Sucht man im Netz nach "Vorhaltebauwerk", findet man fast ausschließlich Treffer, die sich auf die Münchner Vorhaben beziehen. Auch in anderen Sprachen gibt es kein Pendant, vielleicht hält das Vorhaltebauwerk ja irgendwann Einzug ins Englische, wie es vorher schon unter anderem der "Zeitgeist" und der "Kindergarten" geschafft haben. Es wäre auf jeden Fall interessant zu hören, wie die Aussprache dann klingt. Andreas Schubert

Sperrengeschoss, das: Das Deutsche kennt viele sperrige Begriffe wie zum Beispiel Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz oder Planfeststellungsbeschluss. Ein typisches sperriges Münchner Wort ist das Sperrengeschoss, das man andernorts eher nicht so nennt. Gemeint ist die Verteilerebene (klingt auch nicht viel besser) oder das Zwischengeschoss über den Bahnsteigen. Unter dem Marienplatz oder im Hauptbahnhof sind die Sperrengeschosse kleine Einkaufszentren mit Imbissbuden, Apotheken oder Kiosken. Auch am U-Bahnhof Sendlinger Tor, dessen Umbau diesen Herbst endlich abgeschlossen sein soll, wird das Sperrengeschoss künftig deutlich mehr Geschäfte beherbergen als früher. Der Begriff selbst stammt aus der Frühzeit des Bahnverkehrs, als Passagiere nur mit einer gültigen Fahrkarte in den abgesperrten Bereich des Bahnhofs und dann zu den Zügen gelangten, die Tickets wurden an den Sperren kontrolliert. Während die Bahnhöfe in München heute frei zugänglich sind, müssen die Fahrgäste in vielen anderen Städten wie London, Paris oder Lissabon noch heute mit ihren Tickets die Absperrungen zur Bahnsteigebene öffnen. Andreas Schubert

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