Ciao Chang:Ein Stüberl Japan

Lesezeit: 4 min

Die Spieße werden hier über offenem Feuer gegrillt. (Foto: Robert Haas)

Das Ciao Chang im Glockenbachviertel will Fernöstliches mit bayerischer Gemütlichkeit vereinen. Doch wie sieht "kind of izakaya" auf dem Teller aus?

Von Max Murke

Aus nicht weiter ersichtlichen Gründen wird ausgerechnet die puristische, bergseeklare Küche Japans immer wieder mit anderen Landesküchen vermengt und, wenn's blöd läuft, auch verwässert. Auf den Speisekarten und Insta-Kacheln heißt das dann Fusion oder Crossover, und in wirklich sehr vielen dieser Lokale sind die Gerichte ein mittleres Unglück. Ab und zu geht die Gleichung aber auf. Im Nomiya zum Beispiel, jenem Restaurant in Haidhausen, das mehr als zwanzig Jahre eine sehr eigene, bayerisch-japanische Küche serviert hat, ehe es im Frühjahr 2020 schließen musste.

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Seit einem halben Jahr gibt es in München jetzt das Ciao Chang, das sein Feld sehr ähnlich abgesteckt hat. Das bayerische und japanische Gerichte zerlegt, ummodelt, neu zusammensetzt und dabei darauf schaut, dass die Zutaten nicht um die halbe Welt gekarrt werden, sondern der Tofu aus Walpertskirchen kommt, das Wagyu vom Tegernsee, die Kartoffeln aus Moosinning. Die beiden Betreiber, Viet-Dúc Nguyen und Daniel Wäcker, sind dabei keine Unbekannten. Der eine, Nguyen, stammt aus einer vietnamesischen Gastro-Familie, die in München unter anderem das Koriander und das Jaadin Grillhouse betreibt; der andere, Wäcker, hat vorher die Kaffeebar "Junge Römer" mitgegründet. Jetzt also das Ciao Chang, in der Holzstraße im Glockenbachviertel. In den Räumlichkeiten war früher die legendenumrankte Wirtschaft "Beim Franz", noch früher kehrten hier Freddie Mercury und Rainer Werner Fassbinder ein. Ein holzvertäfeltes Stüberl, bunte Lampions, liebevoll zusammengesammelte Vasen und Deko-Gimmicks - man braucht nicht lange, sich wohlzufühlen, auf der Terrasse draußen schon zweimal nicht.

Der Service ist angenehm unkompliziert und zugewandt. (Foto: Robert Haas)

Kurzer Blick auf die Karte, untertitelt ist das alles mit dem Slogan "kind of izakaya", was zum einen auf die japanischen Sake-Lokale verweist, zum anderen natürlich alles offenlässt. Höchste Zeit, zu schauen, wie "kind of izakaya" auf dem Teller aussieht. Die Vorspeisen stehen unter "Ois Umami" auf der Karte, nur falls jemand noch nicht gemerkt hat, dass es hier um Bayern und Japan geht. Da wäre zum Beispiel das Gurken-Kimchi mit Wassermelone, Ingwer, Chili und Sesam (6 Euro), das genauso schmeckt, wie es klingt: erfrischend und gut, einzig die Melone dürfte beim nächsten mal etwas reifer und geschmackvoller sein. Sehr schön das Wammerl Bao (7 Euro), bei dem der Bauch vom Strohschwein gut mit dem süßlichen Hefeteig zusammengeht, die Teriyaki-Soße die klassische Braten-Jus ersetzt und ein paar Erdnüsse noch etwas Crunch mitbringen. Noch besser der Blumenkohl Karaage (8 Euro), den sie hier zu Recht an jedem zweiten Tisch empfehlen. Der Kohl behält seinen Biss und gerät trotz des Frittierens nicht fettig, der Teig ist dick genug, um saftig zu bleiben, die Trüffelmayonnaise tut ihr Übriges. So dürfte es gern weitergehen.

Der Service ist angenehm unkompliziert und zugewandt, die Gerichte sind zum Teilen gedacht und werden kreuz und quer über den Tisch verteilt. Als nächstes die Yakitori-Spieße. Die Schwammerl (6 Euro), in diesem Fall Egerlinge und Kräuterseitlinge, sind über offenem Feuer gegrillt, der geröstete Knoblauch ruft einem aber die Worte des bayerischen Großdenkers Gerhard Polt in Erinnerung: Braucht's des? Die Scheibchen sind nicht wirklich kross, kleben stattdessen am Backenzahn und wirken zusammen mit den Pilzen etwas muffig. Dann lieber die Wagyu-Pflanzerl (9 Euro), denen das Feuer schöne Röstnoten verpasst hat, dazu eine Art Tischmayo zum selbst anrühren: ein rohes Eigelb mit Sojasoße.

Womit wir bei den Hauptgängen angelangt wären, die hier "Geiles Zeugs" heißen. Schade nur, dass die Entenfetzen (17 Euro) eher ungeil sind. Zwar freut man sich, dass das Blaukraut ganz unweihnachtlich, eher kohlig daherkommt, auch an den Ramennudeln mit Nussbutter gibt's nichts auszusetzen. Das Fleisch dürfte aber deutlich saftiger sein, und auch die Edamame und das Nori-Blatt liegen eher zusammenhanglos auf dem Teller.

Erfrischend und antialkoholisch: die selbstgemachte Limonade. (Foto: Robert Haas)

Beim Sashimi vom Saibling (15 Euro) hat der Fisch aus dem Isartal einen zarten Schmelz, die Apfelscheiben flankieren ihn angemessen, genauso die Radieschen und die Ponzusoße. Fragt sich nur, warum es dazu noch eine Soße von süßem Senf und Honig braucht? Der Senf macht sich so breit, dass der zarte Fisch nicht mehr wirklich Platz hat. Harmonischer ist da die Bachforelle mit Mangold und Aprikose (18 Euro), ein andermal probieren wir das Roastbeef vom Almrind aus dem Chiemgau (18 Euro), bei dem der geröstete Knoblauch sehr viel besser funktioniert, weil er röscher ist als bei den Pilzen, und weil er gut zur Trüffelmayonnaise passt.

Der Yuzu Cheesecake (8 Euro) zum Abschluss ist wunderbar cremig, und der Arme Samurai (8 Euro) - eine Abwandlung des Armen Ritters, was sonst - macht auch beim zweiten Besuch Spaß, was nicht zuletzt an der Verbindung zwischen Misokaramell und Sauerrahm liegt. Dass also die Gleichung Bayern und Japan aufgehen kann, zeigt die Küche im Ciao Chang schon jetzt. Dass bei dem einen oder anderen Teller noch Luft nach oben ist, zeigt sie aber auch.

Ciao Chang , Holzstraße 41, 80469 München, Telefon: 089/926 556 84, Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 17.30 bis 23.30 Uhr

Die SZ-Kostprobe

Die Restaurant-Kritik "Kostprobe" der Süddeutschen Zeitung hat eine lange Tradition: Seit 1975 erscheint sie wöchentlich im Lokalteil, seit einigen Jahren auch Online und mit einer Bewertungsskala. Etwa ein Dutzend kulinarisch bewanderter Redakteurinnen und Redakteure aus sämtlichen Ressorts - von München, Wissen bis zur Politik - schreiben im Wechsel über die Gastronomie in der Stadt. Die Auswahl ist unendlich, die bayerische Wirtschaft kommt genauso dran wie das griechische Fischlokal, die amerikanische Fast-Food-Kette, der besondere Bratwurststand oder das mit Sternen dekorierte Gourmetlokal. Das Besondere an der SZ-Kostprobe: Die Autorinnen und Autoren schreiben unter Pseudonym, oft ist dies kulinarisch angehaucht. Sie gehen unerkannt etwa zwei- bis dreimal in das zu testende Lokal, je nachdem wie lange das von der Redaktion vorgegebene Budget reicht. Eiserne Grundregeln: hundert Tage Schonfrist, bis sich die Küche eines neuen Lokals eingearbeitet hat. Und: Nie bei der Arbeit als Restaurantkritiker erwischen lassen - um unbefangen Speis und Trank, Service und Atmosphäre beschreiben zu können.

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