Süddeutsche Zeitung

Café Tabula Rasa:Ein Kuchen, den man sofort heiraten will

Im Café Tabula Rasa erlebt man ein Glockenbachviertel, wie es vor Jahrzehnten wohl gewesen sein muss: herrlich improvisiert und kein bisschen durchgestylt. Und dann sind da noch diese selbstgebackenen Kuchen.

Von Martin Moser

Viele Orte gibt es nicht mehr in Münchens Gastronomie, die nicht völlig durchgestylt sind, die ein bisschen bröckeln und improvisiert wirken. Wenn man dann so einen entdeckt hat, schließt man ihn schnell ins Herz: Einfach weil alles nicht ganz perfekt ist und weil man dort selbst nicht makellos sein muss, um zum Drumherum zu passen. Beim Café Kosmos stellt sich dieser Effekt ein, oder in der Favorit Bar - und eben auch im Tabula Rasa.

Das kleine Café liegt am Holzplatz im Glockenbachviertel. Ein paar Metalltischchen und Stühle stehen auf dem Bürgersteig, sonst könnte man es fast übersehen. Drinnen sieht es aus, wie in der Küche von guten Freunden, die zu sich nach Hause eingeladen haben. Das Geschirr stapelt sich in Regalen hinter dem Tresen, daneben eine Kuchenform, Tulpen, Nelken und ein undefinierbares Blumengebinde, das nach Mitbringsel-Geschenk aussieht. Weinflaschen stehen im Wandregal, die ein oder andere ist schon angebrochen. Kaum ein Stuhl gleicht dem anderen, hinter dem Kühlschrank liegen noch drei Bierkästen - von der vergangenen Party, oder schon für die nächste?

Was gibt es da und was kostet es?

Das Highlight dieses Cafés sieht man sofort beim Reingehen: die selbstgemachten Kuchen (für 3,30 Euro das Stück). Frisch gebacken liegen sie in der Vitrine, noch mit Backpapier umhüllt: Schokotarte, Apfel-Mohn-Käsekuchen, Kirsch-Käsekuchen und: der Pflaumenstreusel. Für den allein schon sollte man ins Tabula Rasa gehen. Danach will man ihn ein Leben lang nicht mehr missen.

Die Frühstückskarte ist dagegen recht bodenständig. Für 8,50 Euro gibt es zum Beispiel das große Frühstück. Italienischer und französischer Käse ist vom großen Stück heruntergeschnitten und auf einem Teller angerichtet. Dazu gibt es Salami, Schinken und nach Wahl Croissant oder ein Bio-Ei. Die Marmelade wird in kleinen Schüsselchen serviert, die Butter auf kleinen Tellern. All das erinnert an einen liebevoll gedeckten Frühstückstisch, von dem man sich bedienen darf.

Bestellt man Rührei, wird das auf einem Herd im Gastraum zubereitet. Man sieht die Köchin die Zutaten schnipseln und man riecht schon, was da gleich auf den Tisch kommt. Zur Wahl stehen vier Varianten: Tomate mit Pesto, Parmesan-Rucola, Avocado-Tomate oder Serrano-Tomate (ab 5 Euro pro Portion).

Wer sollte da hingehen?

Wer ausgefallene Frühstücks-Bowls mit exotischen Zutaten erwartet, ist sicherlich falsch im Café Tabula Rasa. Schnickschnack ist überflüssig. Im Vordergrund steht hier das Gefühl, mitten im Glockenbachviertel zu sitzen, durch die Fenster auf dem Holzplatz zu beobachten, wie eine Dame ihren Hund Gassi führt, wie Kunden aus dem Barbershop schräg gegenüber kommen, wie sich der Nachbar einen schnellen Kaffee gönnt - und man mitten in dieser Welt dabei sein darf. Ganz banal und sicherlich ein bisschen unperfekt.

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