Süddeutsche Zeitung

Gender Award 2019:München für Erfolge bei der Gleichstellung ausgezeichnet

  • Am Montagnachmittag wurde in Berlin der Gender Award 2019 verliehen, bei dem München den ersten Preis gewann.
  • Nicole Lassal, die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt München, nahm den Award zusammen mit Stadträtin Ulrike Grimm (CSU) entgegen.
  • Laut Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) zeige der Award, dass die Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit für München keine hohle Phrase, "sondern tägliche Verpflichtung für die Verwaltung ist".

Von Thomas Jordan

Bei ihrem Grußwort schien sich die Bundesfamilienministerin vor lauter Begeisterung gar nicht für eine Lobesformel entscheiden zu können: "Ein leuchtendes Ausnahmevorbild" sei München in Bayern in Bezug auf die Gleichstellung von Frauen, sagte Franziska Giffey (SPD) am Montagnachmittag in Berlin. Der Anlass für die Lobeshymne der Ministerin war die Verleihung des Gender Award 2019, bei dem die bayerische Landeshauptstadt den ersten Preis gewonnen hat. Der undotierte Preis wird von der Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen in Deutschland (BAG) in diesem Jahr zum dritten Mal vergeben. Er füllt eine Lücke: Gewürdigt werden strategische Konzepte von Kommunen, um die Gleichstellung von Frauen zu fördern.

Tatsächlich ist München deutschlandweit führend, wenn es darum geht, Frauen in der Verwaltung und in der Stadtpolitik zu fördern. Von den Beschäftigten der Landeshauptstadt in Führungspositionen sind knapp 49 Prozent weiblich, bei den Politikerinnen und Politikern im Stadtrat liegt der Frauenanteil bei 45 Prozent. 2018 wurde ein weiterer Schritt getan: Der Stadtrat beschloss eine freiwillige Selbstverpflichtung für eine Geschlechterquote bei der Besetzung von Gremien mit Stadtratsmitgliedern. So muss bei drei Stadträten, die etwa in Aufsichtsräte städtischer Firmen entsendet werden, mindestens eine Frau dabeisein, bei vier Stadträten müssen es mindestens zwei Frauen sein.

Nicole Lassal, die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt München, die in Berlin den Gender Award 2019 zusammen mit der Stadträtin Ulrike Grimm (CSU) entgegennahm, ist darauf besonders stolz: "Ich kenne keine andere Kommune, die das hat", sagte Lassal in Berlin, wenn man einmal von Stadtstaaten wie zum Beispiel Hamburg absehe. Als Erfolge nennt Lassal auch, dass in München seit einiger Zeit als sexistisch eingestufte Werbung verboten ist - und mit der Ausgabe von Gutscheinen für Frauennachttaxis in der Landeshauptstadt auch die Sicherheit von Frauen verbessert wird.

Dass die Gleichstellungsstelle in München so viel bewirken kann, hat auch einen strukturellen Grund: Das bayerische Gleichstellungsgesetz ermöglicht es Kommunen, sich größere Mitwirkungsrechte bei diesem Thema zu sichern. "Wir können uns bei allen Stadtratsangelegenheiten, die gleichstellungsrelevant sind, beteiligen", sagt Lassal. Das sind laut Lassal etwa 100 Beschlüsse pro Jahr. Mitunter ist das harte Gremienarbeit, oder, wie es die Gleichstellungsbeauftragte formuliert: "Viele kleine Mosaiksteinchen, die immer wieder kleine Fortschritte bedeuten können." So habe man sich etwa beim Ausbau von Ganztagsangeboten an Schulen dafür eingesetzt, dass geschlechtergerechte Angebote gemacht werden: Zum Beispiel Selbstbehauptungskurse, bei denen Mädchen lernen, sich besser durchzusetzen.

Ein Grund dafür, dass München bei der Frauenförderung im bundesweiten Vergleich so gut dasteht, liegt aber auch darin, dass Gleichstellung hier seit mehr als drei Jahrzehnten in der Stadtpolitik institutionalisiert ist. So ging die Einrichtung einer Gleichstellungsstelle 1985 noch auf den inzwischen verstorbenen Alt-Oberbürgermeister Georg Kronawitter (SPD) zurück. Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sagte dazu, der Award zeige, dass die Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit für die Landeshauptstadt München keine hohle Phrase, "sondern tägliche Verpflichtung für die Verwaltung ist".

"Chapeau", rief Maria Unger, die ehemalige Bürgermeisterin der Stadt Gütersloh, der Münchner Delegation bei ihrer Laudatio im Bundesfamilienministerium zu. Zugleich hatte das Jurymitglied Unger bei allem Lob aber auch zwei Stellen ausfindig gemacht, bei denen auch in München beim Thema Gleichstellung noch Verbesserungen möglich sind. "In der Väterarbeit ist noch Luft nach oben", sagte Unger und verwies zudem darauf, dass sie einen "Fokus auf Migranten" bei den Münchner Bewerbungsunterlagen für den Gender Award nicht habe entdecken können.

Dass noch viel zu tun ist, weiß auch die Münchner Gleichstellungsbeauftragte. Bald will Lassal einen Aktionsplan gegen geschlechtsspezifische Gewalt in den Stadtrat einbringen, um etwa das Angebot an Frauenhäusern zu verstärken. Damit dürfte sie bei Franziska Giffey auf offene Ohren stoßen. Denn die Bundesfamilienministerin kündigte im Rahmen der Preisverleihung an, in der nächsten Zeit 120 Millionen Euro ausgeben zu wollen, um die Frauenhaus-Infrastruktur zu verbessern.

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SZ vom 10.12.2019/syn
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