"Giesinger Kirchplatz":Wenn Giesing eine Wohnung wäre...

"Giesinger Kirchplatz": Momentan gibt es am Giesinger Berg nur für Fußgänger und Fahrradfahrer eine Unterführung.

Momentan gibt es am Giesinger Berg nur für Fußgänger und Fahrradfahrer eine Unterführung.

(Foto: Catherina Hess)

Dann könnte der Giesinger Berg das Wohnzimmer sein. Eine Bürgerinitiative fordert, den Verkehr dort in den Untergrund zu legen, um Platz für einen öffentlicher Raum zu schaffen.

Von Ilona Gerdom

Der Giesinger Clemens Marschner stellt sich sein Viertel gern als Wohnung vor. "Das Treppenhaus" wäre dann der Punkt am Giesinger Berg, an dem Icho-,Silberhorn- und Martin-Luther-Straße aufeinandertreffen. "Dabei könnte er das Wohnzimmer sein", findet Marschner. Deshalb hat er eine Bürgerinitiative (BI) gegründet. Die Idee: den Autoverkehr zwischen Heilig-Kreuz- und Luther-Kirche nach unten verlegen, damit oben ein öffentlicher Ort entsteht - der "Giesinger Kirchplatz".

An der großen Kreuzung gibt es schon jetzt eine Unterführung - aber für Fußgängerinnen und Fußgänger. An ihrer Stelle stellt sich der 44-jährige Informatiker vor, dass die Straße zirka dreieinhalb Meter tiefer gelegt wird. Die Autos würden also durch einen Tunnel fahren. Statt ebenerdiger Weggabelung gäbe es einen unterirdischen, zweispurigen Kreisverkehr mit 50 Metern Durchmesser. Mit einer Säule in der Mitte würde er gleichzeitig den Platz oben stützen. Dass solche Autokreisel unter der Erde funktionieren können, zeigen Beispiele aus Dänemark und Norwegen.

Damit man sich besser vorstellen kann, was der 44-Jährige meint, hat er mit einer 3-D-Software ein Modell programmiert. Grundlage dafür seien öffentlich zugängliches Kartenmaterial und ein "sehr genaues Höhenmodell des Bayerischen Landesamtes für Digitalisierung, Breitband und Vermessung". Die Simulation wird fleißig geklickt: Auf Youtube zählt Marschners Video schon mehr als 1400 Aufrufe. "Super!" und "Sche wars scho" haben Userinnen und User kommentiert.

Fünf Planungsteams erarbeiten derzeit neue Ideen für eine Fußgängerbrücke

Insgesamt habe er "viel positives Feedback" bekommen, erklärt der 44-Jährige. Während den Vorschlag im Netz schon einige kennen, ist die Größe der Bürgerinitiative noch überschaubar. Außer Marschner sind ein Architekt, ein Metallbauer und eine "politisch aktive Sinologin" mit von der Partie.

"Wenn Giesing eine Wohnung wäre", dann wäre der große Kreuzungsbereich auch "das Eck, bei dem man nicht weiß, wie man es einrichten soll". Dass neue Möbel her müssen, steht indes schon länger fest. Gerade weil Fußgängern nur die Unterführung bleibt, um zu queren. Die ist allerdings nicht barrierefrei und stellt deshalb nicht nur für Menschen mit Rollator oder Rollstuhl, sondern auch für Radler ein Problem dar.

Seit Langem gibt es das Bestreben, eine Radler- und Fußgängerbrücke zu bauen. Zwei Entwürfe hatte es bereits gegeben. Im Juli vergangenen Jahres konnte sich der Bauausschuss des Stadtrats jedoch nicht festlegen. Denn keiner der Vorschläge konnte sowohl dem Denkmal- als auch dem Umweltschutz gerecht werden. Fünf Planungsteams sollen neue Lösungsvorschläge zur Abstimmung bis Mitte 2022 erarbeiten. Derzeit ist der Juli im Gespräch.

Die BI fragt sich unterdessen: "Warum hier überhaupt eine Brücke?" Schöner wäre ihrer Meinung nach ein "neues Zentrum". Mit den beiden Kirchen und dem Giesinger Bräu gäbe es bereits eine "große Kulisse" und "Atmosphäre". Marschner sieht schon Hochzeiten, Konzerte, einen Weihnachtsmarkt. Sein Traum: ein Ort, an dem sich Bürger beteiligen und mit dem sie sich identifizieren könnten.

Die FPD im Stadtrat fordert, die Machbarkeit des unterirdischen Kreisels zu prüfen

Dass die Stadtgestaltungskommission gerade erst zwei großen Bauprojekten, die nur etwa 200 Meter entfernt an der Martin-Luther- und Weinbauernstraße liegen, grundsätzlich zustimmte, stört den Giesinger bei seinen Überlegungen nicht. Auch, weil "die Mühlen" beim Kirchplatz "sehr viel langsamer mahlen". Die Gebäude wären wahrscheinlich schon fertig, bevor "am Platz" etwas in Gang käme. Das geplante Hospiz sowie die Wohnanlage könnten sogar profitieren, denkt er: "Je mehr Verkehr unter die Erde kommt, desto besser."

Trotz lobender Kommentare nennt der BI-Gründer seinen Film ein "reines Amateurprojekt, das erste Video, die erste 3-D-Animation". Ihm und seiner Gruppe sei bewusst, "dass hier ziemlich dicke Bretter zu bohren sind". Es brauche "echte Räder, die sich in Bewegung setzen". Zum Beispiel im Stadtrat. Dort hat die Fraktion FDP/Bayernpartei inzwischen einen ersten Antrag gestellt und fordert, dass "die Machbarkeit des Alternativvorschlags eines unterirdischen Kreisels" geprüft werden soll. Mit anderen Lokalpolitikern sei man auch im Gespräch, erklärt Marschner.

Wichtig sei, "keine Fakten zu schaffen, die den Kirchplatz unmöglich machen." Für ihn steht fest: Wenn Giesing eine Wohnung wäre, dann sollte man dem Wohnzimmer wenigstens eine Chance geben. "Wir bleiben dran", kündigt Clemens Marschner an.

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