Vergabe von Gewerbeflächen:Umweltschutz wird stärker gewichtet

Wenn die Stadt Grundstücke an Unternehmen vergibt, werden ökologische Kriterien künftig eine größere Rolle spielen. Hinzu kommt eine Photovoltaik-Pflicht.

Von Anna Hoben

Die Vergabe von städtischen Gewerbeflächen wird sich künftig mehr an ökologischen Kriterien orientieren. Das hat der Wirtschaftsausschuss des Stadtrats nach kontroverser Debatte am Dienstag gegen die Stimmen von CSU und FDP/Bayernpartei beschlossen. Demnach sollen bei den Kriterien die Bereiche Umweltschutz/ökologisches Wirtschaften künftig genauso stark gewichtet werden wie die Kriterien Arbeitsmarkt und Wirtschaftskraft. Die Änderung geht auf einen Antrag der grün-roten Rathauskoalition zurück; die Behörde von Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU) hatte dafür "keine Veranlassung gesehen", wie es in der Beschlussvorlage hieß.

Die Vergabe der knappen städtischen Gewerbegrundstücke an Betriebe erfolgt nach einem Punktekatalog, der zuletzt im Herbst 2019 neu aufgestellt worden war. Bisher am stärksten gewichtet waren die Kriterien im Bereich Arbeitsmarkt (40 von 100 Punkten), es folgten die Bereiche Wirtschaftskraft (35 Punkte) und Umweltschutz/ökologisches Wirtschaften (25 Punkte). Künftig können Betriebe in allen drei Bereichen je 33 Punkte sammeln. Für Umweltschutz/ökologisches Wirtschaften und Arbeitsmarkt gilt nun eine Mindestanforderung von je zehn Punkten. Zudem setzten Grüne/Rosa Liste und SPD/Volt per Änderungsantrag eine Photovoltaik-Pflicht für mindestens 75 Prozent der Dachfläche durch. Ein Viertel dieser Fläche soll optional als Dachbegrünung realisiert werden können.

Die FDP warnt davor, Firmen "Steine in den Weg" zu legen

Die Verwaltung hatte Photovoltaik und Dachbegrünung in der Vorlage lediglich als "wünschenswert" klassifiziert; sie zur Bewerbungsbedingung zu machen, sei aber nicht sinnvoll. Stadträtin Julia Post (Grüne) kritisierte die Beschlussvorlage deshalb als "unambitioniert". Die Energiewende sei nicht nur "ein Hebel, sondern der Hebel". Manuel Pretzl (CSU) sagte, es sei mitnichten so, dass ökologische Kriterien bisher nicht gezählt hätten, "aber sie sind nicht allein seligmachend". Dem stimmte Gabriele Neff (FDP) zu. Bei den Szenarien, die wegen des Kriegs in der Ukraine am Arbeitsmarkt drohten, könne man den Unternehmen nicht noch "Steine in den Weg legen".

Simone Burger (SPD) mahnte zum "Durchatmen". Es gehe um Neubau, "und da brauchen wir Photovoltaik". Tobias Ruff (ÖDP) sagte, man könne nicht in jeder Krise "in Schockstarre verharren und nichts tun". Referent Baumgärtner wies darauf hin, dass es beim Photovoltaik-Ausbau zurzeit vor allem an Material mangele. Man stelle also eine Bedingung auf, die nicht erfüllbar sei - ohne zu wissen, "wann dieser Zustand endet".

Ein Mangel herrscht auch an Flächen, die die Stadt überhaupt für Gewerbe vergeben kann. Seit der jüngsten Änderung der Kriterien 2019 hat die Stadt im Gewerbegebiet Drosselweg in Trudering zwei Grundstücke mit 1000 beziehungsweise 1500 Quadratmetern vergeben sowie im Gewerbegebiet Junkers in Allach elf Parzellen zwischen 1000 und 5000 Quadratmetern. Aktuell stehen laut der Vorlage kaum noch städtische Gewerbeflächen zur Verfügung, auf die das Verfahren angewendet werden kann. Mit dem jüngsten Gewerbeflächenentwicklungsprogramm hat der Stadtrat zwar beschlossen, weitere 35 Hektar Gewerbeflächen zu entwickeln; Baurecht ist aber noch keines geschaffen.

Die Handwerkskammer beurteilt die Neuerungen auf Anfrage teils positiv, teils negativ. Der Punkt Ausbildungsplätze etwa sei viel zu gering bewertet, der Punkt Werkswohnungsbau viel zu hoch, so ein Sprecher. Der Bereich Umweltschutz/ökologisches Wirtschaften müsse "viel genauer formuliert werden".

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