Die Aufarbeitung von Missbrauch soll zur staatlichen Aufgabe werden, unter anderem soll der Freistaat eine bayerische Kommission einrichten. Das fordern Betroffene und Fachleute in einer Landtagspetition. Politische Unterstützung erhalten sie dabei von den zwei wichtigsten Akteuren in diesem Bereich in München: von der Stadt und dem Erzbistum München und Freising.
Die Petition war von einer Gruppe von Missbrauchsbetroffenen und Experten aus dem Raum München über Monate vorbereitet worden. Anfang November wurde sie in einem basisdemokratischen Prozess im Kreis von rund 30 Personen aus ganz Bayern final formuliert. Inzwischen ist der Forderungskatalog online, die Verfasser werben um Unterschriften von Bürgerinnen und Bürgern. „Gewalt an Kindern und Jugendlichen entschlossen entgegentreten“, lautet der Titel.
Bislang ist die Aufarbeitung von Missbrauch abhängig von der jeweiligen Institution, in der es zur Gewalt kam, sei es sexualisiert, physisch oder psychisch. Die Initiatoren nehmen nun den Freistaat und damit die Staatsregierung in die Pflicht, sich aktiv in die Aufarbeitung einzubringen, diese bayernweit zu koordinieren und einheitliche Standards zu schaffen. Die Initiatoren formulieren ihre Forderungen breit: Einbezogen sind Opfer aller Gewaltformen und jeden Alters, also auch Erwachsene, und alle gesellschaftlichen Institutionen, in denen es zu Missbrauch kam, neben den Kirchen und Heimen insbesondere auch Sportvereine und Familien. Neben einer von allen Institutionen unabhängigen Aufarbeitungskommission wird in der Petition ein Landesbeauftragter gefordert und ein Betroffenenrat. Unabhängig und finanziell abgesichert werden soll die Aufarbeitung durch ein Stiftungsmodell.
Die Stadt München unterstütze die Petition ausdrücklich, erklärte ein Sprecher des Sozialreferats auf SZ-Anfrage. Man halte es „für geboten, dass der Freistaat ein Anerkennungssystem auf Landesebene entwickelt“. Die Anerkennung von Gewalt und Missbrauch und damit verbundene monetäre Leistungen „sollten keine freiwilligen Leistungen der jeweiligen Institutionen sein, sondern innerhalb eines Systems möglichst gerecht und transparent“ Betroffenen zugutekommen.
Das Sozialreferat kritisiert die bislang „augenscheinlich ungerechten Konstellationen“: Die eine betroffene Person erhalte Zahlungen von mehreren Institutionen, die andere Person bekomme gar nichts, da die verantwortliche Institution sich weigere oder nicht mehr existiere. Münchens Sozialreferentin Dorothee Schiwy schrieb bereits im Dezember vergangenen Jahres einen Brief an Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) und mahnte mehr staatliches Engagement an. Derzeit gibt es im Sozialministerium eine sogenannte Lotsenstelle, die Betroffene auf passende Einrichtungen hinweist.
Auch die Münchner Erzdiözese unterstützt den Ruf nach einem koordinierenden Engagement des Freistaats. Man begrüße es, teilt ein Bistumssprecher mit, wenn Aufarbeitung und Prävention von Missbrauch „als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe betrachtet wird“. Und wenn der Staat „eine stärkere Rolle“ beim Festlegen von Standards und Richtlinien spiele. Auf Bundesebene arbeite die katholische Kirche „konstruktiv“ mit der Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung zusammen. Den Initiatoren der aktuellen Petition schwebt für Bayern ein ähnliches System wie im Bund vor.