Süddeutsche Zeitung

DAK-Gesundheitsreport:Nur in Starnberg lebt es sich noch gesünder als in München

Lesezeit: 2 min

Von Thomas Anlauf, München

Die gute Nachricht ist: Die Münchner sind ziemlich gesund. Nur 2,9 Prozent waren im vergangenen Jahr so krank, dass sie nicht arbeiten oder ihrer Ausbildung nachgehen konnten. Nur die Menschen in den Landkreisen München und Starnberg sind noch fitter. Dort lag 2017 der Krankenstand bei jeweils 2,6 Prozent. Bayernweit liegt die Quote bei 3,6 Prozent, bundesweit sogar bei 4,1 Prozent. Das geht aus dem Gesundheitsreport der Krankenkasse DAK hervor, der am Dienstag vorgestellt wurde. Es gibt aber auch eine alarmierende Entwicklung in der Stadt: Erstmals waren psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angstzustände die häufigsten Gründe, weshalb sich Münchner krankschreiben ließen.

Mehr als jeder fünfte Fehltag geht auf psychische Probleme zurück, hat die DAK bei ihren knapp einhunderttausend Versicherten in München analysiert. In den vergangenen Jahren lag diese Diagnose noch hinter Muskel-Skelett-Beschwerden, die mittlerweile 18,2 Prozent der Krankmeldungen ausmachen. Platz drei der Krankheitsbilder belegen Atemwegserkrankungen, dahinter folgen Verletzungen. Vor allem Rückenschmerzen sind unter den Befunden für Muskel-Skelett-Erkrankungen. Thomas R. Tölle, Leiter des Zentrums für interdisziplinäre Schmerzmedizin am Klinikum rechts der Isar, vermutet, dass die Rückenleiden "auch zunehmend psychisch begründete Schmerzen" seien. Die Menschen seien stetig steigenden Belastungen ausgesetzt - ob am Arbeitsplatz oder im sozialen Umfeld.

"Rückenschmerz ist seit Jahren eine der Top-Erkrankungen", sagt Juliane Topkac, Chefin der DAK-Gesundheit München-Ost. Jeder zehnte Krankheitstag in Bayern geht laut der DAK-Studie auf ein Rückenleiden zurück. Drei von vier Beschäftigten litten in den vergangenen zwölf Monaten unter Rückenschmerzen. Jeder zehnte Patient hatte zuletzt zwölf Wochen und länger chronische Rückenleiden, dazu kamen drei Prozent, die sechs bis zwölf Wochen lang Symptome zeigten und 61 Prozent, die weniger als sechs Wochen krank waren. Jeder zehnte Betroffene litt unter starken bis unerträglichen Schmerzen. Das ist umso erstaunlicher, weil sich nicht mal jeder Siebte wegen seines Rückenleidens krankmeldet. Offenbar halten die meisten Patienten selbst starke Schmerzen am Rücken nicht für einen Grund, der Arbeit fern zu bleiben.

Wer sich dennoch behandeln lässt, erhält vom Arzt meistens eine Physiotherapie verordnet, das ist bei knapp sieben von zehn Patienten der Fall. Jeder Dritte bekommt eine Beratung, wie man mit Schmerzen umgehen kann und wie man sie lindert, knapp der Hälfte der Rückenschmerzpatienten werden ein Schmerzmittel oder eine Spritze verschrieben. Ins Krankenhaus kommen wegen der Schmerzen nur zwei Prozent. Trotzdem ist die Statistik alarmierend: Seit 2007 hat sich die Zahl der Menschen, die wegen Rückenschmerzen im Krankenhaus behandelt werden, bayernweit von 17 460 auf 40 021 mehr als verdoppelt.

Bei den Erkrankungen am Muskel-Skelett-System ist etwas besonders signifikant: Während es in München deshalb im vergangenen Jahr 193 Krankheitstage je 100 Versicherte gab, waren es im Landesdurchschnitt 282 Krankheitstage. Schmerzexperte Thomas R. Tölle vom Klinikum rechts der Isar vermutet, dass "handwerklich geprägte Gebiete in Bayern" damit zu tun haben könnten - dass es also in München deutlich weniger körperliche Arbeit gebe, die zu Problemen im Rücken, an den Bandscheiben oder an den Knien führen könnten.

Tölle und sein Team am Klinikum rechts der Isar haben eine besondere Schmerztherapie entwickelt, die derzeit erprobt wird. So wurde eine App entwickelt, die Patienten interaktiv bei Rückenübungen unterstützt und laut Tölle sogar Haltungsfehler korrigieren kann. Beim Modellprojekt "Rücken-innovative Schmerztherapie mit e-Health für unsere Patienten" (Rise-up) "geht es um eine ganzheitliche Rehabilitation, die den Patienten einen aktiven Umgang mit ihren Beschwerden erlaubt", so Tölle. Die App soll die ärztliche Diagnose unterstützen, dazu beteiligen sich mittlerweile zahlreiche Ärzte in verschiedenen Regionen Bayerns an dem Projekt sowie mehrere Krankenkassen. Derzeit sind 850 Patienten in dem Programm.

Wer nur gelegentlich Rückenschmerzen am Arbeitsplatz hat, kann aber auch einfache Dinge ausprobieren: öfter mal aufstehen und sich bewegen.

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Quelle:
SZ vom 05.12.2018
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