Süddeutsche Zeitung

Neues Gesetz:Kassenbonpflicht sorgt für Kopfschütteln

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Egal ob Nasenspray, Lutscher oder Breze - seit Jahresbeginn müssen Geschäfte auch bei kleinsten Eurobeträgen einen Kassenzettel ausdrucken. Das ärgert viele Inhaber, nicht nur von Bäckereien.

Von Miriam Steiner

Was Ramez Barekzai von der neuen Kassenbonpflicht hält, ist kein Geheimnis. Er teilt es in aller Öffentlichkeit mit - im Schaufenster seiner Apotheke. Wo sonst Arzneimittel säuberlich drapiert sind, liegt jetzt ein Haufen aus Zetteln, sie quellen aus einer blauen Box heraus. Es sind jene Bons, die Kunden dankend verneinend in der Oberländer Apotheke in Sendling zurückgelassen haben: zwei Euro vierzig für ein Nasenspray, Kautabletten für sechs Euro und achtundsiebzig Cent - solche Sachen eben.

Das neue Gesetz zur Bonpflicht ist seit Jahresbeginn in Kraft. Seither müssen alle Geschäfte für jeden Verkauf einen Beleg ausdrucken. Ob der Kunde den Beleg will oder nicht, spielt dabei keine Rolle, ebenso wenig die Höhe des Betrags. Die neue Ausdruck-Pflicht soll Steuerbetrug schwieriger machen - jährlich entgehe dem Staat ein Betrag in Milliardenhöhe, lautet das Argument aus dem Finanzministerium. Das könne er zwar nachvollziehen, sagt Apotheker Barekzai, dennoch hält er die neue Regelung für "nicht so richtig durchdacht". Apotheken würden ohnehin schon sehr transparent arbeiten, meint er: "Wir reichen Rezepte bei den Krankenkassen ein, alles wird unwiderruflich und nachvollziehbar dokumentiert." Außerdem beziehe er die Ware von Pharmafirmen - und auch das wird dokumentiert. "Ich wüsste jetzt nicht, wo ich hingehen sollte, um eine größere Menge verschreibungspflichtiger Medikamente zu organisieren."

In seiner Apotheke würden im Schnitt etwa fünf Kunden pro Tag auf den Kassenbon bestehen, sagt Barekzai - alle anderen ließen ihn zurück. Er beklagt einen zusätzlichen, vor allem auch finanziellen Mehraufwand: nicht nur für Bonrollen und Tinte, sondern auch für die technische Sicherheitsaufrüstung seiner drei Kassen, die das Gesetz vorsieht. Vor allem aber geht es Barekzai um die Auswirkungen auf die Umwelt. Zwar habe er seine Bonrollen schon von Thermo- auf umweltfreundlicheres, normales Papier umgestellt, doch "dafür müssen auch Bäume gefällt werden. Bei uns kommen auch Kassenzettel über Nullbeträge raus, das ärgert uns am meisten", erzählt er. Das sei etwa bei Rezepten für Kinder der Fall, oder, wenn Patienten von der Kassengebühr befreit sind und die Krankenkasse die Kosten komplett übernimmt.

Kopfschütteln gibt es auch andernorts: im Kiosk im U-Bahnhof Implerstraße zum Beispiel. Seit Inkrafttreten des neuen Gesetzes müsse nahezu täglich eine neue Bonrolle her, sagt der Inhaber. Zuvor musste sie lediglich einmal im Monat gewechselt werden. Umgesetzt werden hier oft nur Centbeträge: ein Zuckerl für zwei Cent, eine Gummischlange für fünf Cent. Oftmals seien seine Kunden Kinder und nicht selten hätten sie zwei, drei Cent zu wenig in der Tasche. Daraus würde er dann kein Drama machen, Kaugummi und Lutscher bekämen die Kinder trotzdem. Und den Kassenbon neuerdings auch. Doch weil Kinder Süßigkeiten für gewöhnlich eher rasch verzehren anstatt über deren Qualität und eine etwaige Reklamation nachzudenken, geschweige denn den Kassenbon aufbewahren, um die getätigte Ausgabe zu dokumentieren, landet dieser meist im Müll.

Eine ähnliche Routine hat sich auch in dem Bäckerladen um die Ecke eingespielt: Breze, Semmel und Croissant kosten alle weniger als einen Euro und sind von der neuen Pflicht ebenfalls nicht befreit. Die Kasse druckt den Bon automatisch aus und das Personal legt ihn in einer ähnlich automatisierten Bewegung auf den Tresen. Die meisten Kunden würden den Bon zwar nehmen, sich dann aber umdrehen und ihn in den Mülleimer direkt hinter ihnen werfen, sagt eine Angestellte. Bons, die auf dem Tresen liegen bleiben, werden in einer kniehohen Papiertüte gesammelt. Alle zwei bis drei Tage ist diese voll und die Zettel werden entsorgt.

Mit dem Vorschlag einer Ausnahmeregelung hatte sich der Bäckerverband nicht durchsetzen können. Trotz dieses Misserfolgs wünscht sich der Apotheker Ramez Barekzai auch für seinen Berufsstand eine Unterstützung, "wie es sie für Bäcker gibt". Von der bayerischen Landesapothekerkammer fühlt er sich "sehr schlecht bis gar nicht vertreten".

Bei der Kammer weist man diese Kritik zurück. Dass die Bonpflicht für Apotheker ein großes Thema sei, habe man bisher "noch nicht gehört", heißt es dort. Auch beim bayerischen Apothekerverband sei bislang "kein Übermaß an Mitgliederanfragen verzeichnet worden", teilt ein Sprecher auf Anfrage mit. Das bedeutet aber nicht, dass die Dachorganisationen glücklich sind mit der neuen Regelung: Der Bundesverband Deutscher Apotheker (DAV) bezeichnete die Bonpflicht als umweltschädlich, bürokratisch aufwendig und forderte für die eigene Branche eine Ausnahme - ohne Erfolg.

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SZ vom 29.01.2020
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