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In der Türkei inhaftiert:Ahmet Altan bekommt den Geschwister-Scholl-Preis

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Der inhaftierte türkische Journalist Ahmet Altan bekommt in diesem Jahr den Geschwister-Scholl-Preis. Er wird für sein Buch "Ich werde die Welt nie wiedersehen. Texte aus dem Gefängnis" ausgezeichnet, wie der Landesverband Bayern im Börsenverein des Deutschen Buchhandels am Mittwoch mitteilte. "Ahmet Altans Texte zeigen auf eine ruhige, klare Weise, wie es im Augenblick um die Türkei bestellt ist", urteile die Jury.

Altan, der als Kritiker von Präsident Recep Tayyip Erdogan gilt, war kurz nach dem Putschversuch in der Türkei vom Juli 2016 verhaftet worden. Er wurde im Februar 2018 wegen angeblicher Verbindungen zur Gülen-Bewegung zunächst zu lebenslanger Haft verurteilt. Die türkische Regierung macht die Bewegung des im US-Exil lebenden islamischen Predigers Fethullah Gülen für den Umsturzversuch verantwortlich.

Anfang Juli nahm eines der höchsten türkischen Gerichte die lebenslange Haft zurück. Ahmet Altan habe nicht wie ihm vorgeworfen wurde "gegen die Verfassung verstoßen". Er habe allerdings von den Plänen gewusst und die Putschisten willentlich unterstützt. Darauf stehen in der Türkei 5 bis 15 Jahre Haft. Ein Antrag auf Haftentlassung wurde abgelehnt.

"Mit dem politisch motivierten Urteil wurde ein kritischer Kommentator des Geschehens in der Türkei seiner Freiheit beraubt", hieß es in der Jury-Begründung. "Sein Schicksal ist leider beispielhaft für die Situation vieler unabhängiger Journalistinnen und Journalisten in zunehmend autoritären oder auch diktatorischen Gesellschaften."

In seinem Buch "Ich werde die Welt nie wiedersehen" schildert der 1950 geborene Altan seine Erfahrungen in der Untersuchungshaft, im Gerichtssaal und im Gefängnis. Er erzählt darin von seinen Begegnungen mit der Polizei, dem Staatsanwalt und den Richtern und porträtiert seine Mitgefangenen.

Altan ist für seine Romane und Essaybände bekannt. Er arbeitete außerdem als Kolumnist für zahlreiche namhafte türkische Medien und gründete 2007 die Zeitung "Taraf", die nach dem Putschversuch verboten wurde.

Der Preis erinnert an Sophie und Hans Scholl, die während der Nazi-Zeit der studentischen Widerstandsgruppe "Weiße Rose" in München angehörten und später von den Nationalsozialisten ermordet wurden. Die Auszeichnung ist mit 10 000 Euro dotiert, die Verleihung soll am 25. November in der Aula der Ludwig-Maximilians-Universität stattfinden. "Wir würden uns natürlich wünschen, dass er den Preis selbst in Empfang nehmen kann", sagte eine Sprecherin des Börsenvereins. "Wissen aber auch, dass die Chancen dafür nicht sonderlich gut stehen."

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