Berufungsprozess:Münchner Schönheitschirurg muss fast vier Jahre ins Gefängnis

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  • Die Berufungskammer am Landgericht München I hat den Schönheitschirurgen Thomas S. zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt.
  • Außerdem soll der 50-Jährige als selbständiger Arzt nie mehr ein Skalpell in die Hand nehmen.
  • Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er acht Patienten durch stümperhafte Operationen und Begleitumstände teilweise in Lebensgefahr gebracht hatte.
  • Der Arzt war gegen das ursprüngliche Urteil des Amtsgerichts - drei Jahre Haft und ebensolanges Berufsverbot - in Berufung gegangen.

Von Susi Wimmer

Wenn ein vor dem Amtsgericht Verurteilter in Berufung geht, dann erwartet er sich in der nächsten Instanz die Gerechtigkeit, die er sich in seinen Augen verdient hat, und - ein milderes Urteil. Dass das auch gewaltig daneben gehen kann, musste der Münchner Schönheitschirurg Thomas S. nun am eigenen Leib erfahren. Anstelle von dreijähriger Haft und ebensolangem Berufsverbot verurteilte ihn die Berufungskammer am Landgericht München I zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten. Außerdem soll der 50-Jährige als selbständiger Arzt nie mehr ein Skalpell in die Hand nehmen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er acht Frauen durch stümperhafte Operationen und Begleitumstände teilweise in Lebensgefahr gebracht hatte.

Bereits in erster Instanz war die Liste der Verfehlungen des plastischen Chirurgen ellenlang: In der Praxis in seiner Bogenhausener Villa hatte Thomas S. beispielsweise Operationen in Vollnarkose ohne Anästhesisten durchgeführt. Die frisch Operierten überließ er sich selbst, eine Patientin etwa berichtete: "Nach dem Aufwachen lag nur ein Zettel da." Einer anderen Frau sagte er, sie könne ruhig vor der OP noch frühstücken. Hätte die Frau in Narkose mit Übelkeit auf Medikamente reagiert, hätte sie das in Lebensgefahr bringen können.

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Das Gesundheitsamt war schon längst auf den Arzt aufmerksam geworden, zahlreiche Zivilprozesse liefen, weil etliche Patientinnen, die sich die Brust operieren ließen, nach dem Eingriff über starke Schmerzen und offene Wunden klagten. Doch Thomas S. ignorierte die Beanstandungen der Behörde. Er schnitt weiter, teilweise ohne die Frauen vor der OP über mögliche Risiken aufzuklären, ohne Notfallversorgung wie etwa ein Sauerstoffgerät und ohne den Sterilisator für die OP-Instrumente der vorgeschriebenen Wartung zu unterziehen. Selbst als ihm die Approbation entzogen wurde, machte er weiter.

16 Tage verhandelte die Berufungskammer nun erneut die Causa. Thomas S. wechselte öfter seine Anwälte, stellte einen Beweisantrag nach dem anderen. Nur fielen die alle zu seinen Ungunsten aus: Ein Rechtsmediziner etwa kam zu dem Schluss, dass bei vier geschädigten Frauen Lebensgefahr bestanden habe. Und ein plastischer Chirurg sprach von ärztlichen Kunstfehlern. Außerdem ergab die nochmalige Überprüfung aller Fälle, dass S. sich nicht nur bei sieben, sondern acht Patienten (sieben Frauen und ein Mann) der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht habe. Am Ende plädierte Staatsanwältin Johanna Heidrich, S. zu einer Haftstrafe von vier Jahren zu verurteilten. Die Verteidigung beantragte Freispruch.

Dass Thomas S. narzisstische Züge aufweist, hatte ihm schon ein Gutachter vor dem Amtsgericht bestätigt. Ob diese Tendenz mittlerweile in eine krankhafte Persönlichkeitsstörung umgeschlagen ist, blieb offen, zumal der Gesundheitszustand von Thomas S. nur zum Zeitpunkt der Taten relevant war. Die Vorsitzende Richterin sagte: "Man fragt sich, ob er in der gleichen Hauptverhandlung war."

Der 50-Jährige will nun die nächste Instanz anrufen. Allerdings wird bei einer Revision nicht mehr der Sachverhalt überprüft, sondern lediglich, ob der Berufungskammer Verfahrensfehler unterlaufen sind.

© SZ vom 12.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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