Süddeutsche Zeitung

Prozess gegen Tankstellenräuber:Aus Liebe zum Knast

Lesezeit: 2 min

Von Susi Wimmer

Es klingt schon skurril, wenn Eduard K. sagt, er habe die Tankstelle nur überfallen, um in den Knast zu kommen und um dort dann weg von den Drogen zu sein. Dafür, dass der 26-Jährige unbedingt ins Gefängnis wollte, inszenierte er nach dem Überfall im März dieses Jahres mit seinem Wagen allerdings eine wahnwitzige und gefährliche Flucht vor der Polizei, die schließlich in einer Mülltonne in Schweitenkirchen im Landkreis Pfaffenhofen endete. "Ich schäme mich sehr", sagte er vor der dritten Strafkammer am Landgericht München I, wo gegen ihn wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung, Gefährdung des Straßenverkehrs und Unfallflucht verhandelt wird.

Das Leben des Feinwerkmechanikers war seit längerer Zeit aus den Fugen geraten. Er sei zwar neun Jahre lang einem festen Job nachgegangen, habe aber seine Familie angelogen und heimlich Amphetamine und Cannabis geschnupft und geraucht und zu viel getrunken. Seinen Monatslohn brachte er oft an Spielautomaten durch, schließlich hatte er 32 000 Euro Schulden aufgetürmt. Er habe sich von seinem Chef gemobbt gefühlt, sei lange krank gewesen, habe Psychotherapie gemacht, "aber dem Psychologen hab ich nichts von Drogen erzählt". Und mit den Drogen "fühlte ich mich mächtiger, konzentrierter, alles war besser". Nach diesem Gefühl sei er süchtig gewesen. Seine Lebensgefährtin und seine beiden Kinder allerdings gingen auf Abstand.

Mit dem Küchenmesser im Pulloverärmel

Am 9. März gegen Mittag fand er sich vor der OMV-Tankstelle an der Freisinger Landstraße wieder. Im Kofferraum einen Rucksack, gepackt mit einem Schal zum Vermummen und einem Küchenmesser. Er habe Paranoia und Angstzustände gehabt, seit einer Woche nicht mehr geschlafen, sagte K. Er verzichtete darauf, den Schal vor das Gesicht zu binden ("ich wollte ja ins Gefängnis") und betrat gegen 13.20 Uhr mit dem Küchenmesser im Pulloverärmel die Tankstelle. Er legte eine Tasche auf den Tresen, zog das Messer und rief "Geld her, Geld her". Der Tankwart gehorchte und packte 1195 Euro in die Tasche. Dann sei er zu seinem Wagen zurück und habe bemerkt, wie ihm der Tankwart folgt und mit dem Handy Fotos schießt.

Das führte dazu, dass die Polizei sofort nach dem Pkw fahndete und eine Streife den Mercedes bereits um 13.48 Uhr auf der A 9 bei Garching-Nord entdeckte. Als er das Blaulicht hinter sich sah, sei er "in Panik geraten", erzählte Eduard K. Er gab Gas, raste quer über alle Spuren zur Ausfahrt Pfaffenhofen, und weil sich der Verkehr in der Abfahrt staute, wechselte er kurzzeitig als Geisterfahrer auf die Einfahrt und raste mit über 140 Stundenkilometern über die Staatsstraße 2045 bis Schweitenkirchen. Dort überholte er einen Pkw, es kam ein Auto entgegen, K. schrammte gegen das überholte Fahrzeug, konnte gerade noch einscheren und schleuderte gegen einen geparkten Pkw.

Er sei ausgestiegen, das Geld sei auf dem Beifahrersitz liegen geblieben. Dann habe er sich in einer Mülltonne versteckt. Als er nach 20 Minuten den Deckel anhob, sei die Polizei hinter ihm gestanden. Das Urteil wird nächsten Mittwoch gesprochen.

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Quelle:
SZ vom 12.10.2019
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