Prozess in München:42-Jähriger verletzt Polizisten - und ist auch vor Gericht renitent

Als die Beamten seine Personalien verlangten, flippte der Angeklagte aus und schlug mit Fäusten um sich. Nun zeigt er sich uneinsichtig.

Von Susi Wimmer

Es ist exakt 13.21 Uhr, als der richterliche Geduldsfaden endgültig reißt. "Alle raus! Wir räumen den Saal. Fünf Minuten Pause", ruft der Vorsitzende Richter Bernhard Geismar. Seit 9 Uhr morgens hatte die 12. große Strafkammer am Landgericht München I geduldig die Zwischenrufe des Angeklagten Toni K. ertragen, ihn ermahnt, seine Widerborstigkeit hingenommen. Bei der ersichtlichen Renitenz des kleinen, drahtigen Mannes kann man sich schon ansatzweise vorstellen, dass vier Polizisten im Juli vergangenen Jahres mitten in der Fußgängerzone Probleme hatten, den Mann zu bändigen. Dabei verletzte er sogar drei Beamte, eine Polizistin biss er in den Unterarm. Die Polizisten hatten laut Anklageschrift nur seine Personalien aufnehmen wollen, weil er zuvor als Radfahrer eine Fußgängerin angerempelt hatte.

Jian Hossain ist seit 25 Jahren Dolmetscherin für arabische Sprachen - und etwas empört. Als sie für Toni K. bei der Feststellung seiner Personalien durch das Gericht übersetzt, schnauzt der 42-Jährige sie an "hör auf!" Später ruft er dazwischen, dass er die Übersetzung nicht mehr hören könne, dass er sie nicht verstehe. Dabei stammt Hossain aus Bagdad, wie der Angeklagte. "Kein Wort, kein einziges" wolle er sagen, antwortet er auf die Frage des Richters, ob er sich zur Sache äußern wolle.

Aber dann siegt sein Mitteilungsbedürfnis. Er erzählt zunächst von seinem Leben in Bagdad, "siebte Klasse hab ich, dann hab ich als Friseur gearbeitet". Mit Ausbildung, fragt das Gericht. "Nein, ohne", sagt er. 1998 ging er in den Libanon, ein Jahr später nach Griechenland, wo er "Lieferung" gemacht habe. Als Richter Geismar mehrmals nachfragt, was er denn geliefert habe und womit, blafft Toni K. zurück: "Lieferung! Verstehen Sie nicht? Sind Sie nicht Deutscher?" 2001 kam K. nach Deutschland, arbeitete als Küchenhilfe und nach seinem letzten Gefängnisaufenthalt lebte er "vom Jobcenter".

Am Morgen des 8. Juli 2020 sei er gleich nach dem Stachus-Tor in der Neuhauser Straße flott durch die Fußgängerzone geradelt, "um 7 Uhr sind da keine Leute". Eine Frau sei ihm entgegengekommen, er habe nicht mehr reagieren können und sie vom Rad aus weggeschoben, "damit Unfall nicht passiert". Die 29-jährige Gestalterin, die auf dem Weg zur Arbeit war, sah das anders. "Es sah so aus, als wollte er ausweichen", sagt sie vor Gericht. "Aber dann ist er absichtlich auf mich zugeschwenkt und hat seine Schulter gegen meine geprellt." Anschließend habe er sie wüst beschimpft und sie habe sich hinter einen Streifenwagen der Polizei geflüchtet, der zufällig durch die Fußgängerzone rollte.

Toni K. folgte ihr, schrie, "was sagst du denen?". Und als die Polizei seine Personalien verlangte und mit Gewahrsam drohte, flippte er aus und schlug mit Fäusten um sich. Er traf einen Beamten an der Schläfe, im Gerangel biss er eine Polizistin, eine weitere Kollegin erlitt eine minimale Fraktur am Halswirbel. "War ich das nicht, Herr Richter", schreit der Angeklagte, "ich bin seit elf Monaten im Knast wegen gar nix". Im Knast sitzt Toni K. nicht, sondern in einer psychiatrischen Klinik. Bis 2015 sei er immer wieder in Behandlung gewesen wegen Schizophrenie, räumt er ein. Er habe Stimmen gehört, "aber jetzt nicht mehr". Und: "Jetzt bin ich nicht krank!"

Es wird eine Frage der Verhältnismäßigkeit sein, meint Ks. Verteidigerin Claudia Enghofer, ob ihr Mandant wegen dieses Vorfalls dauerhaft in einer Klinik untergebracht werde. Das Gericht urteilt kommenden Freitag.

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