Süddeutsche Zeitung

Prozess:Ehe mit Schrecken

  • Der Angeklagte Javed M. soll schon kurz nach der Hochzeit gewalttätig geworden sein.
  • Nach dem Ende der Beziehung tauchte der 31-Jährige vor der Wohnung der Frau auf und schlug ihr ins Gesicht.
  • Das Amtsgericht verurteilt ihn zu einem Jahr und elf Monaten und setzt die Strafe zur Bewährung aus.

Von Susi Wimmer

Javed M. kann man getrost als Erscheinung bezeichnen. Zwar hat der 31-Jährige an stattlicher Größe nicht viel mitbekommen, dafür sitzen die Haare. Die Wuchskante an der Schläfe sieht aus wie mit dem Lineal gezogen, den Bart trägt er getrimmt wie der pompöse Designer Harald Glööckler, und aus der Brusttasche des dunklen Sakkos lugt ein gepunktetes Einstecktuch hervor. Außen hui - aber innen? Richterin Ines Tauscher kommt am Ende des Tages zu dem Schluss, dass Javed M. unter anderem seiner Partnerin mit einem Faustschlag das Nasenbein gebrochen und ihre damals elfjährige Tochter sexuell missbraucht hat. M. entgeht um Haaresbreite einer Gefängnisstrafe, das Amtsgericht verurteilt ihn zu einem Jahr und elf Monaten und setzt die Strafe zur Bewährung aus.

Leonie S. (Name geändert) hat in ihrer Beziehung mit Javed M. offenbar gelernt, einiges einzustecken. "Ohne Schimpfen kann er nicht leben", sagt sie vor Gericht. Er habe sie ständig mit irgendwelchen beleidigenden Ausdrücken überzogen. Vor der Hochzeit nach islamischem Recht habe er ihr gedroht, dass er ihr Gesicht mit Säure übergießen werde, sollte sie ihn jemals verlassen. "Das hab' ich noch nicht so ernst genommen", sagt sie heute.

Kurz nach der Hochzeit im April 2017 schlug Javed M. seiner Partnerin mit der flachen Hand ins Gesicht, weil sie angeblich einem Mann hinterhergeschaut haben soll. "Er hat sich entschuldigt und gesagt, es kommt nicht mehr vor." Doch die Gewalt setzte sich fort. Und als Leonie S. von Javed M. schwanger war, begrapschte er ihre damals elfjährige Tochter, die sie mit in die Beziehung gebracht hatte. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass er dem pubertierenden Kind an beide Brüste fasste und ihr beim Versteckspielen über den Po strich. Das Mädchen fand nicht den Mut, sich ihrer Mutter anzuvertrauen. Sie sagte in ihrer richterlichen Vernehmung, die Mama sei schwanger gewesen und sie habe nicht ihr Leben zerstören wollen. Deshalb wollte die Elfjährige zu ihrem leiblichen Vater ziehen. Die Übergriffe flogen erst auf, als sie mit einem Cousin chattete und ihm erzählte, dass ihr Stiefvater böse sei.

Javed M. prügelte aus nichtigem Anlass mit der Faust auf Leonie S. ein. "Wenn du von mir die Scheidung willst, bring ich dich um", zitiert Leonie S. seine Worte. Trotzdem beendete die 33-Jährige die Beziehung. Im Oktober 2018 tauchte Javed M. unter einem Vorwand wieder in der Pasinger Wohnung von Leonie S. auf, sah im Gang ein Paket und mutmaßte sofort, dass ein anderer Mann ihr Geschenke mache. Dann schlug er zu. Einmal, mit der Faust, schräg ins Gesicht. Der Nasenbeinbruch musste bei einer OP gerichtet werden. "Ich habe bis heute Schmerzen", sagt das Opfer vor Gericht. Sie und ihre Tochter arbeiten in Psychotherapien die Geschehnisse auf, "ansonsten will ich nur vergessen", sagt die zierliche Frau. Dann blickt sie den Angeklagten an und schleudert ihm ein "ich bin nicht mehr deine Frau!" entgegen.

Das Gericht, die Staatsanwaltschaft sowie die Verteidiger Florian Zenger und Hermann Jansen einigen sich in einem Rechtsgespräch auf eine Bewährungsstrafe, und so gesteht Javed M. über seine Anwälte die Taten. Er wird unter anderem zu einem Täter-Opfer-Ausgleich verpflichtet und dazu, seine Ehe aufzulösen. Javed M. weint und schnieft und schluchzt. Sein Einstecktuch bleibt unberührt.

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Quelle:
SZ vom 01.10.2019/flud
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