Süddeutsche Zeitung

Landgericht München:Koks vom Kronzeugen

Alexander K. arbeitete früher im Heart am Lenbachplatz. In mindestens 42 Fällen soll er Kokain bei einem Dealer gekauft haben, der nun im Prozess auspackt.

Aus dem Gericht von Andreas Salch

Alexander K. wird von seiner Mutter zu seinem Prozess vor dem Landgericht München I begleitet. Der 33-Jährige ist angeklagt wegen eines Vergehens nach dem Betäubungsmittelgesetz. Ein Allerweltsverfahren, eigentlich. Nicht so aber in diesem Fall. Denn Alexander K. arbeitete früher im Heart am Lenbachplatz. Der Club geriet in die Schlagzeilen, nachdem der ehemalige Drogendealer Stefan H. (Name geändert) bei der Staatsanwaltschaft ausgepackt hatte und dabei offenbarte, wer alles zu seiner Kundschaft zählte. Die Polizei ermittelte daraufhin gegen die Betreiber des Heart, den Wiesnwirt Ludwig Reinbold und gegen 36 Kollegen aus ihren Reihen.

Auch Alexander K. soll zum Kreis derer gehört haben, die bei Stefan H. Kokain geordert haben sollen. K. war "Member-Manager" im Hearthouse. Laut eigener Homepage ist der Private Member Club "eine Plattform für Networking und kreativen Austausch" für "Member und deren Gäste, die Exklusivität, Privatsphäre, Qualität aber auch Ausschweifungen lieben" - bei Bedarf offenbar gerne auch mit Koks. Kaufen konnten es die Gäste des Hearthouse bei Alexander K. Ein Gramm zum Preis von 100 Euro. So steht es im Urteil des Amtsgerichts München.

In der Zeit zwischen Oktober 2017 und März 2018 soll K. in mindestens 42 Fällen 315 Gramm Kokain bei dem Dealer gekauft haben, der jetzt Kronzeuge der Staatsanwaltschaft ist. Vor dem Amtsgericht hatte K. dies bestritten und unter anderem lediglich den Erwerb von 77 Gramm Kokain eingeräumt. Gehandelt haben will er nur mit einem Gramm der Droge.

Dennoch wurde der 33-Jährige im April vergangenen Jahres nicht nur wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln verurteilt, sondern auch wegen vorsätzlichem unerlaubten Handeltreibens in 44 Fällen. Dreieinhalb Jahre Haft verhängte das Gericht und ordnete darüber hinaus die Zahlung von Wertersatz in Höhe von 23 625 Euro an. Der Betrag entspricht dem Umsatz, den K. mit dem Verkauf des Kokains gemacht haben soll.

Da der studierte Betriebswirt Berufung gegen das Urteil eingelegt hat, wird der Fall seit Mittwoch vor dem Landgericht München I verhandelt. Alexander K. trug einen hellgrauen Anzug, hellgraue Sneaker, helles Hemd, die obersten Knöpfe geöffnet. Nachdem er den Sitzungssaal A 231 im Strafjustizzentrum an der Nymphenburger Straße betreten hatte, blieb er erst einmal lange hinter seinem Platz auf der Anklagebank stehen, ehe er sich setzte.

Da auch die Staatsanwaltschaft Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts eingelegt hat, kann die Strafe auch höher ausfallen. Richter Manfred Sehlke machte Alexander K. zunächst deutlich, was für Folgen es für ihn haben könnte, wenn der Kronzeuge der Staatsanwaltschaft Angaben in seinem Verfahren macht.

Der Mann sei "kein Traumzeuge", sagte Richter Sehlke. Durch seine Aussagen habe er "viele Vorteile" genossen, was ihn wiederum "angreifbar macht". Deshalb schlug Sehlke Alexander K. vor, der Staatsanwaltschaft gegenüber "Abnehmer und Helfer" zu nennen. Er müsse sich jetzt überlegen, "was ihm wichtig ist", sagte der Vorsitzende zu K. Jetzt habe er noch die Möglichkeit seine "Situation eigenmächtig zu verbessern", riet er dem ehemaligen Member-Manager. Die Verteidiger von Alexander K. wollen sich nun nochmals mit ihrem Mandanten besprechen. Das Verfahren wird Anfang Juli fortgesetzt.

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SZ vom 17.06.2021/kafe
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