Vor Gericht in München:Vier Freisprüche im Prozess um Millionendiebstahl in Commerzbank

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Das Modell eines Bankfachtresors war im Gerichtssaal des Landgericht München I aufgebaut. (Foto: dpa)

4,6 Millionen Euro wurden aus Schließfächern einer reichen Russin gestohlen. Vor Gericht werfen die Verteidiger den Fahndern vor, Ermittlungsergebnisse "mit der Brechstange passend gemacht" zu haben.

Von Andreas Salch, München

"Im Zweifel für den Angeklagten". Es ist ein bekannter Satz, den man aber nicht allzu häufig vor Gericht hört. Doch in dem spektakulären Prozess vor dem Landgericht München I um eine siebenköpfige Bande, die rund 4,6 Millionen Euro einer reichen Russin aus den Schließfächern in der Commerzbank am Promenadeplatz gestohlen haben soll, war dieser sogenannte "Zweifelsatz" am Dienstag gleich zweimal zu hören - ausgerechnet von der Vertreterin der Staatsanwaltschaft.

Dabei waren sich die Ermittler der Kriminalpolizei so sicher, dass ihnen bis auf einen noch unbekannten Täter die komplette Bande ins Netz gegangen war. Sechs Männer und eine Frau im Alter zwischen 27 und 72 Jahren sollen entweder direkt oder indirekt an dem Coup beteiligt gewesen sein, bei dem zwischen Dezember 2017 und März 2018 das gesamte Geld der wohlhabenden Russin aus der Bank entwendet wurde.

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Statt langjähriger Haftstrafen verkündete der Vorsitzende der 8. Strafkammer, Richter Gilbert Wolf, nun aber vier Freisprüche und schloss sich damit den Anträgen der Staatsanwaltschaft an. Grund für die Freisprüche waren nicht nur Zweifel an der Schuld von zwei Angeklagten. Ein weiterer mutmaßlicher Täter hatte ein Alibi. Ein anderer, der Komplizen anwerben wollte, habe sich damit nicht strafbar gemacht, weil er die "Schwelle zum strafbaren Versuch" nicht überschritten habe, sagte die Vertreterin der Staatsanwaltschaft bei ihrem Schlussvortrag.

Die Verfahren gegen die übrigen drei Mitglieder der mutmaßlichen Bande, zwei Männer und eine Frau, wurden abgetrennt. Das heißt, sie müssen sich wegen des Millionendiebstahls in der Commerzbank ab September dieses Jahres erneut verantworten. Zuvor will das Gericht zahlreiche Fragen durch Sachverständige klären lassen. Etwa die "computergesteuerte Funktionsweise der Schleuse" des Schließfachraums der Bank oder den technischen Aufbau der Schließfachanlage.

Die Verteidiger der vier Angeklagten, für die die Staatsanwaltschaft einen Freispruch beantragte, hätten es sich einfach machen können. Statt sich diesem Antrag einfach anzuschließen, nutzten sie ihre Plädoyers, um, wie es etwa Rechtsanwalt Michael Barleben formulierte, einige Anmerkungen zum Prozess "rauszuhauen". Was seinem Mandanten, einem 72-jährigen ehemaligen Busfahrer, konkret vorgeworfen wurde, habe sich ihm bei der Lektüre der Anklage nicht erschlossen.

Barleben warf den Fahndern der Kriminalpolizei vor, sie hätten ihre Ermittlungsergebnisse "mit der Brechstange passend gemacht". Die Versprechungen, die sie einem angeblichen Zeugen gemacht hätten, gingen "weit an der Strafprozessordnung vorbei." Und Rechtsanwalt Roland Autenrieth, der einen 50-Jährigen aus Erding vertrat, fand, dass die Anklage gegen seinen Mandanten "von Anfang an auf tönernen Füßen gestanden" habe.

Was mit den vielen Millionen, die aus den Schließfächern der Commerzbank am Promenadeplatz verschwunden sind, letztlich geschehen ist, bleibt nach wie vor im Dunkeln. Die Frau, der das viele Geld gehörte, stammt aus Saratow an der Wolga. In der vergangenen Woche hätte sie eigentlich als Zeugin vor Gericht aussagen sollen, sie kam aber nicht. Es ist nicht einmal bekannt, wo sie sich derzeit aufhält.

Vielleicht trifft ja am Ende zu, was Rechtsanwältin Isabella Komm sagte, die den 72-jährigen Busfahrer mit ihrem Kollegen Michael Barleben verteidigte: Die tatsächlichen Täter, auf deren Konto der Millionendiebstahl geht, so die Verteidigerin, "hocken irgendwo draußen und lachen sich ins Fäustchen".

© SZ vom 12.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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