Süddeutsche Zeitung

Streit um geschlechtergerechte Sprache:SPD-Stadtrat singt Spottlied übers Gendern

Der Musiker Roland Hefter protestiert mit dem Song "Genderpolizei" gegen Sternchenpausen, die sich "beschissen" anhörten. Im Münchner Rathaus dürfte das Lied nicht bei allen gut ankommen.

Von Heiner Effern

Da tanzt er nun sogar, auf dem Steinrand des Beckens vom Fischbrunnen direkt vor dem Rathaus, und singt dabei seinen Beitrag zur Genderpolitik. Von der "Kinderkrankenschwester*in" und der "Chef*innensekretär*in". Dann, bereits heruntergehopst vom Beckenrand, weiter von "Onkel*innen" und "Tant*innen", und ja, auch das gehört zur Wahrheit, von "Samenspender*innen". Als Tänzer ist Roland Hefter bisher nicht groß aufgefallen, als Sprachnerd auch nicht, als bayerischer Liedermacher hat er sein Publikum, und sein neuestes Lied inklusive Video dürfte ein paar neue Hörerinnen und Hörer zumindest im Rathaus finden.

Denn seit knapp drei Jahren ist Hefter im Ehrenamt auch Stadtrat, Mitglied der SPD-Fraktion und damit auch Mitglied der grün-roten Koalition. Die will laut ihrem Vertrag "gendergerechte Sprache im gesamten Einflussbereich der Landeshauptstadt München zum Standard machen". Nun sagt Hefter, dass er grundsätzlich nichts gegen eine geschlechtergerechte Sprache habe, aber gesprochen mit den gedachten Sternchenpausen, "da reißt es mich jedes Mal". In dem Lied mit dem Namen "Genderpolizei" drückt er es noch klarer aus. "Des Gendern, des mit Pause-innen, hört sich halt so beschissen an!"

Schwer vorstellbar, dass Hefter mit seinem Lied und seiner eher bayerisch-dezenten Tanzeinlage direkt vor dem Rathaus nicht auch seinen Kolleginnen und Kollegen im Münchner Stadtrat ein paar politische Grüße schickt. Auch wenn er sagt, dass das Lied "kein Statement" sei, sondern persönlich aus "tiefster innerer Überzeugung" komme. Für ihn läuft die Politik Gefahr, "nicht mehr die Sprache der Menschen zu sprechen, sondern die der Eliten". Für einen Hefter sind die Eliten ohnehin eher die Handwerker, die Solarpanele montieren. "Und die reden anders."

Absehbar, dass die Opposition johlend innerlich mitsingt, gerade die CSU, die das Gendern als populistisch taugliches Thema so gerne ausreizt. Zu befürchten ist auch, dass die AfD aufspringt, die gegenderte Vorlagen grundsätzlich ablehnt. Doch Hefter findet, dass man so ein Thema nicht Parteien wie der AfD überlassen dürfe. "Es gibt so viele, die diese Art des Genderns nicht gut finden." Was er von den Rechtsauslegern der Gesellschaft hält, das hat Hefter im Anti-AfD-Lied "Mia ned!" schon vor Jahren unmissverständlich klar gemacht.

Dass so manche Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion und die Grünen das manchmal arg einfache, manchmal ins Absurde abdriftende Liedgut mit gelassener Ruhe hinnehmen, ist nicht unbedingt zu erwarten. Zum einen liegt dieser im grenzenlosen Hickhack verhafteten Koalition eine solche Eigenschaft ohnehin fern, zum anderen hat sie erst im Dezember 2022 beschlossen, vier Millionen Euro für die gendergerechte Aufbereitung städtischer Unterlagen zu investieren. Zum Spaßen finden das Thema hier die wenigsten, für viele ist es ein inneres und politisches Anliegen.

Das findet Hefter auch nicht schlimm, aber er fordert auch die Toleranz ein, nicht jede Form des Genderns gut finden zu müssen. In dem Lied, dass an diesem Donnerstag offiziell veröffentlich wird, singt er vorsorglich auch, dass er für Gleichberechtigung und Inklusion stehe. Aber für ihn ist die Politik und die Gesellschaft bei solchen Themen oft zu bierernst. "Humor ist auch wichtig", sagt er. Was er unter weniger bierernst und Humor versteht, zeigt sich im Video der Genderpolizei auch.

Hefter sitzt im Wirtshaus und will einen Schweinsbraten bestellen, den er musikalisch öfters würdigt. Dazu hätte er gerne einen "Russen", wie vor der Überarbeitung vieler Speisekarten ein Mischgetränk aus Weißbier und Zitronenlimo hieß. In seiner Übersetzung der Alltagssprache hätte er stattdessen ein "Weizenlimonadeneuropäer*innenbier" trinken müssen. Das sei ihm zu kompliziert, singt er, stattdessen habe ihm die Kellnerin "eine Radler*in" serviert. Am Ende sieht es so aus, als ob Hefter bei der Genderbetonung um himmlische Hilfe fleht. In seinem Humor heißt die Instanz ganz oben übrigens "Gott Mutter in der Höh'".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5747702
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/mah
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.