Süddeutsche Zeitung

Folgen von Kriegen und Krisen:München muss mehr Platz für Geflüchtete schaffen

Um die steigende Zahl an Asylsuchenden unterbringen zu können, braucht die Stadt neue Unterkünfte. Gesucht werden Betten in Pensionen aber auch Standorte für Container. Denn die bestehenden Einrichtungen sind voll belegt.

Von Sven Loerzer

Weil die Zahl der Flüchtlinge zunimmt, müssen Asylsuchende wieder verstärkt in dezentralen Unterkünften der Kommunen und Gemeinschaftsunterkünften der Regierung im gesamten Regierungsbezirk untergebracht werden. Nur so könne die Aufnahmefähigkeit des Ankunftszentrums und des sogenannten Ankerzentrums Oberbayern gewährleistet werden, erklärte ein Sprecher der Regierung von Oberbayern. Das städtische Sozialreferat stellt sich überdies darauf ein, für mehr Geflüchtete aus der Ukraine eine Unterkunft bereitstellen zu müssen.

Die Münchner Unterkunftsdependancen des "Ankerzentrums" sind nach Angaben der Regierung mit rund 1050 Personen praktisch voll belegt. Die Asylsuchenden kämen überwiegend aus Afghanistan (rund 30 Prozent), der Türkei (17 Prozent) und der Demokratischen Republik Kongo (sieben Prozent). Weitere 1200 Asylsuchende leben derzeit im Ankunftszentrum an der Maria-Probst-Straße und den zugeordneten Unterkünften. Im Mai kamen dort im Tagesschnitt rund 33 Personen an, derzeit sind es mit 71 bereits mehr als doppelt so viele, an einzelnen Tagen sogar mehr als 100. Die meisten kamen zuletzt aus der Türkei und Afghanistan, gefolgt von Syrien. Alle 18 von der Regierung in München betriebenen Gemeinschaftsunterkünfte für Asylsuchende seien mit rund 1960 Menschen vollständig belegt.

Angesichts des andauernden Krieges in der Ukraine und der humanitären Krisen bereitet sich die Stadt darauf vor, mehr Unterbringungsmöglichkeiten für Geflüchtete zu schaffen. Das Sozialreferat hat dazu die Belegung von insgesamt 600 Bettplätzen in Hotels und Pensionen ausgeschrieben und die Planung neuer Containerstandorte für Geflüchtete aus der Ukraine auf den Weg gebracht. Bislang verfügt die Stadt über rund 2300 Bettplätze für diesen Personenkreis, jeweils etwa zur Hälfte in Hotels oder Pensionen sowie in Leichtbauhallen. Nach den Vorgaben der Regierung von Oberbayern müsse die Stadt aber insgesamt 5625 Bettplätze schaffen, berichtete Sozialreferentin Dorothee Schiwy dem Sozialausschuss des Stadtrats, 4500 davon zur langfristigen Unterbringung.

Aufgrund der Fluchtbewegungen aus der Ukraine rechne der Freistaat Bayern mit der Ankunft von 50 000 Menschen bayernweit und habe die Landkreise und Kommunen aufgefordert, 80 Prozent der Kapazitäten für mindestens fünf Jahre für die Unterbringung von Geflüchteten aufzubauen. Um dieses Ziel zu erreichen und auf die dazu wenig geeigneten Leichtbauhallen wieder verzichten zu können, müsse die Stadt neben den bereits geplanten 1180 Bettplätzen in Containern noch weitere 3320 schaffen, erklärte Schiwy. Dafür nötig seien etwa 20 zusätzliche Standorte.

Im Tagesdurchschnitt kamen zuletzt jeweils etwa 30 Geflüchtete aus der Ukraine im Münchner Ankunftszentrum an. Von Anfang April bis Anfang Oktober zählte die Stadt dort insgesamt mehr als 20 000 Ankünfte. Bislang haben sich mehr als 15 000 Geflüchtete einen Aufenthaltstitel erteilen lassen. Das Jobcenter geht davon aus, dass etwa 8000 Haushalte mit rund 14 000 Geflüchteten Hartz-IV-Leistungen beantragen werden, etwa 7500 Anträge sind bereits eingegangen. Bislang ist nur ein kleiner Teil der Menschen aus der Ukraine in städtischen Notunterkünften wie Leichtbauhallen und angemieteten Beherbergungsbetrieben untergebracht.

Die meisten - etwa 10 000 bis 14 000 nach Schätzungen des Sozialreferats - haben privat Aufnahme gefunden, doch zunehmend zeigt sich, dass dies auf längere Sicht nicht möglich ist. Dann muss sich die Stadt um die Unterbringung kümmern. Manche Geflüchtete kehrten auch wieder in ihre Heimat zurück; verlässliche Zahlen dazu gibt es nicht, da sich die Menschen nicht abmelden. Die weitere Entwicklung sei kaum prognostizierbar. Bislang hatten Bayern und damit auch die Landeshauptstadt davon profitiert, dass ankommende Geflüchtete gemäß der Quotenverteilung in andere Bundesländer verlegt werden konnten, weil Bayerns Quote übererfüllt war. Es gebe noch keine gesicherten Hinweise, dass München weitere Geflüchtete aufnehmen müsse, sagte ein Sprecher des Sozialreferats.

In staatlichen Gemeinschaftsunterkünften und dezentralen städtischen Unterkünften für Asylbewerberinnen und Asylbewerber leben nach Angaben des Sozialreferats derzeit rund 6500 Menschen, darunter etwa 420 aus der Ukraine. Weil die staatliche Aufnahmeeinrichtung wegen steigender Ankunftszahlen aus Drittländern vollständig belegt sei, habe die Stadt nun der Regierung von Oberbayern eine Leichtbauhalle mit 200 Bettplätzen zur Verfügung gestellt, die bislang mit Geflüchteten aus der Ukraine belegt war.

"Seit Anfang März versorgen und unterstützen wir die Menschen, die aus der Ukraine zu uns nach München fliehen", betont die Sozialreferentin, "und selbstverständlich alle Menschen anderer Nationen, die Schutz bei uns suchen. Für nahezu alle Bereiche unserer Verwaltung bedeutet dies eine weitere große Herausforderung nach der schwierigen Corona-Krise, die uns an unsere Grenzen gebracht hat." Die Beschäftigten hätten in den zurückliegenden Monaten Herausragendes geleistet. Schiwy dankt aber auch "den vielen Menschen in unserer Stadt, die uns bei der Unterbringung unkompliziert und schnell geholfen und Geflüchtete aus der Ukraine bei sich zuhause aufgenommen haben".

Von der Ankündigung, dass der Bund Immobilien zur Verfügung stellen will, erwartet sich das Sozialreferat keine große Hilfe. Die Stadt hat schon die ehemaligen Räume des Goethe-Instituts an der Dachauer Straße angemietet und betreibt dort seit Mitte Juli das Ankunfts- und Transitzentrum für Geflüchtete aus der Ukraine, dazu gibt es 275 Bettplätze. Über weitere geeignete Gewerbeimmobilien des Bundes hat das Sozialreferat nach Angaben eines Sprechers bislang keine Kenntnis.

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