„Falls ich zurück muss, werde ich sterben.“ Dieser Satz fällt mehrmals an diesem Mittwochvormittag im Schwulen Kommunikations- und Kulturzentrum Sub. Zurück heißt: Abschiebung ins Heimatland, Uganda. Und sterben heißt: Dort droht Homosexuellen die Todesstrafe.
Seit der Verschärfung des Anti-Homosexuellen-Gesetzes in Uganda im vergangenen Jahr nimmt das Sub einen Anstieg der queeren Geflüchteten aus dem ostafrikanischen Land wahr. Waren es 2023 noch 199 Klienten, die sie betreuten, sind es 2024 bereits 289. Bei der Lesbenberatungsstelle Letra stieg die Zahl von 390 Geflüchteten im Jahr 2023, die Beratung suchten, auf mehr als 600 in diesem Jahr an. Etwa 80 Prozent von ihnen kommen aus Uganda.
Doch die Beobachtung von Sub und Letra ist auch diese: Immer häufiger lehnten das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sowie das Verwaltungsgericht die Asylgesuche ab – trotz Homosexualität. Unter den Betroffenen herrsche große Angst vor einer Abschiebung in ihr Heimatland, wo ihnen Verfolgung, Gefängnis, Tod drohen, sagen die Beraterinnen.
Deshalb richten sie gemeinsam mit zwei lesbischen Frauen und einem schwulen Mann aus Uganda einen Appell an Politik und Gesellschaft, den Betroffenen eine Chance auf ein Leben in Deutschland zu geben – frei von Todesangst aufgrund ihrer sexuellen Orientierung.
Als sein Antrag auf Asyl abgelehnt wird, bricht er zusammen
Der 27-jährige Ronnaldss Washington Ckheumbe berichtet auf Englisch, er habe wegen seiner Sexualität zwei Angriffe mit Schüssen von Militärangehörigen erlebt. „Sie zielten auf meinen Nacken“, sagt er und zeigt mit der Hand darauf. Kurz muss er schlucken, seine Fassung wiedergewinnen. Ins Gefängnis hätten sie ihn gesteckt, erzählt er. „Der Grund: Ich bin ein schwuler Mann.“
Nach Deutschland kam Ckheumbe vor zwei Jahren. Als nach der persönlichen Anhörung das Bamf seinen Antrag auf Asyl ablehnt, bricht er zusammen. Er habe eine Depression entwickelt, erzählt er. „Ich würde eher mein Leben beenden, als zurückzugehen“, sagt er im Sub. Wegen akuter Gefährdung kam er in eine psychiatrische Klinik, dort wird er seit vier Wochen behandelt.
Annina, eine der Beraterinnen, die ihren Nachnamen nicht nennen will, um sich gegen Bedrohungen wegen ihrer Tätigkeit fürs Sub zu schützen, kritisiert das Vorgehen des Bamf. Die Behörde habe ihm nicht geglaubt, dass er schwul sei. Jedoch lasse man bei der persönlichen Anhörung völlig außer Acht, dass es für die meisten Geflüchteten enorm schwierig sei, von ihren Traumata zu erzählen, von ihren intimsten Momenten, von Dingen, die in ihrer Gesellschaft absolut tabuisiert sind. Außerdem: „Wie beweist man, dass man schwul ist?“, fragt sie. Ein Foto mit einem Partner? Ein Liebesbrief? Das lasse sich doch fälschen.
Wenn jemand zu stottern anfängt, sei der Fall bereits verloren
„Man muss beweisen, dass man nicht lügt. Das ist sehr schwer, zumal in einer hierarchischen Situation“, kritisiert auch Julia Serdarov. Sie arbeitet in der Geflüchtetenberatung von Letra und begleitet seit Jahren Lesben beim Versuch, die Behörde von ihrer Homosexualität zu überzeugen. Sie erlebe dabei immer wieder, dass die Entscheidung willkürlich sei. Wenn jemand zu stottern anfängt, Jahreszahlen durcheinanderbringt, die Narration nicht stringent hält, sei der Fall bereits verloren.
„Es wird zudem sehr stereotypisch auf das Coming-out und auf LGBTIQ* geschaut“, sagt Annina vom Sub über die Beurteilungspraxis des Bamf. Ob jemand beispielsweise einen inneren Konflikt in seiner Jugend gespürt habe zwischen den gesellschaftlichen Normen und den eigenen Empfindungen. Und dann werde auch noch erwartet, dass die betroffene Person dies klar reflektieren könne. Die Beraterin weist außerdem darauf hin, dass die Geschichten der Menschen von Dolmetschern, also immer verzerrt, vermittelt würden.
Patience Musiimenta und Phionah Namara haben ebenfalls Angst davor, nach Uganda zurückgebracht zu werden. Dass sie Lesben sind, glaubte ihnen weder das Bamf noch das Verwaltungsgericht, als sie gegen ihre Asyl-Absagen klagten, da sie beide Kinder haben. „Ich bin durch so viel Leid gegangen. Ich schaffe es noch immer nicht, zu heilen“, sagt die 34-jährige Musiimenta. Was für ein Bild würde sie ihrer Zweijährigen vermitteln, wenn sie ständig weine, fragt sie. „Es ist ein Albtraum.“ Sie bitte darum, ihren Fall noch einmal vorbringen zu können. In Uganda erwarte sie „die Hölle“, so die Frau.
Kinder zu haben, sei für sie immer wichtig gewesen, sagt die 39-jährige Namara. Das heiße jedoch nicht, dass sie deshalb nicht lesbisch sein könne. Für das Bamf offenbar schon. Es sei zwar auch schon in der Behörde angekommen, dass es Regenbogenfamilien gebe, so Julia Serdarov, jedoch würden Kinder oft als Grund genommen, um die Glaubwürdigkeit anzuzweifeln. Die beiden Frauen geben die Hoffnung, bleiben zu können, trotzdem nicht auf.