Es könnten und sollen Tage der Trauer um die etwa 1200 von der Hamas am 7. Oktober vor einem Jahr ermordeten Menschen aus Israel sein. Mit Namenslesungen, einer Großdemonstration gegen Antisemitismus und für die als Geiseln verschleppten Israelis, zu der 8000 Menschen in München erwartet werden, und einer Gedenkveranstaltung in der Synagoge Ohel Jakob am Montag. Doch angekündigte Gegendemonstrationen pro-palästinensischer Aktivisten und die aktuelle Eskalation im Nahen Osten nach dem iranischen Raketenangriff auf Israel lassen Spannungen und eventuell sogar direkte Konfrontation erwarten.
Jede Menge Arbeit für das städtische Kreisverwaltungsreferat (KVR) und die Münchner Polizei. Sie müssen sicherstellen, dass das Gedenken ungestört und in einem würdigen Rahmen stattfinden kann – und zugleich Meinungsfreiheit und Demonstrationsrecht garantieren. Nach SZ-Informationen gab es dazu am Mittwochvormittag ein Treffen vor Ort in der Innenstadt.
Denn auf dem Odeonsplatz wird am Sonntagnachmittag der Ermordeten und Verschleppten gedacht. Zunächst soll dort eine Installation einen „Platz der Geiseln“ schaffen (10 bis 12 Uhr), ehe um 16 Uhr die Kundgebung „365 Tage – gegen jeden Antisemitismus“ beginnt. Die Organisatoren Jil Meiteles und der Münchner Hochschulprofessor Guy Katz, die seit einem Jahr jeden Sonntag mit der Aktion „Run for their lives“ an das Schicksal der von der Hamas entführten Geiseln erinnern, wollen das auch am Sonntag tun – zusammen mit vielen Tausend Teilnehmern, wie sie hoffen. Sie fordern aber auch: „Klare Haltung und Maßnahmen gegen Antisemitismus in Deutschland.“
Etwa hundert jüdische und nichtjüdische Organisationen und Vereine, Firmen, Parteien, Kirchen und Verbände aus ganz Bayern unterstützen die Demonstration – darunter auch der FC Bayern München mit seiner Initiative „Rot gegen Rassismus“. Vier Rednerinnen und Redner sollen die Stimmen Bayerns, Münchens, der Juden und der Gesellschaft sein: Ministerpräsident Markus Söder, Münchens Zweiter Bürgermeister Dominik Krause, Zentralratsvorsitzender Josef Schuster und die Schauspielerin Uschi Glas, die von Anfang an bei den Münchner Geiselgedenkmärschen dabei war.
Imam Idriz sagt nach Einladung ab: „Zu kurzfristig“
Ein fünfter Redner, den Katz noch am vergangenen Donnerstag spontan dazu bitten wollte, hat abgesagt. „Aus tiefster Überzeugung und aufgrund meines islamischen Verständnisses hätte ich mich gerne beteiligt“, antwortete der Penzberger Imam Benjamin Idriz in einer Mail an Katz. Wegen der kurzfristigen Einladung und wegen unaufschiebbarer Termine in Penzberg müsse er jedoch absagen. Er unterstütze die Forderung nach Freilassung der Geiseln, vermisse aber „den Aufruf zu einem sofortigen Stopp der Gewaltspirale sowie die Forderung nach einer gerechten Lösung des Konflikts“. In seiner Antwort dankt Katz dem Imam für dessen Engagement und bedauert, dass Idriz nicht kommen könne: „Sie hätten bei der Kundgebung sicherlich eine wertvolle Stimme sein können, um gemeinsam gegen den Hass und für ein friedliches Miteinander einzustehen.“
Nach den Reden auf dem Odeonsplatz wird sich ein Demonstrationszug anschließen. Katz und Meiteles hoffen, dass „die größte Demonstration gegen Antisemitismus in Europa“ zusammenkommt. Nicht ausgeschlossen ist, dass pro-palästinensische Aktivisten ihr ziemlich nahe kommen.
Die Gruppierung „Palästina spricht München“ ruft unter dem bewusst ähnlich gewählten Motto „365 Tage Genozid“ nämlich zu einer Gegendemonstration auf, die vom Camp vor der Münchner Universität zum Wittelsbacherplatz ziehen soll. Um eine direkte Kollision zu vermeiden, führt die Route nach KVR-Angaben jetzt durch die Kardinal-Döpfner-Straße. Bei der Stadt angemeldet wurde die Demonstration nach KVR-Angaben mit dem Slogan „Stop (sic!) die zionistischen Heuchler“.
Am Sonntagabend rufen auch die „Freunde Abrahams“ zu einem Schweigemarsch auf, der um 19 Uhr vom Maxmonument über die Maximilianstraße, den östlichen Altstadtring, die Prinzregentenstraße und die Luitpoldbrücke zum Friedensengel führen soll. „Uns geht es ausdrücklich darum, dass wir Menschlichkeit nicht nach Zugehörigkeit bemessen und uns mit allen Opfern solidarisieren, in Israel, Palästina, jetzt auch Libanon und an allen Schauplätzen von Kriegen und Gewalt“, schreibt der Vorsitzende, der Orientalist Stefan Jakob Wimmer.
Stadt München will Palästina-Parole erneut verbieten
Am Montag findet eine offizielle Gedenkveranstaltung der Stadt München und der Israelitischen Kultusgemeinde für geladene Gäste in der Synagoge auf dem Jakobsplatz statt. Sprechen wird dort auch Dafna Gerstner, eine Überlebende des Massakers vom 7. Oktober aus dem Kibbuz Be’eri. Von 10 bis 20 Uhr ist für den Marienplatz zudem eine Namenslesung im Gedenken an die Terroropfer angemeldet.
Doch auch diesen Tag wollen pro-palästinensische Gruppierungen nutzen. Während in der Synagoge getrauert wird, wird auf dem Stachus am Abend die Forderung „Hands off Palestine“ erhoben. Auf dem Odeonsplatz demonstriert zur selben Zeit die Gruppierung „Palästina spricht“ unter dem Motto „Ein Jahr Genozid, 76 Jahre Widerstand“. 1948 wurde der Staat Israel gegründet.
Die Parole „Vom Fluss bis zum Meer“, die als Aufruf zur Beseitigung Israels verstanden werden kann, darf dabei nicht zu hören sein. Das KVR will sie für alle pro-palästinensischen Versammlungen am 6. und 7. Oktober verbieten. In Frankfurt dagegen wird bereits darüber diskutiert, am Jahrestag des Hamas-Terrors Palästina-Demos überhaupt zu untersagen.