Wirtshaus Obacht:Ein Wechselbad der Genüsse

Lesezeit: 3 Min.

Mal fachgerecht und schmackhaft in der Pfanne gebacken, mal in der Fritteuse gedörrt, aber immer überreichlich: das Wiener Schnitzel in der Gaststätte Obacht. (Foto: Robert Haas)

Die kulinarischen Eindrücke in der Gaststätte Obacht waren durchaus zwiespältig, dafür ist der Service meist überaus freundlich.

Von Carolus Hecht

Vom spärlichen Fundus an Sinnsprüchen, die Carolus Hecht aus der Kindheit mitnehmen konnte, war dies der markanteste: Obacht gem, länga lem (in etwa: gib Acht, und du lebst länger), eine beinahe schmerzhaft karge Generalanweisung für den Rest des Daseins. Obacht: Acht, Achtung(!), Vorsicht, Achtsamkeit, Aufmerksamkeit - vielerlei Bedeutung in diesem bayerischen Begriff, der dem Wirtshaus Obacht in der Münchner Maxvorstadt das Programm vorgibt, generell süddeutsch, aber bis an Nordsee und Kurisches Haff ausgreifend.

König Ludwig Klopse! Deren alberne sprachliche Eingemeindung (14,20) konnte nicht das Vergnügen an den sonst beinahe vergessenen Königsberger Klopsen schmälern, zumal man die Kapern zu dieser Kalbfleischköstlichkeit geröstet hatte - ein delikater Kunstgriff. Die modischen Kapernbeeren übrigens sind auch hier entbehrlich. Die "aufgeschmolzene" Breznsuppe (5,80), bei der sich trefflich streiten ließe, ob sich das aufgeschmolzen vom Schmalz oder vom Schmelzen herleitet. Wie gschmackig so eine einst doch am Resteverwerten orientierte Armenspeise sein kann.

Klar und unprätentiös: das Ambiente in der Gaststätte Obacht. (Foto: Robert Haas)

Wie sich aber auf eine ausdrücklich süddeutsche Karte der "Schmand" verlaufen hat? Den gab es zur hinreißenden Wildrahmsuppe (7,80), mit Preiselbeeren säuerlich gerundet; zu üppig der geräucherte Hirschschinken dazu. Mal köstlich, mal künstlich - bei so mancher Suppe wechselten diese Empfindungen, nicht zuletzt beim Böckinger Feldgeschrei (13,20), dem schwäbischen Eintopf, dessen gebrühte Grundlage uns zu kunst-fertig vorkam, ein Eindruck, den auch manche klare Suppe und desgleichen der Kartoffelsalat hinterließ. Untadelig die Kartoffelsuppe (5,80) und die sommerliche Radieserlsuppe (beide 5,20). Feldgeschrei - wo gibt es das noch? Und wo frische Blut- und Leberwurst (11,80), zu denen uns das Püree besonders mundete, genauso zur Treuchtlinger Bratwurst (13,60), einer Fränkischen, mit leiser Schärfe peppig veredelt. Linsen & Spätzle mit Saitenwürschtle (11,90), ein Klassiker mit hier leider zähen Spätzle.

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Dem Badischen Sauerbraten (14,80) gebrach es etwas an Säure und beträchtlich am exotischen Gewürz. Davon zu viel, vom Salz nämlich, in der grünen Soße mit Roter Beete zum gebackenen Ei, womit dieses Stück Natur zu der Attraktion gemacht wird, die zu sein ihm gebührt (13,50). Nett, wie der überaus freundliche Bediener den Gast auf den Salz-Lapsus hinwies, ein listiges Vermarktungskonzept für ein eigentlich verdorbenes Gericht, das von der Karte zu nehmen ehrlicher wäre. Löblich aber die klaglose Art, mit der ein Gericht abserviert wurde, das einem Gast einfach nicht schmeckte. Die Herren und die Dame, die hier bedienen, sind zumeist von hinreißender Freundlichkeit. Das auch hier grassierende Du für jeden Gast nervt zwar, hat aber nicht diesen entsetzlich ranschmeißerischen Ton wie bei Ikea.

Leuchtinsel in der nächtlichen Maxvorstadt: die Gaststätte Obacht in der Schwindstraße. (Foto: Robert Haas)

Dass so viel Höflichkeit Nerven kostet, erfuhren wir einmal bei den Münchner Moules et Frites (14,80; in welchem Arm der Isar mögen diese "Münchner" Muscheln gefischt worden sein?). Der "bayerische" Sud zog ellenlange Käsefäden, wurde so zur artistischen Nummer, vermampfte zudem den zarten Eigengeschmack des Meergetiers. Einwände wurden da pampig erwidert, das habe doch so auf der Karte gestanden. Stand es nicht. Die gebackene Chiemsee-Brachse hat wohl in der Fritteuse ihren pappartigen Zustand erworben. Und wieder ein Zwiespalt beim "Original" Wiener Schnitzel (19,90): Mal erschien es uns fachgerecht und schmackhaft in der Pfanne gebacken, mal in der Fritteuse gedörrt. Im Doppelstück kam es allemal als überreichliche Portion. Menge ist Trumpf.

Ein betörendes Quittensorbet (4,50), was für eine köstliche Frucht, die einst so viel in der Küche bewirkt hat. Das Weißbiertiramisu (4,50) fiel luftig-leicht aus, war sogar für bekennende Tiramisu-Verächter genießbar. Zum lockeren Topfenknödel fanden wir die modische Eiskugel überflüssig. Der Zwetschgenröster dazu mit seiner zu festen Frucht hätte Wienern wieder einmal bewiesen, dass "Piefkes" derlei nicht können.

Wäre doch alles so eindeutig, wie das gepflegte Augustiner, so klar wie der schöne, unprätentiöse Raum. Den größten Tisch überwölbt eine alte Sudpfanne, was denen darunter allerdings einiges an akustischer Dröhnung beschert. Dafür gibt's auch reichlich Drinks und Destillat, wobei der Marillenbrand so bonbonhaft daherkam, wie künstlich aromatisiert, eine Geschmackspest, die populärere Brände neuerdings befallen hat. Erbärmlich im ziemlich weinversessenen München sind nur fünf eher dürftige Kreszenzen: Erwähnt sei nur der pfälzische Riesling "vom Kalkmergel" (5,60), der viel zu viel fast plumpe Mineralität transportiert. Im abends auch akustisch anschwellenden Getümmel hält sich das Publikum lieber ans Helle. Keine Frage, hielte sich in diesem doch recht sympathischen Gehäuse das Angebot auf dem Niveau, wie man mit den Gästen umgeht - was für ein anheimelnder Ort wäre das.

Obacht Maxvorstadt, Schwindstr. 20, 80798 München; Tel: 089/23746328 E-Mail: servus@obacht-maxvorstadt.de , Öffnungszeiten tägl. 17 bis 24 Uhr, alle Kostproben finden Sie unter sz.de/thema/Restaurants

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