Gastronomie:Was die Geiß so alles hergibt

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Ganz schön vielseitig: Manuel Reheis vom Broeding (Mitte) und Bernhard Wolf vom "Macht Sinn" zerlegen eine geschmorte Ziegenschulter. (Foto: Florian Peljak)

Die städtische Initiative "Zu Tisch - Besser iss das" will zeigen, dass sich alle Teile eines artgerecht gehaltenen Tieres verwerten lassen. Nun feiert sie Einjähriges - und auf den Tisch kommt: eine ganze Ziege, in sieben Gängen.

Von Franz Kotteder

Ziege, die Karte rauf und runter? Sieben Gänge? Klingt gewagt, man bekommt das in keinem Wirtshaus hierzulande. Und auch im Kulturessraum Gube 20 tischen Manuel Reheis und seine sieben Mitstreiter so ein Menü nur ausnahmsweise auf. Zu Demonstrationszwecken, um zu zeigen, was man aus einem einzelnen Tier alles machen kann. Markus Hahnel von der Genießervereinigung Slow Food sagt: "Die Ziege ist ein gutes Beispiel für die Ganztierverwertung", und: "Die Ziege war dem Manuel ein Anliegen."

An diesem Abend im ersten Stock einer Moosacher Gewerbeimmobilie an der Gubestraße 20 kommen also gleich eine ganze Reihe von Dingen zusammen. Einmal der Kulturessraum Gube 20, ein privates Kochstudio, das Hahnel ins Leben gerufen hat und in dem zum Beispiel Kochkurse und andere kulinarische Events stattfinden. Dann die Slow-Food-Bewegung und ihr Ableger, die Genussgemeinschaft Städter und Bauern, die nachhaltige Landwirtschaft und artgerechte Tierhaltung den Stadtmenschen nahebringen will, und schließlich die städtische Initiative Biostadt München, die vom Referat für Gesundheit und Umwelt getragen wird. Gemeinsam hat man vor einem Jahr ein Projekt mit dem sperrigen Titel "Zu Tisch - Besser iss das" begonnen, das Fleisch aus artgerechter Tierhaltung in Münchner Lokalen fördern will. Und dann ist da noch Manuel Reheis, Chefkoch und Miteigentümer des Restaurants Broeding in der Neuhauser Schulstraße, der seit jeher die Ziele all dieser Initiativen tatkräftig unterstützt.

Das Fleisch der Ziege wird unter anderem mit Rote-Beete-Risotto serviert. (Foto: Florian Peljak)

Reheis ist durch seinen bisherigen Azubi Beni Weber, der gerade seine Kochlehre abgeschlossen hat, auf den "Goassbauer" aufmerksam geworden. Der "Goassbauer", das sind Beatrix und Konrad Bauer, die bei Eurasburg seit mehr als zehn Jahren einen Bio-Hof mit Ziegen und Murnau-Werdenfelser-Rindern bewirtschaften. "Extrem imponierend" findet Reheis das, was die beiden da im Loisachtal machen. "Ich kenne Ziegenfleisch noch aus meiner Kindheit", sagt er, "aber dieses schmeckt anders, weniger intensiv als Lamm. Viele finden ja, Ziegenfleisch ,bockelt'. Ist aber nicht so." Und außerdem lasse sich mit fast allen Teilen des Tieres etwas anfangen.

In der Tat, so ist es. Reheis und seine Kolleginnen und Kollegen beginnen mit "Ziegenbeuscherl", also dem Pendant zum bayerischen sauren Lüngerl mit Gemüse-Julienne in eine leichten Rahmsauce, danach folgen Leber und Herz auf einem Grillspieß mit Gemüse. "Bis auf das Kronfleisch haben wir damit eigentlich das klassische Münchner Voressen", sagt Reheis. Voressen nannte man früher in bayerischen Wirtshäusern die Gerichte aus den weniger edlen Teilen des Tieres, Innereien und Zwerchfell etwa. Dass das durchaus edel ausfallen kann, wenn man es mit einem Tier aus artgerechter, biologischer Haltung zu tun hat, lernt man hier: Tatsächlich fehlt der allzu strenge Geschmack, den Innereien oft so mit sich bringen, gänzlich.

Ein Höhepunkt ist "Ash e anar", eine iranische Ziegensuppe. Weniger wegen des Hackfleischklößchens, sondern wegen der zwei Granatapfelsorten - süß und sauer - und des (ungiftigen) persischen Bärenklaus, der als Gewürz namens Golpar zum Einsatz kommt. Golpar - wo kauft man das denn ein? "Bei uns in der Straß' gibt's einen Orientshop", sagt Reheis. Der herkömmliche Supermarkt hat so etwas nicht.

Aber es geht ja darum, die ganze Bandbreite aufzuzeigen. Deshalb stehen neben Reheis auch weitere Köche am Herd: Marian Schmalacker vom Alten Wirt Grünwald und Fabian Huber vom Xaver's, Bernhard Wolf vom Bio-Bistro "Macht Sinn" aus Gmund, Andrea Kveder vom Biohof "Land.Luft" und Stefan Becker, der mit knapp über 50 plötzlich arbeitslos wurde und sein Hobby als Mietkoch zum Beruf gemacht hat. Das ergibt dann etwa geschmorte Ziegenschulter mit Orangengremolata und einem göttlichen Rote-Beete-Risotto, ein Olivenschnitzel aus der Keule mit Kartoffelsalat oder einen sous-vide-gegartem Ziegenrücken. Und zum Abschluss eine schön cremige Ziegenfrischkäsemousse: Es muss nicht immer Fleisch sein.

Das Ziel wurde jedenfalls erreicht. Am Ende ist die Runde der Förderer und Multiplikatoren, die mitessen durften, beeindruckt. Marlene Hinterwinkler von der Genussgemeinschaft ist glücklich, dass sich der Kreis der Wirte, die "Zu Tisch - Besser iss das" unterstützt, schon auf 20 erweitert hat. Sie ist zuversichtlich, dass sich der Gedanke durchsetzt: "Wir sind bereits in Gesprächen mit dem Hotel- und Gaststättenverband und den Innenstadtwirten."

© SZ vom 18.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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