Gastronomie in München:Der Kunde will den Wegwerfbecher

Gastronomie in München: Die Mehrweg-Variante gibt es Kaffee to go durchaus - doch sie hält nur schleichend Einzug in die Gastronomie.

Die Mehrweg-Variante gibt es Kaffee to go durchaus - doch sie hält nur schleichend Einzug in die Gastronomie.

(Foto: Lorenz Mehrlich)

Seit Anfang Januar gilt bundesweit die Pflicht, Alternativen zur Einweg-Verpackung anzubieten, doch so richtig klappt das noch nicht in München. Wie Stadt und Gastronomen mit dem neuen Gesetz umgehen und welche Ausnahmen es gibt.

Von Sarah Maderer

Im Großwirt am Rotkreuzplatz bestellt ein Mann einen Espresso im Einwegbecher und trinkt ihn aus, als er kaum zur Tür hinaus ist. Der Imbiss "Royal Healthy Slices" am Hohenzollernplatz muss im To-Go-Geschäft der Hygiene wegen noch immer auf die Holzbretter verzichten, die er vor Corona als Mehrwegteller nutzte.

Die Restaurantkette L'Osteria möchte ihre Pizzen in einer Mehrweg-Alternative verpacken, nur sind diese für die Standard-Boxen zu groß. Und Lieferando steckt noch in einer Testphase, wie Fahrer Mehrweggeschirr nicht nur ausliefern, sondern auch zurücknehmen könnten. Seit 1. Januar greift die sogenannte Mehrweg-Angebotspflicht, eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 2021.

Sie besagt, dass Gastronomiebetriebe Mehrweg-Alternativen zum Verpacken von Speisen und Getränken anbieten müssen. Dieses Gesetz soll den Verbrauch von Einweg-Verpackungen aus Kunststoff und Einwegbecher unabhängig vom Material reduzieren. Doch der große Umschwung bleibt seit dem Inkrafttreten aus. Woran hakt es?

Am Angebot von Mehrweg-Systemen jedenfalls nicht. Recup, Relevo und Vytal verzeichnen seit Monaten Rekorde an neuen Vertragsabschlüssen, Recup verkündete Mitte Januar sogar einen neuen Höchststand von deutschlandweit 20 000 Ausgabestellen. Einer dieser neuen Recup-Partner ist das guatemaltekische Café "Guatemuc" im Werksviertel. Man habe sich wegen des Pfandsystems für Recup entschieden, erklärt Restaurantleiterin Marlene Wildt. Konkret bezahlen ihre Kunden ein Pfand von einem Euro pro Becher und fünf Euro pro Schale und können diese dann so lange nutzen, wie sie möchten.

Gastronomie in München: Extreme Stoßzeiten in der Mittagspause machen den Betrieb im "Guatemuc" phasenweise hektisch.

Extreme Stoßzeiten in der Mittagspause machen den Betrieb im "Guatemuc" phasenweise hektisch.

(Foto: Lorenz Mehrlich)

Dagegen könnte ein App-Scan-Verfahren für alle ausgegebenen Becher und Schalen, wie es beispielsweise Relevo und Vytal nutzen, für Wildts Mittagsgeschäft "ein Genickbruch" sein, findet sie. Denn die Stoßzeiten im Werksviertel während der Mittagspause seien extrem. Manche Kunden behielten die Pfandware und ließen sie immer neu befüllen, andere kämen nach wie vor mit eigenem Geschirr. Noch halte sich aber im "Guatemuc" die Nachfrage nach Mehrweg-Verpackungen in Grenzen.

Gastronomie in München: Fünf Euro Pfand pro Schale nimmt man im "Guatemuc".

Fünf Euro Pfand pro Schale nimmt man im "Guatemuc".

(Foto: Lorenz Mehrlich)

Nicht nur die Gastronomen müssen sich an die neue Mehrwegpflicht gewöhnen, auch den Kunden mangelt es noch an Bewusstsein für nachhaltige Verpackungsalternativen. "Es gibt drei Arten von Kunden", sagt Irakli Lontaritze, der den griechisch-georgischen Imbiss "Royal Healthy Slices" am Hohenzollernplatz betreibt, ohne Sitzplätze ein reines Mitnahmegeschäft: "die, die tatsächlich engagiert sind; die, die nur mit dem Trend gehen, was ja immer noch ein Gewinn ist; und die, die Umweltschutz null interessiert."

Auch Michael Höfer, designierter Betriebsleiter im Haidhauser Augustiner, beobachtet in Sachen Mehrweg ein gewisses Maß an Wurstigkeit: "Mei, der eine hat die App nicht, der andere hat keinen Bock... - man muss halt auch aktiv werden." Im Haidhauser Augustiner habe man sich im Zuge der Mehrwegpflicht seit Januar dem Relevo-System angeschlossen. Und trotzdem: "Wenn pro Woche zwei solcher Schalen rausgehen, ist's schon viel", so Höfer zur Anlaufphase.

Das Gesetz hat Schwachstellen - so sind Papierverpackungen ausgenommen

Von der Kundenseite mal abgesehen, hat auch das neue Gesetz selbst Schwachstellen, die einen sofortigen durchschlagenden Erfolg von Mehrweg-Verpackungen ausbremsen. Papierverpackungen sind zum Beispiel vom Gesetz nicht betroffen, weshalb die "Big Player" im Verursachen von Einwegmüll, die Pizza- und Fast-Food-Branche, weiterhin ihre unbeschichteten Pappboxen ausgeben dürfen. Burger King, ebenfalls ein Recup-Neuzugang, McDonald's und Co. müssen lediglich für Getränke und Eis Mehrwegbecher bereithalten.

Auf Anfrage bestätigt Burger King Deutschland zwar das Vorhaben, künftig auch für andere Produkte Mehrweg-Alternativen anbieten zu wollen, dies sei allerdings mit "hohem logistischem, operativem und finanziellem Aufwand verbunden". Auch McDonald's habe nach "operativen sowie ökonomischen Faktoren" wie Verfügbarkeit, Liefersicherheit und Flexibilität entschieden. Seit Ende Dezember 2022 setzt der Fast-Food-Riese daher auf ein hauseigenes Mehrweg-Pfandsystem, bislang ebenfalls nur für Eis- und Getränkebecher.

Dem Pizza-To-Go-Geschäft könnte man anfängliche Berührungsängste noch am ehesten nachsehen, schließlich scheint die besondere Form einer Pizza kaum vereinbar mit den marktüblichen Mehrwegschalen. Doch auch solche Lösungen gibt es neuerdings. Sowohl Vytal als auch Relevo haben Mehrweg-Pizzaboxen entwickelt, und auch die werden nur verhalten angenommen. Relevo-Gründer und Geschäftsführer Matthias Potthast zufolge sei die Pizza-Lösung von Relevo so neu, dass sie im Münchner Umland noch von keinem einzigen Pizza-Restaurant genutzt werde. "Das zeigt leider auch die Zurückhaltung der Pizzabäcker, die ja nicht Teil der Gesetzesänderung sind", so Potthast.

Gastronomie in München: Die Pizza hat eine schwierige Form für eine Mehrwegverpackung...

Die Pizza hat eine schwierige Form für eine Mehrwegverpackung...

(Foto: Lorenz Mehrlich)
Gastronomie in München: ...es gibt aber bereits erste Optionen.

...es gibt aber bereits erste Optionen.

(Foto: Lorenz Mehrlich)

Doch auch ohne Gesetzesdruck zeigt sich vereinzelt die Bereitschaft zum Umdenken. Die Pizzakette "Nineofive" mit deutschlandweit fünf Standorten nutzt beispielsweise seit Ende des vergangenen Jahres als einer der ersten Partner Vytals Mehrweg-Pizzaboxen. Trotzdem gingen in der Münchner Filiale momentan nicht mehr als drei bis vier dieser Boxen pro Woche über den Tresen, berichtet Florian Kopp, Leiter der drei Standorte in Süddeutschland. Viele hätten die Mehrweg-Alternative für Pizza noch nicht auf dem Schirm, anderen sei aber auch Umweltschutz schlicht noch nicht wichtig genug, so erklärt sich Kopp diese enttäuschende Erfahrung. Trotzdem, eine Mehrweg-Alternative für Pizza anzubieten, passe gut zur "Nineofive"-Philosophie und verursache für sein Team keinerlei Mehraufwand.

Irakli Lontaritze vom "Royal Healthy Slices" hält einen Markt mit mehreren solchen Individualsystemen nicht für zukunftsfähig. Zwar ist sein Imbiss nicht vom neuen Mehrweggesetz betroffen, weil er über weniger als 80 Quadratmeter und fünf Beschäftigte verfügt, noch eine Ausnahme in der neuen Verordnung. Doch selbst wenn, fühlte sich Lontaritze zu schlecht über seine Optionen als Gastronom aufgeklärt, ihn störe das Überangebot von Mehrweganbietern sowie der ungünstige Zeitpunkt für eine solche Gesetzesänderung angesichts der noch immer andauernden Pandemie. Eine effektive Langzeitlösung sieht Lontaritze beispielsweise in einem zentral verwalteten, städtischen Ausgabe- und Rücknahmesystem. "Wir Unternehmer könnten dann für mitgebrachtes Mehrweggeschirr einen zusätzlichen Anreiz durch Rabatte auf Speisen bieten", schlägt er vor. Ein solches Modell könne München außerdem als Chance sehen, Vorreiter für andere Städte zu sein.

Die Stadt München setzt auf den Wettbewerb

Dagegen hält die Stadt München laut der Sprecherin des Referats für Klima- und Umweltschutz Gesine Beste "eine gesunde Wettbewerbssituation mit unterschiedlichen Anbietern für eine sinnvolle Lösung". Lediglich eine Ergänzung der bereits bestehenden Rückgabemöglichkeiten sei sinnvoll, was die Stadt derzeit prüfe. Für die Kontrollen zur Einhaltung des neuen Mehrweggesetzes seien außerdem noch im vergangenen Jahr zwei neue Stellen für die Untere Abfallrechtsbehörde genehmigt worden. Nach erfolglosen Belehrungen und Abmahnungen werde diese auch Bußgeldverfahren einleiten, so Beste. Die Bußgelder sollen dabei einzelfallbezogen festgelegt werden, bei erstmaliger Ahndung würden sie sich im dreistelligen Bereich bewegen. Laut Bundesumweltministerium können sogar Maximalbußgelder von bis zu 10 000 Euro anfallen.

Trotz aller Kontrollen hält Gesine Beste die Neuerungen der Mehrweg-Angebotspflicht noch für unzureichend: "Die Regelungen des Verpackungsgesetzes sind ein erster Schritt, aber nicht ausreichend im Sinne der Nachhaltigkeit." Auch das Bundesumweltministerium denkt nach eigenen Angaben schon jetzt über eine Ausweitung nach, sodass künftig alle Einwegverpackungen unabhängig vom Material betroffen sein könnten.

Bund, Stadt und Gastronomie sind sich also einig: Im Kampf gegen den Verpackungsmüll ist noch ein weiter Weg zu gehen. "Wir stecken in einer Übergangsphase", meint Michael Höfer vom Haidhauser Augustiner. Man müsse die Münchner zwar erst an Veränderung gewöhnen, aber bald werde es nur noch Mehrwegverpackungen geben, prophezeit er. Die Verantwortung, das voranzutreiben, liege aber mehr bei der Politik als bei den Gastronomen.

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