Süddeutsche Zeitung

Kultur in München:Lieferprobleme bremsen Gasteig-Interim

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Die Isarphilharmonie konnte planmäßig eröffnet werden, die Umzüge der Volkshochschule und der Hochschule für Musik und Theater hingegen verzögern sich um ein ganzes Semester.

Von Thomas Anlauf

Bei der Eröffnung der Isarphilharmonie im Interims-Gasteig HP8 gab es am 8. Oktober überschwängliche Worte: "Von der Isarphilharmonie sind alle begeistert: Chefdirigent, Musiker, Akustiker, Kulturjournalisten - fehlt nur noch das Publikum. Wenn auch das begeistert ist, habe ich eine leise Vorahnung, dass uns dieses Interim relativ lange erhalten bleiben wird", sagte Oberbürgermeister Dieter Reiter in seiner Rede. Und Alexandra Gruber, Soloklarinettistin der Münchner Philharmoniker, schwärmte: "Wir fühlen uns wie auf einer Insel der Glückseligen."

Zwei Monate nach der Eröffnung des viel bejubelten Konzertsaals hat sich bei einigen Mietern des neu- und umgebauten Gebäudekomplexes an der Brudermühlstraße allerdings Ernüchterung und Frust breit gemacht. Die Münchner Volkshochschule und die Hochschule für Musik und Theater können nicht so bald wie geplant in die Häuser nahe der Isar einziehen.

Die beiden Kulturinstitutionen, die bislang im Gasteig in Haidhausen beheimatet sind, hätten eigentlich spätestens im kommenden Februar in die neuen Räumlichkeiten umziehen sollen. Doch daraus wird nichts: In mehreren Gebäuden fehlen noch die Elektroinstallationen. Lieferprobleme, heißt es von Seiten der Gasteig München GmbH. Deren Geschäftsführer Max Wagner ist zerknirscht wegen der Verzögerung, aber letztlich auch machtlos.

"Wir hatten bislang wirklich viel Glück mit dem Bau", sagt Wagner. Schließlich fiel der Baubeginn des Interims-Kulturzentrums HP8 genau mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie zusammen. Trotzdem konnte zumindest die Isarphilharmonie punktgenau fertiggestellt werden.

Die große Eröffnungsparty war schon geplant

Doch bei einer derartigen Großbaustelle "bestehen einfach Risiken", nun hat eben dieser Lieferengpass von Elektroeinrichtungen zwei renommierten Kultureinrichtungen die Pläne durcheinander gebracht.

Besonders der Münchner Volkshochschule bereitet die Verzögerung am Bau große Schwierigkeiten. Erst zwei Tage vor Drucklegung des Volkshochschulkatalogs für Frühjahr und Sommer erfuhren die Verantwortlichen davon, dass sie wohl nicht vor Mai mit Teilen der Kurse und Veranstaltungen nach Sendling ziehen können.

Für die Eröffnungswoche des neuen Semesters Anfang März waren im HP8 bereits einhundert kostenlose Veranstaltungen und eine große Eröffnungsfeier geplant. Von März bis September hätten dort etwa eintausend Veranstaltungen stattfinden sollen.

Kurzfristig musste die Volkshochschule den Druck des Katalogs stoppen und bei den Veranstaltungsorten einfügen, dass diese noch rechtzeitig bekannt gegeben werden. "Für die Volkshochschule ist das schon ein richtiges Drama", räumt Gasteig-Chef Wagner ein.

Der abgesagte Umzugstermin im Februar "stellt uns vor ganz erhebliche Probleme", sagt Susanne May, Programmdirektorin der Münchner Volkshochschule. Die etwa eintausend Kurse zwischen März und September müssten "noch einmal angefasst und umgeplant werden", das sei eine "komplizierte Programmverlagerung an ganz unterschiedliche Orte" in München und eine "komplexe Rochade".

Im schlimmsten Fall fehlt eine siebenstellige Summe

Susanne May befürchtet nun, dass abgesehen von den logistischen Anstrengungen auch viele Kursteilnehmer irritiert sein dürften; schließlich müssten sie sich nun im Januar informieren, wo ihre Kurse oder gebuchten Veranstaltungen überhaupt stattfinden werden. Auch die Sendlinger Bevölkerung sei natürlich informiert und eingeladen worden, bei der Eröffnung im März dabei zu sein und auch Kurse in ihrer direkten Nachbarschaft zu belegen - all das fällt nun weg.

Im schlimmsten Fall droht der Münchner Volkshochschule, der deutschlandweit größten Einrichtung ihrer Art, ein immenser finanzieller Schaden. Susanne May befürchtet, dass es die Kultureinrichtung im schlimmsten Fall mit einer siebenstelligen Summe treffen könnte - und das in einer anhaltenden Corona-Lage, in der "die Situation ohnehin angespannt" sei.

"Ich hoffe, dass die Volkshochschule nicht auf den Kosten sitzenbleibt", sagt die Programmdirektorin. Gasteig-Geschäftsführer Max Wagner ist sich hingegen sicher: "Falls Schäden entstehen, werden sie, wo möglich, übernommen." Eventuell könnte auch die Stadt einspringen; am Freitagvormittag tagte der Aufsichtsrat des Gasteig und informierte sich über die aktuelle Situation.

Ärgerlich, wenngleich wohl nicht ganz so dramatisch wie für die Volkshochschule, ist die Bauverzögerung für die Hochschule für Musik und Theater München. "Wir hatten ursprünglich den Umzug von 17. März an geplant", sagt Hochschul-Sprecherin Maren Rose. "Das schaffen wir natürlich nicht."

Das Warming-up könnte bis Juni dauern

Da die Übungs- und Unterrichtsräume einer der größten deutschen Hochschulen im kulturellen Sektor im Gasteig voll belegt seien und bis auf Weiteres genutzt werden könnten, werde man bis August komplett in Haidhausen bleiben und dann erst umziehen.

Schneller soll es mit der Gastronomie im Interims-Kulturzentrum in Sendling gehen. Florian August, der das "Mona" im Hilton an der Rosenheimer Straße sowie das "Baba`" im Gasteig betreibt, ist schon mit der Pausengastronomie und dem "News&Deli" im Gebäudekomplex des HP8 eingezogen. Spätestens im Mai soll das Restaurant "Gaia" mit großer Terrasse eröffnen.

Nach dem neuen vorläufigen Plan des Gasteig könnte im Februar der Probensaal in Haus C fertig sein, im Mai sollten sämtliche Baustelleneinrichtungen an den Außenfassaden abgebaut, außerdem das Haus G mit den Räumen für die Hochschule für Musik und Theater, die Münchner Philharmoniker und Büros für die Gasteig München GmbH fertiggestellt sein.

Im Juni könnte auch das Haus K für die Volkshochschule und der kleine Saal bezugsfertig sein. Susanne May kann darauf momentan nur hoffen. Der Umzug werde aber auf jeden Fall "das längste Warming-up Münchens".

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