Tanzen in MünchenAus Spaß an der Bewegung

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Zum Auftakt von "Tanz den Gasteig" geht es am Nachmittag beim Tanztee in der Isarphilharmonie noch recht gemütlich zu.
Zum Auftakt von "Tanz den Gasteig" geht es am Nachmittag beim Tanztee in der Isarphilharmonie noch recht gemütlich zu. (Foto: Catherina Hess)

Von der bayrischen Polka bis hin zu afrikanischen Rhythmen können die Teilnehmenden am "Tanz den Gasteig" alle möglichen Stilrichtungen ausprobieren. Tausende Münchnerinnen und Münchner folgen der Einladung zu der kostenlosen Veranstaltung.

Von Andreas Schubert

Wenn's nur so einfach wäre, wie es aussieht: Ein paar hundert Menschen, Jung und Alt, haben sich vor der Freiluftbühne auf dem Sendlinger Gasteig-Gelände aufgestellt und folgen den Anleitungen der Tanzlehrerin. Die trägt stilecht ein Pailletten-Glitzerkleid, schließlich geht es bei diesem Workshop um Charleston, den Kulttanz aus den Zwanzigerjahren.

Tap-Schritt, Tap-Schritt, die Arme seitlich schwingen, die Hüfte dabei nicht zu steif. Die Musik ist langsam, so weit klappt das bei den meisten noch ganz gut. "Aber das geht noch schneller", ruft die Tänzerin auf der Bühne ins Mikrofon. Jetzt klingt richtig schwungvoller Charleston aus den Boxen, und hier trennt sich, rein bewegungstechnisch, die Spreu vom Weizen. Ein Großteil bekommt das auch bei dem neuen Tempo hin, die Ellbogen schwingen nach außen, die Beine gleiten locker über den Boden, während Max Raabe zum Klang seines Palastorchesters singt.

Und doch wird einem bewusst, dass der Tanzkurs in der Schulzeit schon ein paar Jährchen her ist. So richtig locker kommt man sich selber nicht vor. Trotzdem ist da keine Sekunde das Gefühl, dass man spöttischen Blicken ausgesetzt sein könnte. Hier geht es um den Spaß an der Bewegung, an der Musik und am gemeinsamen Erlebnis. Überall sieht man fröhliche Mienen, die Atmosphäre ist entspannt, und doch vibriert es an allen Ecken und Enden.

Beim Salsa-Tanzen in Halle E vibriert die Luft.
Beim Salsa-Tanzen in Halle E vibriert die Luft. (Foto: Benedikt Feiten)
Den richtigen Hüftschwung lernen die Freizeit-Tänzerinnen und Tänzer beim Hoop-Workshop mit Reifen.
Den richtigen Hüftschwung lernen die Freizeit-Tänzerinnen und Tänzer beim Hoop-Workshop mit Reifen. (Foto: Catherina Hess)

Tausende sind am Samstag der Einladung des Gasteigs zu "Tanz den Gasteig" gefolgt. Schon in den beiden Jahren davor war die Veranstaltung ein großer Erfolg. Und diesmal, was auch dem stabilen Wetter geschuldet war, wuselt es auf dem gesamten Gelände, wo auf zehn Locations innen und außen so gut wie alles rund um den Tanz zu erleben war und die Besucher alle möglichen Tanzstile ausprobieren oder zumindest dabei zusehen konnten - vom bayerischen Volkstanz bis hin zum südafrikanischen Umzansi-Tanz.

Tradition trifft Moderne: Am Nachmittag geht es beim Tanztee in der Isarphilharmonie sehr gemütlich zu, während gleichzeitig im Foyer Kinder Breakdance üben, viele haben sich vorher noch von der "Make-up Artist Factory" ein kostenloses Festival-Styling mit Glitzer im Gesicht und Bändchen im Haar verpassen lassen.

Tanzen ist im Trend seit TV-Shows wie "Let's Dance"

Der Andrang überrascht nicht wirklich. Fernseh-Shows wie "Let's Dance" sind populär, erst am Freitag verfolgten mehr als vier Millionen Zuschauer das Finale auf RTL, Marktanteil: über 21 Prozent. Und wer an einem Workshop in einem der kleineren Säle teilnehmen will, ist gut beraten, sich rechtzeitig anzustellen.

Beispielsweise beim "Voguing"-Kurs. Der Tanzstil ist benannt nach der Modezeitschrift Vogue, erfährt man auf der Homepage des Gasteigs. Es handelt sich um expressive und körperbetonte Bewegungen, ein Stil, der in den Siebzigerjahren in der Ballroom-Szene der queeren Subkultur in New York entstanden ist. Die Arme und Hände sind für den Ausdruck enorm wichtig, das kann sexy und elegant aussehen, wenn man es kann.

Beim Gespräch in der Warteschlange mit Teilnehmenden, die sich schon eine Stunde vorher anstellen, lernt man halbe Profis kennen und solche, die noch nie von Voguing gehört haben, aber einfach nur neugierig sind. Selbst mitmachen ist angesagt.

Tanzlehrerin Camila bewegt sich mühelos fast schlangenartig, viele der Kursteilnehmer tun es ihr gleich. Und auch die eigenen Arme wussten bisher nicht, dass sie zu solchen Bewegungen fähig sind - ein gutes Gefühl und die Erkenntnis: Man muss sich einfach nur trauen. Das gilt auch für die anderen Programmpunkte. Beim "Female Hip-Hop" in Halle E zeigen viele (auch ältere) Männer keine Scheu.

Die Veranstalter haben viel Wert auf Abwechslung gelegt. Vor dem Foyer respektive der Halle E wiegen sich Dutzende Menschen mit Kopfhörern zu Beats, die nur sie selbst hören. Hier ist der Treffpunkt für die Silent Disco. Jede und jeder tanzt für sich, ohne dass andere unfreiwillig beschallt werden. Das Konzept ist nicht neu, aber rein emissionstechnisch überaus umweltfreundlich. Auf dem ganzen Gelände sieht man Menschen mit Kopfhörern still vor sich hintänzeln, sei es in der Warteschlange vor dem Foodtruck oder am Getränkestand.

Breakdance-Battle gehört zu den Höhepunkten der Veranstaltung. Für Kinder gibt's zuvor einen Basic-Breakdance-Workshop.
Breakdance-Battle gehört zu den Höhepunkten der Veranstaltung. Für Kinder gibt's zuvor einen Basic-Breakdance-Workshop. (Foto: Catherina Hess)

Die Vorführungen in der Isarphilharmonie sind gut besucht. Weil nur der untere Parkett-Bereich geöffnet ist, sind schon bei der "Tanz-der Vampire"-Show der Abraxas Musical Akademie die Plätze rar. Zum eigentlichen Höhepunkt des Abends, dem Breakdance Battle, bei dem junge Tänzerinnen und Tänzer gegeneinander antreten, kommen gar nicht mehr alle Interessierten in den Saal. Das sorgt bei aller guten Stimmung doch vereinzelt für Unmut und Enttäuschung. Auf Nachfrage erklärt eine Mitarbeiterin am Info-Stand, man habe nicht mit so einem riesigen Andrang gerechnet, beim nächsten Mal werde man das anders organisieren.

Wer das Breakdance-Battle verpasst, vergnügt sich anderweitig, etwa bei der Vintage-Tanzparty im Freien oder beim Salsa-Workshop im Foyer. Noch am späten Abend spucken die Busse der MVG immer wieder neue Besucher aus. Sie kommen zur After-Show-Party und zum HP8-Clubbing, nicht wenige sind dabei der Einladung, "extravagante Looks" zu tragen, gefolgt.

Der Abend zeigt: Während für die vielen Rockkonzerte, die heuer in München stattfinden, teils Hunderte Euro pro Ticket fällig werden, kann man auch sehr viel Spaß haben, ohne hinterher Privatinsolvenz anmelden zu müssen. Das HP8 hat sich als Ort der Kultur für alle etabliert. Und wer sich das weitere kostenlose Programm für dieses Jahr auf gasteig.de/veranstaltungen anschaut, stellt fest: Langweilig muss es einem in diesem Sommer in München ganz bestimmt nicht werden.

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