Bildungspolitik:München setzt auf Ganztagsschulen

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In der Grundschule Berg am Laim gibt es das Angebot für den kooperativen Ganztag bereits seit 2019. (Foto: Stephan Rumpf)

Von 2026 an gilt für alle Grundschulkinder ein Rechtsanspruch auf eine Betreuung über die Unterrichtsstunden hinaus. Die Landeshauptstadt hat sich dafür ein besonderes Modell überlegt.

Von Heike Nieder

Auf der Fensterbank stapeln sich offene Pappkartons, ein besonders großes Paket wurde am Morgen geliefert. Frank Hilgenberg, Leiter des sogenannten Kooperativen Ganztags der Grundschule Berg am Laim, zeigt auf die Kisten. "Wir sind gerade am Auspacken, die Kinder helfen mit." Auf dem Boden liegt ein Oval aus zusammengesteckten Schienen. Lokomotiven, Waggons und Modellhäuschen sind noch verpackt, werden aber in den kommenden Tagen ausgeräumt. Dass die Betreuungseinrichtung auf den Zug gekommen ist, hat sie dem Engagement der dort arbeitenden Erzieherinnen und Erzieher zu verdanken. Sie haben bei einem Wettbewerb eine große Modelleisenbahnanlage gewonnen. Eines von vielen Projekten im kooperativen Ganztag dieser Grundschule.

Kooperative Ganztagsbildung - dahinter verbirgt sich ein Modell, das die Stadt München zusammen mit dem bayerischen Sozial- und Kultusministerium entwickelt hat. Von 2026 an haben alle Grundschulkinder in Deutschland einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz nach dem Unterricht. In München soll das Modell des Kooperativen Ganztags, kurz KoGa, dafür sorgen, diese Betreuungssicherheit zu gewährleisten. Das Besondere ist die maximale Flexibilität, die der KoGa den Eltern bietet - im Unterschied beispielsweise zu Mittagsbetreuungen oder Horten. Mittagsbetreuungen können selten eine Betreuungszeit bis in den Abend gewährleisten, auch gibt es häufig kein Ferienangebot. Horte ermöglichen den Eltern oft keine Flexibilität bei den Buchungszeiten.

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Das alles gibt es aber im KoGa: Abholzeiten und Betreuungstage sind individuell buchbar - täglich bis 18 Uhr, auch in den Ferien. Sowohl Kinder der Regelklassen als auch Kinder der Ganztagsklassen, die bis 15.30 Uhr Unterricht haben, können den KoGa nutzen. Träger dieser Ganztagsbetreuung in den Schulen ist entweder die Stadt selbst, aber auch kirchliche oder freie Träger kommen in Frage. In diesem Schuljahr wird der KoGa an 20 von 138 Grundschulen in München angeboten. Eine Einführung an weiteren Standorten werde intensiv geprüft und vorangetrieben, sagt Andreas Haas vom Referat für Bildung und Sport.

In der Grundschule Berg am Laim gibt es den KoGa seit 2019. Die Schule steht exemplarisch dafür, wie die Schulen in der Praxis mit der theoretischen Idee des KoGa umgehen. Zwar bekam die Schule 2018 einen großen Neubau, ein "Lernhaus", das sowohl für den Unterricht als auch für die Betreuung der Kinder im damals noch existierenden Tagesheim genutzt werden sollte. Das Tagesheim besuchten damals etwa 100 Schüler und Schülerinnen. Zusätzlich gab es im Altbau der Schule eine Mittagsbetreuung, die von Eltern organisiert wurde.

Plötzlich hatte sich die Zahl der Kinder verdoppelt - Kreativität war gefragt

Mit der Einführung des KoGa wurde das Tagesheim abgeschafft, ein Jahr später folgte die Mittagsbetreuung. Es gab nun eine Betreuungsplatzgarantie für alle Kinder der sechszügigen Schule im KoGa. "Plötzlich hatte ich eine Verdoppelung der Kinderzahl", sagt Hilgenberg. Zwar gibt es noch zwei Horte in der näheren Umgebung der Schule, trotzdem stieg die Anzahl der Anmeldungen im KoGa auf derzeit 260 Kinder.

Frank Hilgenberg ist Leiter des Kooperativen Ganztags (KoGA) an der Grundschule Berg am Laim. (Foto: Stephan Rumpf/Stephan Rumpf)

Im kommenden Schuljahr sollen sogar 300 Kinder im KoGa betreut werden. Weil es Hilgenberg wichtig ist, dass Klassenräume und Gruppenräume für die Nachmittagsbetreuung getrennt sind - "Sonst verbringen die Kinder den ganzen Tag im selben Raum!" -, musste er kreativ werden. Er richtete Gruppenräume nicht nur im Lernhaus ein, sondern auch in nicht für den Unterricht benötigten Klassenräumen im Altbau der Schule. Auch die Räume der ehemaligen Mittagsbetreuung werden inzwischen vom KoGa genutzt.

Hilgenberg führt mit Enthusiasmus durch die Räume, man merkt ihm an, dass er seinen Beruf mit viel Herzblut ausübt. Der KoGa sei eine Chance für die Kinder, sagt er. Durch die Betreuungsplatzgarantie für alle kämen auch Mädchen und Jungen, die unter den vorherigen Bedingungen keinen Betreuungsanspruch gehabt hätten, die aber eine Förderung außerhalb des häuslichen Umfelds dringend benötigen. Im sogenannten Kitafinder, einem Onlineforum der Stadt, das die Betreuungsplatzvergabe zentral steuert, müssen Eltern an Schulen ohne KoGa nach wie vor angeben, wie viele Stunden sie berufstätig sind. Wer zu Hause ist oder zu wenig arbeitet, bekommt für sein Kind keinen Platz.

Nach dem Unterricht gibt es ein gemeinsames Mittagessen in der Mensa. (Foto: Stephan Rumpf/Stephan Rumpf)

An der Grundschule Berg am Laim besuchen auch etliche Kinder aus Flüchtlingsunterkünften den KoGa. Sie essen zusammen mit ihren Altersgenossen in der großen Mensa zu Mittag, danach ist Freispiel, dann Lernzeit, während der von Montag bis Donnerstag die Hausaufgaben erledigt werden. "Wir sind nah dran an den Kindern und in engem Austausch mit den Lehrern", sagt Hilgenberg. Kinder, die noch nicht so gut Deutsch können, werden gefördert. Nach den Hausaufgaben können die Kinder drinnen oder draußen spielen.

In den Gruppenräumen gibt es einen Basteltisch, eine Bauecke, ein Sofa zum Kuscheln und Bücher anschauen und häufig sogar eine Küche. Auch die Turnhalle wird gern zum Fußball- oder Basketballspielen genutzt. Freitags müssen die Kinder ihre Hausaufgaben zu Hause erledigen, denn da soll Zeit sein für größere Projekte oder Ausflüge. Zum Beispiel an die Isar. Für die achtjährige Ariadne war die "Isarparty" einer der schönsten Nachmittage im KoGa. "Wir durften mit den Füßen ins Wasser", erzählt sie. "Da stand ein Stuhl, auf den hat sich mein Freund draufgesetzt. Das war dann unser Isarkönig."

Elterliche Bildung und Schulerfolg der Kinder sind eng verknüpft - das führt zu strukturellen Problemen. (Foto: Stephan Rumpf)

Um solche Projekte zu ermöglichen, braucht es allerdings auch genügend Personal. Im KoGa in Berg am Laim arbeiten neben Erziehern und Erzieherinnen auch einige Frauen, die eine Ausbildung zur pädagogischen Ergänzungskraft im Grundschulbereich absolvieren. Diese Ausbildung für Quereinsteiger ist eine von mehreren Anstrengungen der Stadt, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, und den Ganztagsanspruch von 2026 an für jedes Grundschulkind auch möglich zu machen. Denn, so formuliert es Bettina Betz vom Schulamt: "Die Gebäude sind oft da. Was fehlt, sind die Erzieher."

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