Süddeutsche Zeitung

München:Ganz ohne komplizierte Wörter

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Bei einer Podiumsdiskussion zur Wahl im September versuchen Vertreter der gelben, roten, grünen und schwarzen Partei auf Politikersprech zu verzichten

Von Katja Gerland, München

Wenn Daniel Föst (FDP) am Montagabend von der Legislaturperiode spricht und Jamila Schäfer (Grüne) mehr erneuerbare Energien fordert, ist immer der gleiche Satz zu hören: "Es waren wieder komplizierte Wörter dabei." In der digitalen Podiumsdiskussion "Einfache Wahl Bundestag" des Münchner Demokratie-Lokals, der auch Sebastian Roloff (SPD) und Anja Burkhardt (CSU) beiwohnen, sind jedoch keine komplizierten Wörter erlaubt. Vielmehr geht es darum, politische Sachverhalte in eine möglichst einfache Sprache zu verpacken.

Denn das, erklärt die Leiterin des Demokratie-Lokals, Hannah Suttner, komme in der Politik viel zu selten vor. "Man ist darauf getrimmt, intelligent zu sprechen", sagt sie. Dann werde ein Satz auch gerne mal mit vielen Fachwörtern oder Synonymen bestückt und möglichst in die Länge gezogen. "Ein Haus bleibt dann nicht ein Haus, sondern wird zur Immobilie oder zum Gebäude", so Suttner. Das stelle etwa Menschen mit Einschränkungen, Nicht-Muttersprachler oder Menschen mit beginnender Demenz vor mehrere Probleme: Sie können den typischen "Politikersprech" nicht immer verstehen, die Inhalte nicht nachvollziehen und werden infolgedessen indirekt von politischer Beteiligung ausgeschlossen.

Hannah Suttner möchte diese Barriere mit Podiumsdiskussionen in leichter Sprache zumindest ein Stück weit aufheben. Schon im vergangenen Jahr stellten sich Politiker vor der Kommunalwahl der Herausforderung, in leichter Sprache zu diskutieren. Weil die Veranstaltung damals "erstaunlich gut" angenommen wurde, sei es außer Frage gestanden, die Wahlprogramme der Parteien auch vor der Bundestagswahl in diesem Jahr in leichter Sprache vorzustellen, sagt Suttner.

Das Konzept bleibt das gleiche, auch wenn nun pandemiebedingt zum Onlineformat gewechselt wurde: Die Zuschauer können während der Diskussion selbst entscheiden, ob sich die Politiker bei ihrer Präsentation geschickt anstellen. Während sie im vergangenen Jahr noch Schilder mit der Aufschrift "Einfache Sprache, bitte!" hochgehalten haben, dient in diesem Jahr ein Knopf auf der Website dazu, die Sprechweise der Politiker zu bewerten. Sammeln sich die Beschwerden, fordert Moderatorin Elisabeth Raschke ihre Gäste auf, die Inhalte in leichter Sprache zu erklären, oder fasst das Gesagte selbst in verständlicher Form zusammen.

So übersetzt Raschke die Legislaturperiode in "die Zeit vom jetzigen Bundestag", erneuerbare Energien werden zu "Energien aus Sonne, Wind und Wasser". Und auch die Parteien der Politiker bekommen kurzerhand neue Namen: Die FDP wird zur "gelben Partei", die SPD zur roten und die CSU zur schwarzen Partei umbenannt. Bei den Fragen, die einige der etwa 250 Zuschauerinnen und Zuschauer vorab eingesendet haben, geht es aber ohnehin nicht um den Klimawandel oder das Wahlsystem. Die Fragesteller wollen etwa wissen, wie die Kandidaten die Arbeitslosigkeit unter Menschen mit Einschränkungen reduzieren möchten. Die gelbe Partei will "weniger Regeln für Unternehmen", die Grünen "mehr Arbeitsplätze in Energien aus Sonne, Wind und Wasser", und Roloff von der roten Partei findet, dass "jeder, so gut er eben kann", arbeiten können sollte. In einer Sache sind sich die Politikerinnen und Politiker jedoch sofort einig: Man müsse sich mehr darum kümmern, dass man von allen verstanden wird.

Hannah Suttner zeigt sich im Anschluss an die Diskussion zufrieden mit den Gästen. Zwar könne sie nicht für die Betroffenen selbst sprechen, ihrem Eindruck nach sei die Diskussion aber "ziemlich nah an leichte Sprache gekommen". Alle Bundestagskandidaten hätten sich "erstaunlich gut" darauf eingelassen, ihre Inhalte verständlich zu erklären, besonders gut habe sich Daniel Föst geschlagen. Mit einzelnen Podiumsdiskussionen vor Wahlen ist es jedoch nicht getan, findet Suttner. Schließlich fehle vor allem im Alltag das Bewusstsein, dass nicht alle Menschen "Politikdeutsch" verstehen.

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SZ vom 28.07.2021
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