Für die einen war es ein voller Erfolg, für die anderen vertane Liebesmüh: das neu konzipierte und vorverlegte Gallery Weekend des Galerieverbands Open Art Munich. Da wird einerseits von vielen, sehr verschiedenen, interessierten Besuchern, vertrauten Sammlern und neuen Gesichtern berichtet sowie vom neuen Sommertermin und der ebenfalls neuen Kooperation mit der Oper geschwärmt. Es gibt aber auch Klagen über Besucherrückgänge und ausbleibende Sammler, wofür die Terminverlegung verantwortlich gemacht wird. Manche fordern deshalb eine Rückkehr in den September und sehen in der Opern-Kooperation zu wenig Nutzen. Allein: Alles zurück auf Anfang – kann das die Lösung sein? Und wollen das alle, vor allem die jüngeren Galeristinnen und Galeristen, von denen es inzwischen doch erfreulich viele gibt?
Dass die Münchner Szene für zeitgenössische Kunst sich stark verändert hat, ist unbestritten. Ausgerechnet in der Stadt, die in den Fünfziger- und Sechzigerjahren, sogar bis in die Achtzigerjahre hinein als Vorreiter einer lebendigen und innovativen Galerieszene galt, wird der „scheenen Leich“ in jüngster Zeit häufig das Wort geredet.
Fakt ist: Die Gründer sind alt geworden, die mittlere Generation schaffte es selten, über München hinaus zu agieren, lange fehlte es an Nachwuchs. Zuletzt hat sich die Zahl privater Galerien mit Ladengeschäft und festen Öffnungszeiten, die am Open Art Gallery Weekend teilnehmen, drastisch reduziert. Waren es früher bis zu 65, sind es heute kaum noch 40. Etliche Galerien sind verschwunden. Manche still und geregelt. Andere lautstark und ziemlich ungeregelt.

Bei letzteren denkt man vor allem an die Galerie Thomas. Dem einst leuchtenden Stern nicht nur am Münchner Kunsthandels- und Galeriehimmel wird Betrug und Insolvenzverschleppung vorgeworfen, ein Strafverfahren gegen Gründer Raimund Thomas ist eröffnet.
Aber auch wenn gerade noch ein weiterer Skandal Schlagzeilen macht – diesmal kommt die Galerie aus dem Bereich der Alten Kunst, es ist der ebenfalls insolvente Porzellan- und Antikhändler Röbbig –, sollte man nicht von dem einen auf alles schließen. Zudem und ohne jemanden von Schuld freisprechen zu wollen: Menschen, die mit Leidenschaft für ihre Sache brennen und ihre Lebensleistung untergehen sehen, verkennen allzu gerne und oft viel zu lange, dass die Hütte nicht nur kokelt, sondern lichterloh in Flammen steht.

Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt:Führender Händler von wertvollstem Porzellan ist insolvent
Die Kunsthandlung Röbbig in München, einer der weltweit führenden Händler für Meissener Porzellan, muss Insolvenzantrag stellen. Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf „Betrug und Untreue“.
Doch zurück zur zeitgenössischen Kunst und der Münchner Galerieszene. Der Hype um Berlin als Galeriestandort nach den Nullerjahren führte zu vergleichsweise wenigen Abwanderungen aus München. Ein Verlust war ganz klar die Schließung der Galerie Sprüth Magers. Und doch gingen die Galerieräume an sich nicht verloren, denn dort eröffnete Walter Storms seine zweite Galerie, die längst zum Hauptstandort geworden ist. Und wie quietschfidel der inzwischen 78-jährige Storms noch immer ist, lässt sich an der Nachricht erkennen, dass er in Berlin gerade eine neue Galerie eröffnet hat.
Aufgegeben haben Galeristen in den zurückliegenden Jahren das Geschäftsmodell Ladengeschäft aus den verschiedensten Gründen. Die Galerie Kampl hat überwiegend aus gesundheitlichen Gründen geschlossen, Margret Biedermann hat ihr Geschäft altersbedingt stark verkleinert. Und Barbara Gross hat aus dem gleichen Grund vor einigen Jahren ebenso aufgehört wie vor wenigen Monaten Karin Sachs. In deren Räume an der Augustenstraße ist nun die Smudajescheck Galerie eingezogen, um näher am Kunstareal zu sein.

Daniel Blau, der Sohn des Malers Georg Baselitz, hat Anfang des Jahres bekannt gegeben, die Ausstellungstätigkeit zu beenden und sich fortan dem Family-Business zu widmen. Auch bei Bernd Klüser sah man Veränderungen. Die Verschiebungen auf dem Kunstmarkt hat der studierte Jurist fein beobachtet. Nachdem ein zweiter Standort nach nur wenigen Jahren wieder geschlossen wurde und Tochter Julia den Versuch, in Klüsers Fußstapfen zu treten, aufgab und sich anderen beruflichen Zielen zuwandte, fragte man sich, wie es weitergehen würde. Nun hat Bernd Klüser, der inzwischen 80 Jahre ist, zum 1. Juli dieses Jahres „die Ausstellungstätigkeit im klassischen Sinne aufgegeben“. Er betont aber, „die Galerie Klüser bleibt weiterhin Mitglied (der Open Art, Anm. d. Red.) und schließt ihre Räumlichkeiten nicht“. Es gebe weiter „kleine Ausstellungsformate“ am alten Standort in der Georgenstraße.
Häusler hat sich vor einigen Jahren bereits aus München zurückgezogen, um sich auf den Standort Zürich zu konzentrieren. Die Räume seitlich der Maximilianstraße hat Max Goelitz (zeitweilig Galeriedirektor bei Häusler) übernommen. Er hat allerdings angekündigt, demnächst innerhalb Münchens einen neuen Galeriestandort zu beziehen. Wo das sein wird, will er noch nicht verraten. Für einige Jahre hatten Nagel Draxler (Köln/Berlin) eine kleine Dependance in der Münchner Türkenstraße, diese hat nun Kraupa-Zuskany Zeidler (Berlin) übernommen. Und etwa da im Kunstareal, wo einst Marie José van de Loo war, ist heute die Galerie Oriane, die aus Frankfurt kam.

Kunstmarkt in München:Sie wollen das Ding rocken
Lockdown, Online und steigende Kosten setzen den Galerien für zeitgenössische Kunst zu. Dass in München gleich mehrere neue Player - allesamt Frauen - auftauchen und andere sogar expandieren, ist ein gutes Zeichen.
Überhaupt haben in den zurückliegenden Jahren weitere Galeristinnen und Galeristen, darunter viele jüngere, den Standort München und das klassische Galeriemodell für sich entdeckt. Als da wären: Johannes Sperling, Britta Rettberg, Nir Altman, Nicole Gnesa und Paulina Caspari. Claudia Quittenbaum hat einen Teil der Kunsthandelsräume freigeräumt und eine eigene Galerie eingerichtet. Heckenhauer ist in die Räume von Susan Boutwell gegenüber dem Museum Brandhorst gegangen, die Galerie Leu ist nun dort in der Türkenstraße zu finden, wo lange Zeit die Architekturgalerie zu Hause war. Die unterzieht inzwischen den Blumenbunker am Viktualienmarkt einer kontinuierlichen Transformation.
Ingrid Lohaus und Sofia Sominsky gründeten ebenso eine neue Galerie wie Dietlinde Behncke. Und auch Nouveaux Deuxdeux, Tiger Room, Konsum163 sowie die beiden von Johannes Rodach eröffneten Galerien Kunzt66 und Ping Rodach gibt es noch nicht allzu lange. Kann man da wirklich von einem Galeriesterben sprechen? Wohl kaum.

Kunst zeigen in mageren Zeiten:Mit frischen Ideen gegen die Krise
Warum die Münchner Kunstinitiative Various Others mit einem Luxushotel kooperiert, wieso sie nun im Frühjahr stattfindet und welche Rolle Trumps Zollpolitik spielt. Ein Interview mit Christian Ganzenberg, dem Leiter der Initiative.
Natürlich hat die Gründung der Kunstinitiative Various Others, die 2018 an den Start ging und seither auch etliches ausprobiert hat, einiges verändert. Manche Galerien haben sich vom Galerieverband, der Open Art, verabschiedet und nehmen ausschließlich an Various Others teil, andere machen bei beiden mit. Und das betrifft sowohl alt eingesessene Galeristen wie Neugründungen. Außerdem haben alle ihr Online-Geschäft massiv ausgebaut. Ohne das geht gar nichts mehr.
All diese Veränderungen haben dazu beigetragen, dass die Galerieinitiative nach einer Erneuerung strebte. Neben dem veränderten Namen und dem verlegten Termin sucht man nach Kooperationen wie der mit den Opernfestspielen. Wie diese Veränderungen bei den Galerien, den Sammlerinnen und Sammlern sowie dem kunstinteressierten Laufpublikum ankommen würde, war danach die spannende Frage.
Dass diese nicht einheitlich beantwortet werden würde, wie oben ausgeführt, war absehbar. Dass beispielsweise die Galerien, die im Kunstareal liegen, die höchste Besucherfrequenz hatten – wen wundert’s. Hier ist die größte Dichte, das Publikum schlendert von einer zur anderen Galerie. Wer abseits solcher Pfade liegt, hat’s schwerer. Auch wer Teil der geführten Rundgänge war, profitierte.
Eine Neuerung scheint für alle ein Erfolg gewesen zu sein: Das waren die kleinen, aber hochinteressanten „Wanderkonzerte“, die Musiker der Oper in mehreren Galerien gaben. Dadurch betraten tatsächlich etliche Besucherinnen und Besucher erstmals eine Galerie. Manche eben auch mehrere, weil sie von Stadtviertel zu Stadtviertel wanderten. Ob der Termin im Sommer prinzipiell besser ist als der im Herbst, da gehen die Meinungen am weitesten auseinander. Vielleicht braucht es aber auch mehr als einen Versuch, bis sich die Kunst-Crowd darauf eingestellt hat. Nur eines dürfte klar sein: Was so lebendig und vielfältig ist, kann nicht tot sein.

