Galerie Handwerk:Wo die Mieze in der Design-Swing abhängt

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Entspannung pur: „Monacos“ Hängematte aus gefilzter Merinowolle soll bald auch andere Katzen einlullen. (Foto: oh)

Eine Hängematte für Katzen und ein Penthouse für Meerschweinchen: In der Galerie Handwerk ist eine Schau mit ganz besonderen Haustier-Unterkünften zu sehen.

Von Sonja Niesmann, Maxvorstadt

Im kalifornischen Silicon Valley sollen Hühner ja gerade das ultimative Statussymbol sein. Hier also ein heißer Tipp für gut verdienende Programmierer und CEOs, denen auch an einer standesgemäßen Behausung fürs Federvieh gelegen ist: ein "fahrbares Stadthühnerhaus" aus gebürsteter Weißtanne und Edelstahl. Oder ein Hühnerhaus aus lasiertem Fichtenholz, groß wie ein Gartenschuppen, mit Auslauf und Rollzaun, Qualitätsarbeit der fränkischen Schreinerei Manz, zu sehen, sogar zu begehen und zu erstehen in der Ausstellung "Katz - Maus - Haus", die gerade in der Galerie Handwerk zu sehen ist.

Längst sei es Zeit für solch eine Schau, findet Kuratorin Angela Böck. 34 Millionen Haustiere leben ihrer Recherche zufolge in deutschen Haushalten. Und da die Liebe des Menschen zu Hund, Katz und Kanarienvogel kaum Grenzen kennt, oft auch keine finanziellen Grenzen, ist eine lukrative Haustier-Industrie entstanden, und auch die Design-Branche schleicht sich an. Hundekörbe, Katzenbäume, Hasenställe gibt's schon zuhauf, mehr oder weniger schick - doch Angela Böck hat Handwerksbetriebe und Gestalter aus sieben Ländern gebeten, originelle aber auch funktionelle Behausungen für Hund, Katz, Meerschwein, Käfer und Co. zu entwerfen; auch die Zimmerer-Lehrlinge der Münchner Bau-Innung haben Eigenheime für Bello und Bazi beigesteuert.

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Kuschelig fürs Federvieh - ein fahrbares Hühnerhaus - und künstlerisch für die Kohlmeisen: ...

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... Vogelhäuser nach realer Architektur, wie die Münchner Synagoge ...

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... oder ein Dorfkirchlein.

Man schlendert also vorbei an Unikaten: Katzenkörbe, aus Reisstroh geflochten, aus Japan. Gefilzte Mäusehöhlen. Eine elegante Hundehütte mit Sitzkissen im Schottenkaromuster, designt in Mailand. Ein Taubenhaus, geflochten aus einjährigen geschälten Weiden, mit Plexiglasabdeckung. Ein Meerschweinchen-Penthouse, Nussbaum und Securityglas, sowie ein "Meerschweinchen-Hochhaus" mit drei Ebenen und herausziehbarer Transportbox. Und weil in Zeiten der Artenvielfalt-Debatten der Tierfreund es nicht nur seinem Hätschelhund, sondern auch den frei lebenden Geschöpfen schön machen will, gibt es zum Beispiel ein tönernes Krötenhaus, einem marokkanischen Tajine-Topf ähnelnd, ein Marienkäferhaus mit - nein, nicht gepunktetem, sondern leuchtend blauem Dach oder das "Drew Drop Bee Home", ein tropfenförmiges Bienenhotel, Birkenfurnier und Bambus, made in Großbritannien.

Einige der Handwerker und Künstler haben ihre Entwürfe am eigenen Haustier getestet. Die Zwergdackel "Schoko" und "Nana" machen es sich bei der Vernissage umgehend in der zweistöckigen "Indoor-Behausung für Zwergdackel" gemütlich und einem sie aufgeregt umhechelnden, weiteren Vierbeiner unmissverständlich klar: "unser Plätzchen, Pfoten weg". Auch "Monaco", die einäugige Katze von Sebastian Frank, liebt ihre an die Wand zu schraubende Hängematte. 100 Prozent naturbelassen, der Filz aus der Wolle von Merinoschafen, das sei wichtig, denn "da kann sie beim Dösen noch den tierischen Duft einsaugen", schwärmt Mathias Wahrenberger, der mit seinem Partner Frank die Hängematte und weitere Katzenmöbel auf den Markt bringen will.

Den Duft des Merinoschafs einsaugen. Man kann das alles einfach mit Humor nehmen. Man könnte auch raunzen und maunzen bei der Vorstellung, dass Menschen 4500 Euro hinlegen für ein "fahrbares Stadthühnerhaus" in einer Welt, in der Menschen gar kein Dach oder nur eines aus Pappe überm Kopf haben. Oder man kann es angehen wie Roman Woerndl mit seiner schon einige Jahre alten Kunstinstallation "Best of Paradise", die im Untergeschoss der Galerie aufgebaut ist: neun Vogelhäuschen, real existierenden Gebäuden von Weltreligionen und weltumspannenden Ideologien nachmodelliert. Die jüdische Synagoge im München etwa. Die spitzturmige katholische Kirche in Aufkirchen am Starnberger See, wo Woerndl lebt. Das Lenin-Mausoleum in Moskau, die Europäische Zentralbank in Frankfurt, eine buddhistische Stupa, eine hinduistische Pagode.

Immer mal wieder hat Woerndl seine Vogelhäuschen im Garten aufgestellt und gefilmt, wie oft Kohlmeisen, Krähen, Amseln anfliegen, Kerne picken und - man muss es einfach so vermenschlichend formulieren - interessiert die Architektur studieren. "Ich wollte wissen", er sagt das im denkbar ernsthaftesten Ton, "welche Religion die Vögel bevorzugen". Und? "Na, die Zentralbank ist vorletzter geworden, die Buddhisten sind letzter. Gewonnen hat die Hindu-Pagode."

"Katz - Maus - Haus", Galerie Handwerk, Max-Joseph-Straße 4, bis 27. Juli, geöffnet dienstags, mittwochs, freitags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags 10 bis 20 Uhr und samstags 10 bis 13 Uhr. Jeden Donnerstag um 18.30 Uhr Führung.

© SZ vom 29.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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