Süddeutsche Zeitung

Immobilien in München:Was wird aus dem Kaufhaus am Hauptbahnhof?

Die Karstadt-Filiale soll als einzige in der Stadt geschlossen werden. Welche Szenarien nun für das Gebäude im Raum stehen.

Von Sebastian Krass

Es sind große Worte, die der Architekt Ludwig Wappner verwendet, wenn er über das historische Kaufhaus am Münchner Bahnhofsplatz spricht. "Eine Ikone der Warenhaus-Architektur" nennt er das 1905 eröffnete Hermann-Tietz-Haus am Münchner Bahnhofsplatz in einem Werbevideo auf einer Homepage des Signa-Konzerns von René Benko. Das Münchner Architekturbüro Allmann Wappner hat für die Immobiliensparte von Signa die Sanierung des denkmalgeschützten Gebäudes geplant, die auch schon voll im Gange ist - damit, so der bisherige Plan, im kommenden Jahr dort ein Kaufhaus wiedereröffnen kann, diesmal unter dem Namen Galeria, nachdem es lang Hertie und zuletzt Karstadt geheißen hatte.

Doch daraus wird nichts. Am Montag gab der Generalbevollmächtigte des insolventen Galeria-Konzerns, der ebenfalls zum Signa-Imperium gehört, bekannt, dass der Standort am Münchner Hauptbahnhof geschlossen werde, als einziger in der Stadt. Seitdem steht eine große, für die Münchner Innenstadt wichtige Frage im Raum: Was macht man mit einem Warenhaus-Gebäude ohne Warenhaus?

Diese Frage stellt sich auch einen Steinwurf entfernt, beim ehemaligen Kaufhof am Stachus, den Signa bereits im vergangenen Herbst dichtgemacht hat. Dieses Gebäude war, anders als das am Bahnhof, aber nur angemietet. Die Eigentümer wissen noch nicht, wie es damit weitergeht und übergeben es nun erst einmal für zwei Jahre zur Zwischennutzung.

Die Stadtratsfraktion von ÖDP/München-Liste (ML) hat gleich versucht, das Thema Kaufhaus am Hauptbahnhof zu besetzen und fordert Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) in einem Antrag auf, "sich mit allen planungsrechtlichen Optionen dafür einzusetzen, dass das Gebäude (...) nicht zu einem anonymen Bürokomplex verkommt". Reiter soll auch prüfen, ob dort sozialer Wohnungsbau, Seniorenwohnen oder eine Unterkunft für Geflüchtete unterkommen könnten.

Das allerdings ist nach dem Stand der Dinge Wunschdenken. Das Grundstück liegt im Umgriff eines gültigen Bebauungsplans, der ein "Kerngebiet" festsetzt. Das ist eine baurechtliche Kategorie, die Grundstückseigentümern große Freiheit für gewerbliche Nutzungen gibt, Wohnungen aber nur zu kleinem Anteil zulässt. Sozialvorgaben, wie sie ÖDP/ML fordern, sind im Bebauungsplan nicht enthalten und können nicht von der Stadt nachträglich ergänzt werden.

Da auch nicht anzunehmen ist, dass das private Unternehmen Signa ohne Zwang renditeschmälernde Sozialnutzungen ermöglicht, ist für die oberen Geschosse eine Büronutzung, wie ÖDP/ML sie befürchten, ein realistisches Szenario - zumal dieses Gebäude einen architektonischen Vorteil gegenüber anderen Warenhäusern hat, die nur nach vorn Fenster haben und im Gebäudeinneren nur künstlich beleuchtet werden können. Das Hermann-Tietz-Haus hat in der Mitte ein gläsernes Dach, durch das Licht nach innen fällt. In den unteren Geschossen wäre Einzelhandel auch künftig vorstellbar.

Oben Büro, unten Geschäfte - dieses Konzept verfolgt Signa ohnehin schon hinter dem Altbau: Wo sich derzeit noch zwischen Schützenstraße und Prielmayerstraße der heruntergekommene Anbau des einst zweitgrößten Kaufhauses der Republik (nach dem Kadewe in Berlin) erstreckt, wird in einigen Jahren ein Neubau nach den Plänen des jüngst mit dem Pritzker-Preis ausgezeichneten Architekten David Chipperfield entstehen, der sich bis hinter das Hotel Königshof am Stachus erstreckt.

Doch könnte nicht auch das Warenhaus zu einem Hotel werden? Luxuskategorie in historischen Mauern mit urbanem Blick auf den Bahnhofsplatz? Auch diese Spekulation macht in der Immobilienbranche die Runde.

Signa selbst hält sich bedeckt. "Das Nutzungskonzept des Altbaus am Bahnhofplatz werden wir im Einklang mit der geänderten Ausgangssituation anpassen und zeitnah vorstellen", erklärt eine Sprecherin zu den anstehenden Umplanungen. Eine Option allerdings scheint es nicht zu geben: dass das Kaufhaus doch eine Zukunft hat, der Betriebsrat der zur Schließung vorgesehenen Filiale hatte am Montag angekündigt dafür kämpfen zu wollen. Signa aber erklärt, man habe vor, den Menschen "ein glanzvolles Stück Architektur in der Münchner Innenstadt - auch ohne Warenhaus an dieser Stelle - zurückzugeben". Auf eine Nachfrage, ob die Initiative des Betriebsrats eine Chance habe, geht sie nicht ein.

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