Der Vogel ist keine Gans, auch wenn sein Name das vermuten lässt. Der Gänsesäger ist ein Entenvogel mit markantem Aussehen: Die Männchen haben, wenn sie ihr „Prachtkleid“ tragen, einen schwarzen Kopf mit grünem Schimmer; der Kopf der Weibchen ist rotbraun, ihre Jungen befördern sie gerne auf dem Rücken durchs Wasser. Über den Gänsesäger streiten sich Naturschützer, Fischer und eine Behörde. Werden zu viele Gänsesäger an der Isar geschossen? Und das auch noch unnötigerweise?
Der Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) bejaht diese Fragen und verbindet damit deutliche Kritik am Freistaat. Auf Beschluss des Landtages wurde schon 2020 eine Studie begonnen. In diesem Rahmen wurden an ausgewählten Flussabschnitten Hunderte dieser Entenvögel getötet.
Grund ist die Population der Äschen: So will man herausfinden, ob weniger fischfressende Gänsesäger sich positiv auf den Äschenbestand auswirken. Der einst häufig in bayerischen Flüssen lebende Fisch ist heute im Bestand gefährdet. Der Gänsesäger ist als heimischer Brutvogel geschützt, für Abschüsse braucht es eine amtliche Genehmigung.
Am Mittwoch protestierte der LBV an einer Brücke über der Isar bei Ismaning: „Stoppt den sinnlosen Gänsesäger-Abschuss!“, stand auf einem Transparent. Der Flussabschnitt unterhalb des Oberföhringer Wehrs, die Mittlere Isar, ist eines der Versuchsgebiete der Studie.
Seit 2020 wurden 239 Gänsesäger abgeschossen, nun wurde die Laufzeit der Untersuchung bis Mitte 2026 verlängert, zu rechnen ist mit weiterer „letalen Vergrämung“. So nennt sich im Fachjargon das Abschießen der Vögel.
Andreas von Lindeiner ist beim LBV Experte für die Gänsesäger. Es seien bereits „viel zu viele der Vögel geschossen“ worden, ohne dass dabei zielführende Daten gesammelt worden seien: „Es entsteht zunehmend der Eindruck, dass Gänsesäger und andere Tierarten, die sich von Fisch ernähren, zu den Hauptschuldigen für den schlechten Erhaltungszustand bestimmter Fischarten gemacht werden.“
Der LBV befürchtet eine Art Dammbruch: Dass infolge der Studie bayernweit die dauerhafte Bejagung des fischfressenden Gänsesägers vorbereitet werde. Den Abschuss „immer häufiger als bevorzugte Lösung“ anzustreben, sei „der absolut falsche Weg“, so Andreas von Lindeiner.

Um die Äsche zu schützen, fokussiere man sich zu sehr auf fischfressende Vögel und vernachlässige andere Faktoren, etwa die Beschaffenheit der Flüsse: Gibt es darin genügend Vegetation, Totholz und Steine, was die Äsche brauche, um sich wohlzufühlen? Sie benötige sichere Laichplätze und Gewässer, die zu durchwandern seien. Zudem werde die Temperatur der Flüsse zu wenig in die Untersuchung einbezogen: Durch den Klimawandel werde das Wasser im Sommer immer wärmer, was dem Kaltwasserfisch Äsche ebenfalls zusetzen könne.
Befürworter der Studie weisen die Kritik zurück. Verantwortlich für die Untersuchung ist das Institut für Fischerei der Landesanstalt für Landwirtschaft, begleitet wird sie von der Technischen Universität München. Wo der Gänsesäger „ausreichend“ vergrämt, also geschossen worden sei, wie an der Mittleren Isar, habe man eine „signifikante Zunahme des Äschenbestands“ festgestellt, teilt Michael Schubert, Vizechef des Fischerei-Instituts, mit.
Insgesamt seien an den Flüssen Isar, Alz, Traun, Leitzach und Iller 653 der Vögel getötet worden; an der Mittleren Isar und der Alz werde auch im kommenden Jahr geschossen. So wolle man herausfinden, ob man auch mit weniger Tötungen die Äsche effektiv schützen könne.
Dass die Wassertemperatur steige, spiele für die Äsche an den fraglichen Flussabschnitten keine Rolle, so Schubert. Das erkenne man daran, dass sie sich in diesem Wasser an sich gut fortpflanze.
Der Landesfischereiverband (LFV) Bayern weist die Kritik des LBV ebenfalls zurück. LFV-Geschäftsführer Sebastian Hanfland betont, dass die Äsche seit mehr als 30 Jahren im Bestand bedroht sei. Dagegen breite sich der Gänsesäger in Bayern immer weiter aus, es gebe hier mehrere Tausend dieser Vögel.
Im Rahmen der Studie seien pro Jahr lediglich gut 200 der Vögel getötet worden, was höchstens zwei Prozent der Population entspreche. Von einem „Massenabschuss“, wie der LBV kritisiert, könne keine Rede sein. Hanfland: „Eine Gefährdung der Population“ sei durch die Studie „vollkommen ausgeschlossen“.

