Süddeutsche Zeitung

Münchner Fußgängerzone:Die am stärksten frequentierte Einkaufsstraße Deutschlands

Jedes Adventswochenende strömen Hunderttausende in die Fußgängerzone. Mittels Laserzählung weiß man, wie viele potenzielle Kunden unterwegs sind. Besonders eng wird es immer zu einer bestimmten Uhrzeit - nur weiß keiner warum.

Von Sabine Buchwald

So etwas haben sie noch nie zuvor gesehen: Englein aus Gewürznelken. Die beiden Damen aus Bangkok begutachten interessiert die handgemachten Baumanhänger an einem der Stände auf dem Christkindlmarkt in der Fußgängerzone. Eigentlich wollten sie ja Schnee erleben hier, sagt einer ihrer Begleiter. Der aber liegt weder auf dem Boden noch in der Luft an diesem Dezembersamstag in München. Es ist das zweite Adventswochenende und die Menschen schieben sich zur Mittagszeit durch die Fußgängerzone in der Innenstadt. Schon seit dem Vormittag brummt es hier, sagt die freundliche Frau hinter dem Obststandl. Ihre Kirschen passen farblich zu den Christbaumkugeln, mit denen viele Geschäfte ihre Auslagen dekoriert haben, aber nicht zur Jahreszeit in diesem Teil der Welt. Was soll's.

Die Marktwirtschaft ist eine Wundertüte, in die man gerne rein greift, ganz besonders vor Weihnachten. Sehr zur Freude der Geschäftsleute. Vor einer Woche, am ersten Adventssamstag, war die Neuhauser Straße die höchstfrequentierte Einkaufsstraße Deutschlands. 202 431 Personen gingen laut Institut Hystreet.com vom Stachus aus durch das erste Stück der Fußgängerzone. Geschuldet ist dieser Rekord wohl dem sogenannten Black Friday, an dem mittlerweile auch hierzulande Einzelhändler mit Rabatten Kunden in die Läden zu locken versuchen. Der erste Advent und der Black Friday an einem Wochenende, das sei eine Sondersituation gewesen, erklärt Wolfgang Fischer, Geschäftsführer des Vereins City-Partner, in dem sich viele Münchner Geschäfte zusammengeschlossen haben. Nicht immer fällt das zusammen.

Und auch nicht jedes Wochenende strömen gleich viele Menschen in die Innenstadt. Vergangenen Samstag waren es auf jeden Fall weniger. Per Laserzählung des Marktforschungsinstituts wurden an diesem 193 653 Menschen in der Neuhauser Straße registriert. Immerhin fast 8800 potenzielle Shopper weniger. In der anschließenden Kaufinger Straße Richtung Marienplatz tummelten sich 178 756 Personen. Durch diese exakten Erhebungen erfährt man zudem: Besonders eng wird es rund um 15 Uhr. Die gefühlte Enge wird also nicht durch bereits dick gefüllte Einkaufstüten verursacht, sondern von Menschen, denen Gedränge nichts auszumachen scheint. Dass der Nachmittag so stark frequentiert ist, sei ein Phänomen, so Fischer, dass man seit einigen Jahren beobachten könne. Warum? Er wisse es nicht.

Genauso wenig könne man sagen, wie sich das Weihnachtsgeschäft insgesamt entwickeln werde. "Abgerechnet wird erst am Ende." Deshalb geben die Firmen zwischendurch auch keine Umsatzzahlen bekannt. "Wir sind guter Dinge", sagt Fischer. Weil der 24. Dezember dieses Jahr auf einen Dienstag falle, erwarte man ein starkes letztes Wochenende. Und vielleicht auch einen umsatzstarken Montag vor dem Heiligen Abend, weil dann womöglich schon viele Urlaub haben.

Abhängig ist das Geschäft sicher auch von den Temperaturen. Wenn sie fallen, dann spüren die Leute ihre kalten Hände, was sich positiv für uns auswirke, sagt eine Sprecherin der Münchner Handschuhmanufaktur Roeckl. Und wenn es in den Bergen schneit, dann freut man sich bei den Sporthäusern Schuster und Scheck.

In den Spielwarenläden und -abteilungen haben die Temperaturen weniger Einfluss auf die Verkaufszahlen. Hier wuselt es von früh bis spät. Hier gehen Kinderwünsche in Erfüllung. Verkaufsschlager sind zur Weihnachtszeit Gesellschaftsspiele, zu denen man Familie und Freunde um den Tisch versammeln kann.

Auch die Fulirs aus Mühldorf am Inn wurden am Karlsplatz wie magisch von den Plüschtieren und Puppen ins Ladeninnere gezogen. Mit einer weiß-roten Obletter-Tüte stehen die drei Kinder nun vor den üppig dekorierten Schaufenstern bei Oberpollinger. Ihre Augen glitzern glittergleich. Die drei können sich kaum satt sehen. "Einmal in der vor Vorweihnachtszeit fahren wir mit ihnen in die Innenstadt zum Schauen", sagt Vater Max Fulir. Das gehöre einfach dazu.

Ob Münchner oder Nicht-Münchner durch die Straßen strömen, können Laserzähler nicht erfassen. Der Tourismus aber, so erfährt man aus der Hotellerie, läuft ganz gut. Viele Österreicher und Schweizer kommen nach München, aber auch Französisch und Italienisch ist häufig in diesen Tagen zu hören. Besonders beliebt ist die Stadt bei Gästen aus anderen Bundesländern. Vielleicht weil die Bayern ein bisschen exotisch sind? Die beiden jungen Frauen aus Osnabrück und dem Rheinland, die man an einem Christkindlstand anspricht, wundern sich jedenfalls sehr. "Gibt es denn hier keinen Kakao?", fragen sie. "Wir haben schon überall danach gesucht. Kakao mit Schuss trinke man bei ihnen auf Weihnachtsmärkten. In München dagegen glüht es eher. Wein, Bier, Most. Gern mit vielen Umdrehungen.

Wer es nicht ganz so gedrängt mag, muss nur von der Fußgängerzone abbiegen. In den Fünf Höfen etwa freut man sich zwar auch über regen Andrang, bleibt aber im Vergleich bescheiden. 39 000 Besucher zählte man am ersten Adventssamstag. Gut mehr als 30 000 sollten auch dieses Wochenende die Infrarotsensoren an den Türen gemessen haben, glaubt Centermanagerin Elke Haeffner. Hier wirbt man mit Schokokugeln und Akrobatikvorführungen für einen Gutschein, der in allen 60 Geschäften und Lokalitäten einzulösen ist. Damit liegt die edle Einkaufspassage übrigens im Trend. Gutscheine werden mehr und mehr verschenkt, bestätigen auf Nachfrage viele Geschäftsleute.

Der Weihnachtsbummler ist ein gut beobachtetes Wesen. Auch von der Polizei. Mit mehr als 20 Kameras wird das Treiben von einer Polizeidienststelle in der Altstadt aus beobachtet. Dort sehen die Beamten nicht nur immer wieder Taschendiebe, sondern auch, wie manchem das Hochprozentige zu Kopfe steigt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4715122
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 09.12.2019/mmo
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.