Abpfiff in der Halbzeit?Münchens bekanntester Fußballkneipe droht das Aus

Lesezeit: 3 Min.

Wirt Holger Britzius bangt um die Zukunft seiner Sportkneipe "Stadion an der Schleißheimer Straße".
Wirt Holger Britzius bangt um die Zukunft seiner Sportkneipe "Stadion an der Schleißheimer Straße". (Foto: Robert Haas)

Das „Stadion an der Schleißheimer Straße“ ist wegen zu hoher Lärmwerte und der Beschwerden eines Anwohners akut gefährdet. Doch der Wirt und Unterstützer aus der Politik wollen die Schließung noch verhindern.

Von Heiner Effern

Wer in München zum Fußballschauen ins Stadion gehen und die Stimmung genießen, dafür aber keinen Eintritt zahlen will, der landet leicht mal in der Schleißheimer Straße 82. Hier liegt eine der bekanntesten Sportkneipen der Stadt. Doch am letzten Bundesliga-Spieltag vor der Weihnachtspause ist dort von besinnlicher Feiertagsstimmung nichts zu spüren, die Betreiber bangen plötzlich um ihre Existenz. Eine Partei des Hauses macht Stress wegen zu hoher Lärmwerte, und die erste Reaktion der Stadt ist wenig ermutigend. „Extremst in Gefahr“ sei die Zukunft seines „Stadions an der Schleißheimer Straße“, schreibt Wirt Holger Britzius auf der Plattform Instagram.

Los ging der Ärger vor etwa zwei Jahren, als eine Wohnung im Haus der Kneipe neu vermietet wurde. Letztlich kam es zu einer offiziellen Lärmmessung, die bei Torjubel und Stühlerücken ein Überschreiten der zulässigen Grenzwerte festgestellt haben soll. Dem folgte ein „halbnetter Brief“ der Stadtverwaltung, wie es Britzius formuliert. Das Schreiben erhielt eine konkrete Drohung, die für das Stadion das Ende bedeuten würde. Von der Beschränkung der Konzession auf 22 Uhr sei die Rede, erklärte der Wirt. „Da brauchen wir keine Fußballkneipe mehr zu machen.“ Dem dürfte nicht einmal das für Konzessionen zuständige Kreisverwaltungsreferat widersprechen. Man stelle sich vor, wie das Personal beim Halbzeitpfiff eines Champions-League-Spiels die Gäste hinauskomplimentiert.

Die noch inoffizielle Drohung mag das KVR aber offiziell nicht wiederholen. „Der Fall sei bekannt“, sagte eine Sprecherin. Die Lärmmessung habe das zuständige Referat für Umwelt und Klimaschutz vorgenommen. Wenn diese vorliege, werde man aber nicht sofort einen Bescheid erlassen, sondern mit allen Betroffenen reden und nach einer Lösung suchen.

Die Politik macht bereits Druck, dass beim Lärmschutz niemand über das Ziel hinaus schießt. Öffentlich bekannt gemacht hatte die drohende Schließung des Stadions CSU-Stadtrat Hans Theiss. Mit einem Antrag forderte er am Donnerstag den Erhalt der Fußballkneipe. „Es wäre für München und seine fußballbegeisterten Bürger eine Schande, wenn sie schließen müsste. Ich erwarte von der Verwaltung, dass sie mit den Betreibern und Bewohnern eine Lösung sucht, statt den Amtsschimmel wiehern zu lassen!“, begründete er seine Initiative.

Schon davor hatte sich eine sehr große Koalition aus dem Bezirksausschuss Maxvorstadt für die Fußballkneipe eingesetzt. Grüne, CSU und SPD äußerten in einem Schreiben an das Kreisverwaltungsreferat die Bitte, mit Augenmaß eine verträgliche Lösung zu finden. Die Betreiber hätten bereits mit der Vermieterin einen umfänglichen Kompromiss ausgehandelt. Der sehe eine neue Eingangstür vor, Filzgleiter an den Stühlen und ein Betriebsende um Mitternacht. Der Torjubel schießt durch die Wände nach oben, ganz ohne Geräusche werde eine (Fußball-)Kneipe nicht zu betreiben sein. Von einer Einigung der streitenden Parteien untereinander in der Schleißheimer Straße sei man bisher nicht unterrichtet, heißt es im KVR.

„Es geht um mehr als um Lärm und eine Fußballkneipe. Es geht um die Frage: In welchem Viertel wollen wir leben?“, sagte Siegrid Eck, Fraktionssprecherin der Grünen im Bezirksausschuss. Sie hat den Widerstand gegen das drohende Aus organisiert. „Das Stadion ist eine kulturelle und soziale Institution im Viertel.“ Die Betreiber böten Arbeitsplätze auch für Mitarbeiter, die sonst nicht leicht einen Job fänden, und seien für das soziale und kulturelle Leben im Viertel wichtig. „Ohne ihr Engagement hätte das jüngste Kinder- und Bürgerfest in der Maxvorstadt nicht stattfinden können“, schreiben die Mitglieder des Bezirksausschusses.

Betreiber Britzius hofft immer noch, dass die Einigung im Haus zustande kommt und die Verwaltung dann ihr Verfahren einstellt. Die Gespräche mit der Vermieter-Seite seien weit fortgeschritten, auch mit der Mietpartei halte er eine Einigung für möglich, sagte er. Um diese nicht zu gefährden, sollten Gäste und Fans ihre Empörung noch zügeln. „Bis keine finale Entscheidung gefallen ist und wir den nächsten grauen Umschlag im Briefkasten haben, bitten wir euch um Contenance und bleiben auch selbst so ruhig als möglich.“

Wenn aber alles schiefgeht, dann will Wirt Britzius jede Unterstützung gerne annehmen. „Wir wissen, dass ihr – Gäste und Freunde des Hauses – absolut ALLES in Gang setzen könntet und kommen im (leider wahrscheinlichen) Fall der Fälle auch darauf zurück“, erklärte er. Er verweist darauf, dass die beiden Wirte stets auf ein Miteinander mit den Nachbarn geachtet hätten. „18 Jahre Fußball in unserem Etablissement ohne eine einzige Anzeige oder gar ein Ordnungsgeld wegen Ruhestörung“ führt er als Beleg an. Britzius hofft, das klingt fast wie ein Weihnachtswunsch, dass der politische Antrag der CSU im Stadtrat das Problem erledigt. „Möge er erfolgreich sein und möge der gesunde Menschenverstand obsiegen!“

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Gastronomie in München
:Mutiert der Viktualienmarkt zum Food-Court?

Tiktok-Gurken, Sandwiches auf die Hand und jüngere Besucher: Münchens zentraler Markt verändert sich. Warum das nicht alle gut finden.

SZ PlusVon Catherine Hoffmann

Lesen Sie mehr zum Thema

  • Medizin, Gesundheit & Soziales
  • Tech. Entwicklung & Konstruktion
  • Consulting & Beratung
  • Marketing, PR & Werbung
  • Fahrzeugbau & Zulieferer
  • IT/TK Softwareentwicklung
  • Tech. Management & Projektplanung
  • Vertrieb, Verkauf & Handel
  • Forschung & Entwicklung
Jetzt entdecken

Gutscheine: