Seit München EM-Stadt ist, herrscht hier das Gefühl: Die ganze Welt oder zumindest ganz Europa ist in der Stadt. Oder schaut zumindest genau drauf, wie die Bayern feiern. Dieses Gefühl könnte sich noch einmal verstärken, denn es steht ein Party-Wochenende an, wie es die Stadt so wohl noch nie erlebt hat: Während Zehntausende kollektiv EM schauen, treibt es eine halbe Million Gäste regenbogenbunt beim Christopher Street Day.
Im Olympiapark kommt einiges zusammen: Die Fußballfreunde strömen in die Fan-Zone, Tollwood feiert Eröffnung mit einem Massen-Singen, Andreas Gabalier füllt das Stadion mit Lederhosen- und Dirndl-Fans – dazu kommen die betenden Christen des Kongresses Unum in der Olympiahalle und die Besucher des Kino-Open-Airs.
Es sieht tatsächlich nach Open-Air-tauglichem Wetter aus: ein Wechsel zwischen Wolken und Sonne, bis zu 22 Grad, womöglich mit ein wenig Nieselregen am späten Abend. Und so dürfte dieses Mega-Wochenende nicht nur ein Riesenspaß werden – sondern auch eine Herausforderung für die Polizei, das Ordnungsamt und die Verkehrsbetriebe.
Christopher Street Day
Den größten Auflauf des Wochenendes gibt es beim Christopher Street Day (CSD). Im vergangenen Jahr feierten laut Angaben des Veranstalters 520 000 Menschen mit beim großen Fest der queeren Gemeinde, der größten in Süddeutschland. „Vereint in Vielfalt“ heißt das Motto diesmal, mit dem der CSD ein gemeinsames Zeichen gegen rechts setzen will. Die Politparade zieht am Samstag von zwölf Uhr an mit 209 Gruppen und viel Musik vom Mariahilfplatz über die Fraunhoferstraße bis zum Maximiliansplatz über die von Schaulustigen gesäumten Straßen. Danach feiert man in der Innenstadt mit viel Musik, Shows, Talks, Tanz und mehr. Die Hauptbühne steht am Marienplatz, insgesamt sechs Party-Areale befinden sich zum Beispiel in der Fußgängerzone, am Odeonsplatz, am Wittelsbacherplatz und am Rindermarkt.

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Am Sonntag wird weitergefeiert, etwa mit dem Glamour-Event schlechthin, dem Pumps-Race der Drags. Sicherheit ist für die Veranstalter und die Polizei die größte Herausforderung, ein neues Ampel-System auf allen Social-Media-Kanälen des CSD soll dabei helfen, die Massen von eventuell abgeriegelten Zonen in weniger stark gefüllte Bereiche zu lotsen.
EM-Fan-Zone und Fan-Feste

Auf den Grasstufen am Olympiasee jubeln die Massen vor dem Riesenbildschirm. Dort kann man in Stadionatmosphäre ein Spiel schauen, wenn man kein Ticket für die Arena bekommen hat. Am großen Feierwochenende selbst werden zwar keine EM-Matches in München ausgetragen, aber auf dem Spielplan stehen einige Partien, die die Fans nach draußen treiben dürften: In den orangefarbenen Feier-Ozean eintauchen kann man am Freitag, 21 Uhr, beim Spiel der Niederlande gegen Frankreich. Hochemotional dürfte es am Samstag zugehen, wenn „die zweite Heimmannschaft“, nämlich die der Türkei, auf Portugal trifft (18 Uhr).

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Und am Sonntag wird man schon Stunden vor dem Anpfiff des dritten Gruppenspiels der deutschen Elf gegen die Schweiz (21 Uhr) in der Fan-Zone sein müssen, um noch einen Platz zu bekommen. Bei 25 000 Besuchern ist Einlass-Stopp, und dann dürfte es auch beim Public Viewing in den Biergärten, im Backstage-Club, im Muffatwerk und den Kneipen eng werden.
Tollwood

Marktstände, Straßenzirkus und Konzerte werden jeden Tag am ersten Wochenende zwischen 20 000 und 30 000 Gäste anlocken, schätzt der Veranstalter. Und sie alle werden gebraucht: „Ganz Tollwood singt!“, heißt es am Freitag und am Samstag von 22 Uhr an. Dann sollen alle Besucher gemeinsam zehn Minuten lang „Let The Sunshine In“ und „Give Peace A Chance“ als Friedensmantras anstimmen, dazu tanzen Leucht-Drohnen am Himmel.

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Die beiden Großkonzerte in der Zeltarena geben am Freitag Bilderbuch und am Samstag Dieter-Thomas Kuhn – da könnte es Que(e)r-Verbindungen zum CSD geben, denn diese feierfreudigen Künstler sind auch in der Community hoch geschätzt. Am Sonntag spielen Alphaville Achtzigerjahre-Hymnen wie „Forever Young“ mit Orchester.
Andreas Gabalier

Queerfeindlich sei er nicht, das hat der wertkonservative Sänger Andreas Gabalier oft betont und mit seinem Lied „Liebeleben“ noch einmal musikalisch bekräftigt. Aber Österreichs Popstar Nummer eins und seine Fans leben durchaus in ihrer eigenen „kleinen, steilen, heilen Welt“, zumindest während der Konzerte. Zum fünften Mal bereits tritt Gabalier im Olympiastadion auf, 2022 holte er sogar noch mehr Fans, seiner Rechnung nach 100 000, auf der Freifläche der Messe Riem zum großen „Hulapalu“-Chor zusammen.

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Immer verzeichnet dann irgendein seismologisches Institut ein kleines Erdbeben – kein Wunder, für den Steirer ist München „das Epizentrum des Volks-Rock-’n’-Roll“. Jedenfalls sei ihm hier immer besonders feierlich zumute, weshalb er für „Olympiastadion 5.0 – Die Rückkehr“ zwei partytaugliche Kumpels mitbringt: den Comedian Mario Barth und den Hollywood-Star David Hasselhoff.
Weitere Massen-Events

Man kann den ganz großen Massen entfliehen – und trotzdem in große Menschenmenge eintauchen. Eng wird es immer bei den Hofflohmärkten, die an diesem Wochenende Tausende ins Olympiadorf und nach Haidhausen locken werden. In Trudering versammelt man sich ums große Sonnwendfeuer (Samstag ab 15 Uhr), auf dem Domagk-Gelände öffnen 70 Künstler ihre Ateliers für die Freunde der Kunst (Freitag bis Sonntag), und das kunterbunte Wannda-Cirkus-Festival lockt die Latin-Aficionados mit dem „Salon Cubano Sommerfest“ in sein Zeltdorf in Freimann.
Filmfreunde genießen den Sommer bei den großen Kino-Open-Airs: Im Westpark-Theatron läuft am Samstag der Abba-Musikfilm „Mamma Mia!“. Und am Olympiasee werden ein Bob-Marley-Film und „Planet der Affen“ gezeigt, am Sonntag allerdings kommt man hier nicht um die Übertragung des Deutschland-Schweiz-Spiels herum. Aber muss es denn immer Fußball sein? Spannend und stimmungsvoll wird es auch im Dantestadion, da spielen die beiden Münchner Football-Teams zwei Derbys (jeweils 16 Uhr): die Munich Cowboys gegen die Augsburg Raptors am Samstag, und die Munich Rangers gegen die Nürnberg Rams am Sonntag.

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In der Münchner Olympiahalle treffen sich Tausende Christen. Hauptredner ist ein US-amerikanischer Prediger, der die Aufhebung der Säkularisation fordert. Die Organisatoren wollen angeblich „Trennendes überwinden“. Bürgermeisterin Verena Dietl bezeichnet das als „grotesk“.
Droht der Verkehrskollaps?
Den versucht die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) natürlich zu verhindern. Was die Anzahl der Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr betreffe, sei dieses Mega-Wochenende vergleichbar mit der Wiesn, bestätigt Maximilian Kaltner, Sprecher der MVG. Nur dass sich beim Abpfiff eines Fußballspiels oder nach dem letzten Lied eines Konzerts die ganze Masse auf einmal in Bewegung setzt. Dann sei mit „Engpässen an den Bahnhöfen zu rechnen, wenn Tausende Richtung U-Bahn drängen“. Bei drohender Überfüllung werden die Stationen jeweils für einige Minuten gesperrt, bis am Bahnsteig wieder genug Platz für Nachrücker ist.
„Wir haben am Wochenende insgesamt zwölf zusätzliche U-Bahn-Züge im Einsatz“, erklärt Kaltner. Und rund 50 zusätzliche Mitarbeitende. Die U3 zum Olympiazentrum werde auf einen Fünf-Minuten-Takt verstärkt, außerdem fahre die U8 über den Hauptbahnhof zum Olympiazentrum. Auch für die Heimreise seien bis in die Nacht zusätzliche U-Bahnen und Trambahnen im Einsatz. Zudem sollen von 21 Uhr an Shuttle-Busse vom Olympiazentrum über den Frankfurter Ring bis zum U6-Bahnhof Studentenstadt fahren.
Das gilt für die Fan-Zone und das Gabalier-Konzert, aber nicht fürs Tollwood. Wer dorthin mit der U-Bahn anreist, muss an der Fan-Zone vorbei und die Einlasskontrollen und Warteschlangen durchstehen – keine gute Idee. Die MVG empfiehlt stattdessen die Anreise mit dem Bus 144, zwischen Scheidplatz und Olympiapark West komme alle sieben Minuten einer – und er hält direkt am Haupteingang zum Festival. Man setze größere Fahrzeuge als üblich ein und verlängere den Betrieb bis in die Nacht. Alternativ biete sich die Anreise mit der Tram 20/21 über die Haltestelle Heideckstraße oder die Tram 12 über die Haltestelle Infanteriestraße an. Und wer etwas mehr Bewegung sucht, für den ist für die Dauer des Festivals eine mobile MVG-Radstation in der Nähe der Bushaltestelle Olympiaberg aufgestellt.
Das sagt die Polizei
Als ob die Münchner Polizei mit der EM nicht ohnehin schon genug zu tun hätte, kommen jetzt auch noch diverse andere Großveranstaltungen hinzu. Andererseits sind Großlagen hier nichts Neues, man denke nur an die jährlich stattfindende Sicherheitskonferenz oder die Wiesn. „Wir sind Herausforderungen gewohnt“, sagt Polizeisprecherin Anna-Maria Sporer. Und schließlich könne man wegen der EM nicht alles andere abblasen.
Während des Turniers sind ohnehin täglich bis zu 2000 Beamte im Einsatz, das gilt auch für dieses Wochenende. Die Sicherheitslage sei unverändert. Die Polizei spricht allgemein von einer „hohen, abstrakten Gefährdung“, konkrete Hinweise gebe es aber keine, so Sporer. „München ist mit Großeinsätzen vertraut“, betont die Kriminalhauptkommissarin. Dann steht dem Party-Wochenende also nichts im Weg.