Kleine Schwester der Wiesn:Das Frühlingsfest soll eine Woche länger dauern

Kleine Schwester der Wiesn: Die sehr viel kleinere Schwester der Wiesn: Auch das Frühlingsfest findet immer auf der Theresienwiese statt, zuletzt war dies im Mai dieses Jahres.

Die sehr viel kleinere Schwester der Wiesn: Auch das Frühlingsfest findet immer auf der Theresienwiese statt, zuletzt war dies im Mai dieses Jahres.

(Foto: Matthias Balk/dpa)

So haben es zumindest Münchens Schausteller bei der Stadt beantragt. Während aus den Vierteln Proteste zu hören sind, steht der Wirtschaftsreferent hinter dem Vorstoß.

Von Julian Raff

Kaum haben die Musikkapellen ihre Instrumente eingepackt, die Standbetreiber ihre letzte Zuckerwatte verkauft, die Wiesn-Festwirte ihre Bedienungen heimgeschickt, baut sich rund um den berühmtesten Festplatz der Welt aus Sicht der Anwohner ein neuer Konflikt auf. Anlass ist ein Vorstoß des Münchner Schaustellerverbands VMS. Die Schausteller haben bei der Stadt beantragt, das Frühlingsfest von 2023 an um eine Woche auf 24 Tage zu verlängern. In den betroffenen Vierteln hat sich bereits erster Widerstand formiert, der in der Stadtverwaltung zuständige Wirtschafts- und Wiesnreferent Clemens Baumgärtner (CSU) reagiert scharf auf die Beschlüsse der Bezirksausschüsse, die er als "völlig substanzlos" zurückweist. Entscheiden muss letztlich der Stadtrat.

Im Antragsschreiben der Schausteller heißt es, man habe das Für und Wider "gründlich und intensiv" diskutiert. "Die Schausteller befinden sich nach wie vor durch die Corona-Pandemie in einer finanziellen Krisensituation und sind auf jegliche Art von Einnahmen angewiesen. Aus diesem Grund sind sie für jeden Tag dankbar, den ein Volksfest länger dauert." Außerdem verweisen die Schausteller-Sprecher Peter Bausch und Robert Eckl auf eine neue Vorgabe des Kreisverwaltungsreferats. Die Betreiber sollten sich demnach Gedanken darüber machen, wie sich der Andrang entzerren ließe, besonders an den Wochenenden. Dass eine Verlängerung eben dazu beitragen könnte, habe 2021 die stadtweite Ersatzveranstaltung für den Cannstatter Wasen in Stuttgart gezeigt, heißt es im Schreiben.

Der Bezirksausschuss Ludwigs- und Isarvorstadt winkt einstimmig ab, nachdem schon die westlichen Wiesn-Nachbarn auf der Schwanthalerhöhe eine Woche zuvor mehrheitlich ebenfalls gegen eine Verlängerung gestimmt hatten. Der Sendlinger Bezirksausschuss wird sich wohl am 10. Oktober äußern. Arne Brach, Grünen-Sprecher in der Ludwigsvorstadt, verweist unter anderem auf einen Grundsatzbeschluss von 2014, mit dem es einigermaßen gelungen sei, "die unzähligen Veranstaltungen auf der Theresienwiese in ein Korsett zu zwingen".

Eigentlich soll es bei fünf Großveranstaltungen im Jahr bleiben

Die Lokalpolitiker hatten damals mit den Stadtbehörden ausgehandelt, dass es bei fünf Großveranstaltungen auf dem Gelände bleibt, nämlich Oktoberfest, Winter-Tollwood, Frühlingsfest, der gleichzeitig stattfindende Flohmarkt und ein Zirkus-Gastspiel. Fünf Veranstaltungstage hat der Bezirksausschuss für kleinere Events unter eigener Ägide reserviert. Allerdings wird dieses Kontingent nicht immer ausgeschöpft und längst nicht jede angeregte Veranstaltung genehmigt. So lehnt das Gremium beispielsweise seit Jahren Anträge auf ein Sonnwendfeuer wegen drohender Luftverschmutzung ab. Die Verlängerung des Frühlingsfestes könnte, so die Befürchtung, Begehrlichkeiten wecken - nicht zuletzt für eine Verlängerung der Wiesn auf vier oder fünf Wochen, so Brach.

Für die Nöte der Schausteller hat er dabei durchaus Verständnis und regt an, über eine Verlagerung des Frühlingsfests in andere, mit Großveranstaltungen weniger gesättigte Stadtbezirke nachzudenken. Die Theresienwiese selbst sei während der Wiesn-freien Jahre "buchstäblich aufgeblüht", mit niederschwelligen, kostenlosen Sport- und Kulturangeboten, beobachtet Brachs Grünen-Kollegin Claudia Lowitz. Nicht mehr in die Zeit passt daher aus BA-Sicht auch die abschlägige Antwort des Wirtschaftsreferats auf einen Bezirksausschuss-Antrag vom Februar 2022.

Für eine Fortführung des "Sommers in der Stadt" gibt es kein Budget

Der sah vor, Freizeitangebote à la "Sommer in der Stadt" außerhalb der üblichen Auf- und Abbauzeiten künftig dauerhaft zu ermöglichen, wenigstens auf der Südhälfte, ab der Matthias-Pschorr-Straße. Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU) teilt mit, der Stadtsommer sei zwar "auch in unseren Augen ein schöner Erfolg" gewesen, für eine Fortführung sei aber "keinerlei Budget vorhanden. So steht zum Beispiel für zwingend notwendige Toilettenanlagen kein Geld zur Verfügung." Insbesondere der sanitäre Einwand macht auf Brach und den Bezirksausschuss-Vorsitzenden Benoît Blaser (Grüne) wenig Eindruck - an ein paar Mobilklos dürfe es nicht scheitern, heißt es aus dem Gremium.

Wirtschafts- und Wiesnreferent Clemens Baumgärtner (CSU) verweist auf den Stadtrat, der die Frage letztlich beantworten müsse. Zwischen den Schaustellern und seinem Haus habe es jedenfalls keine "Vorfestlegungen" auf eine Verlängerung des Frühlingsfests gegeben, auch wenn er sie persönlich befürworte. Lediglich ein Drittel des Geländes werde eine Woche länger belegt. "Da bleibt genug übrig", so der Wiesnchef.

Das Frühlingsfest möge kein Touristenmagnet sein, belebe aber mit zuletzt 150 000 Besuchern im Jahr 2022 auch Gastronomie und Einzelhandel im umgebenden Viertel, was den Bezirksausschuss ja kaum stören könne. Die "ausschließlich lokale Perspektive", aus der argumentiert werde, ist Baumgärtner an sich nicht fremd, schließlich vertritt der CSU-Politiker seinen Heimatstadtbezirk Untergiesing-Harlaching im dortigen BA, den er von 2012 bis 2020 sogar leitete. Mit kollegialer Milde brauchen die Kollegen aus der Ludwigsvorstadt aber nicht zu rechnen. Insbesondere deren Szenario einer drohenden Wiesn-Verlängerung sei "totaler Bullshit", so Baumgärtner. Abgesehen davon, dass weder Wirte noch Schausteller dies wollten, so der Referent, könne das Oktoberfest gar nicht verlängert werden - schließlich knüpfe die letzte Abbauphase im Spätherbst nahtlos an die Vorbereitungen zum Winter-Tollwood an.

Den Blick auf allgemein bekannte Fakten, beziehungsweise ein gründliches Aktenstudium empfiehlt Baumgärtner BA-Chef Blaser auch zum "Sommer in der Stadt". Dieser sei in erster Linie als Nothilfe-Programm für die Schausteller aufgelegt worden. Nachfolgeangebote seien heute, inmitten der heraufziehenden Wirtschaftskrise, unfinanzierbar - auch aus den Mitteln des Referats für Bildung und Sport (RBS). Die BA-Grünen, so Baumgärtner, hätten den Ernst der Lage nicht erkannt und kartelten lieber einen Polit-Tarock, nach dem Motto "Grün haut auf Schwarz".

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